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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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Aber o Wunder! kaum haben sie den Rücken gewendet, so wirds lebendig in
den verlassenen Hütten. Die Männer kriechen aus den Verstecken, wie Biber ans
ihren Wasserbauten, wenn der Feind vorbei gehuscht ist, und alles rennt jetzt toll
dnrch einander, die angesagten besrenndeicn Gäste zu empfangen. Wein in Ueber-
fluß -- Wasser in Strömen -- Heu, Brot und Speck in Massen -- und Küsse
und Händedrücken mit in den Kauf. Das Dorf ist zum Jahrmarkt geworden,
die Mütterchen trippeln hin und her, die Buben streicheln die Pferde, die Mäd¬
chen sorgen fürs Essen und die Männer fragen in Eile, ob Kossuth "den Gott
segne" noch in Debreczin ist und ob Windischgrätz "dessen Urgroßmutter schon
verflucht war" den König noch immer gefangen halte.

Es liegt viel Schreckliches und viel Poesie in diesem nationalen Kriege, und
die Russen werden trotz ihrer Kautschukmageu ihren Kindeskindern noch viel von
dieser Poesie zu erzählen haben. --




Die .Hofpartei in München und ihre Presse.



Sonderbar genug hatten die Stiefkinder der Neuzeit -- die Künstler, Mitte
Februar d. I. zu München in prachtvoller Festlichkeit die große Wallfahrt aller
deutschen Stämme zum Kyffhäuser und Barbarossa's Erlösung dargestellt"); die
Wittelsbacher hatten's mit angesehn und in den Begeisteruugsjubel des versam¬
melten Volkes eingestimmt. Als aber der beschwvreue Barbarossa am 28. März
d. I. unter dem Glvckengeläut der Mainstadt wirklich erstanden, da waren die
hiesigen offiziellen Stimmen die zuerst feierlichst Protestirenden. Die Weltkinder
spotteten, daß die Kaiserbvten so langsam reisten: sie fürchteten, hieß es, am
1. April das Kaiservließ zu bringen; die Auserwählten des Herrn aber sahen
weiter; sie erblickten in dem Umstand, daß die Nachricht von der Wahl des pro¬
testantischen Kaisers am schmerzhaften Freitag hier einlief und wiederum die Ant¬
wort Friedrich Wilhelm IV. am Charfreitag, eine höhere Fügung; die stille
Woche der Kirche sollte den Kindern der Politik die Enttäuschung bringen. Die
kirchlichen Ceremonien dieser Woche und deren Ausgang, die Auferstehungsfeier
wurden unter Theilnahme des Hofes mit aller mittelalterlichen Pracht begangen
und die ultramontane Presse wollte wissen, die Kirchen seien noch nie so zahlreich
besucht, uoch nie mit so glühender Andacht der Gläubigen erfüllt gewesen. Es
konnte nicht auffallen, wenn unsere illustrirte Zeitung, die "Leuchtkugeln," die



*) Das Fest mußte wiederholt werden und hat so reichen Ueberschuß geliefert, daß a
demselben eine Kasse zur Unterstützung schuldlos verarmter Künstler gebildet werden konnte.

Aber o Wunder! kaum haben sie den Rücken gewendet, so wirds lebendig in
den verlassenen Hütten. Die Männer kriechen aus den Verstecken, wie Biber ans
ihren Wasserbauten, wenn der Feind vorbei gehuscht ist, und alles rennt jetzt toll
dnrch einander, die angesagten besrenndeicn Gäste zu empfangen. Wein in Ueber-
fluß — Wasser in Strömen — Heu, Brot und Speck in Massen — und Küsse
und Händedrücken mit in den Kauf. Das Dorf ist zum Jahrmarkt geworden,
die Mütterchen trippeln hin und her, die Buben streicheln die Pferde, die Mäd¬
chen sorgen fürs Essen und die Männer fragen in Eile, ob Kossuth „den Gott
segne" noch in Debreczin ist und ob Windischgrätz „dessen Urgroßmutter schon
verflucht war" den König noch immer gefangen halte.

Es liegt viel Schreckliches und viel Poesie in diesem nationalen Kriege, und
die Russen werden trotz ihrer Kautschukmageu ihren Kindeskindern noch viel von
dieser Poesie zu erzählen haben. —




Die .Hofpartei in München und ihre Presse.



Sonderbar genug hatten die Stiefkinder der Neuzeit — die Künstler, Mitte
Februar d. I. zu München in prachtvoller Festlichkeit die große Wallfahrt aller
deutschen Stämme zum Kyffhäuser und Barbarossa's Erlösung dargestellt"); die
Wittelsbacher hatten's mit angesehn und in den Begeisteruugsjubel des versam¬
melten Volkes eingestimmt. Als aber der beschwvreue Barbarossa am 28. März
d. I. unter dem Glvckengeläut der Mainstadt wirklich erstanden, da waren die
hiesigen offiziellen Stimmen die zuerst feierlichst Protestirenden. Die Weltkinder
spotteten, daß die Kaiserbvten so langsam reisten: sie fürchteten, hieß es, am
1. April das Kaiservließ zu bringen; die Auserwählten des Herrn aber sahen
weiter; sie erblickten in dem Umstand, daß die Nachricht von der Wahl des pro¬
testantischen Kaisers am schmerzhaften Freitag hier einlief und wiederum die Ant¬
wort Friedrich Wilhelm IV. am Charfreitag, eine höhere Fügung; die stille
Woche der Kirche sollte den Kindern der Politik die Enttäuschung bringen. Die
kirchlichen Ceremonien dieser Woche und deren Ausgang, die Auferstehungsfeier
wurden unter Theilnahme des Hofes mit aller mittelalterlichen Pracht begangen
und die ultramontane Presse wollte wissen, die Kirchen seien noch nie so zahlreich
besucht, uoch nie mit so glühender Andacht der Gläubigen erfüllt gewesen. Es
konnte nicht auffallen, wenn unsere illustrirte Zeitung, die „Leuchtkugeln," die



*) Das Fest mußte wiederholt werden und hat so reichen Ueberschuß geliefert, daß a
demselben eine Kasse zur Unterstützung schuldlos verarmter Künstler gebildet werden konnte.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/248>, abgerufen am 15.01.2025.