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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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Kraftanstrengungen angeregt wird, das haben wir aus diesem Kriege erfahren,
der sich Armeen aus dein Boden stampfte.

Ein Theil der jetzigen ungarischen Heeresmacht und zwar ihr Kern, die Hu¬
saren lagen beim Ausbruch des Krieges einige Regimenter stark im Lande selbst,
und wer den Katechismus des Husaren kennt, war nicht lange in Zweifel darüber,
zu welcher Partei sich derselbe schlagen werde. Aber auch vou Böhmen und Mäh¬
ren, von Galizien und Steiermark desertirten einzelne Schwadronen, um für das
gefährdete Vaterland zu fechten. So schlugen sich, um hier nur Ein Beispiel aus
vielen zu erwähnen, 300 Mann mit ihren Pferden und Offizieren von Klattau
aus Böhmen bis nach Ungarn durch. Ich selbst war Zeuge, als diese Braven in
Oedenburg ankamen, und von der begeisterten Menge mitsammt ihren Pferden
in die Stadt beinahe getragen wurden. Von allen Seiten verfolgt, so lange
sie sich noch ans kaiserlich östreichischen Boden befanden, hatten sie sich durch ein
ganzes Regiment Kürassiere mit bedeutendem Verluste durchschlagen müssen. Den
Tag über verbargen sie sich in Wäldern, um ihren Verfolgern zu entgehen, und
nnr des Nachts gings ohne Unterlaß fort gegen die heimathlichen Grenzen. Ihre
Kleider waren in Fetzen, Blut und Koth klebten auf ihren Gesichtern, das Riem-
zeug war zerrissen, die Pferde zu Skeletten eingeschrumpft, sie selbst mehr todt
als lebendig vou Entbehrung und Strapatzen, aber ihr Ange blickte begeistert auf
die Landsleute, die sich um sie drängten, und ihr Ohr lauschte gierig den theuren
Lauten der Heimatt), für die zu sterben sie gekommen waren mit Lebensgefahr. --

Auch in Italien stehn noch an 20,000 Mann Ungar", aber so sehr man ih¬
nen von Hause ans in die Hände arbeitete, die waren zu strenge bewacht, um
an Flucht denken zu können, und so sehnsüchtig sie anch nach dem piemontesischen
Boden hinüberblickten, sie konnten ihn nicht erreichen, um von dort aus auf sar-
dinischen Schiffen in Dalmatien ans Land gesetzt zu werden, und sich zu ihren
Brüdern durchzuschlagen. Kossuth hatte ans diese Regimenter sehr gerechnet, aber
dennoch, aufs schlimmste gefaßt, mittlerweile nichts versäumt, um für Ungarn ein
neues Heer zu organisiren. An Rekruten fehlte es nicht, und für Offiziere sorgte
die östreichische Armee, dann Pole". Der neue Soldat sollte auch mit seiner
neuen Bestimmung eine" neuen Namen bekommen; Kossuth nannte ihn Honvod,
was so viel bedeutet als "Vaterlandsvertheidiger" im Gegensatz zum "Soldaten"
der sich für armseligen Sold anwerben läßt. Es ist daher ein Irrthum, den ich
allgemein verbreitet fand, wenn man die Honvvds für irreguläre Truppen, se"-'
Landstürmler hält. Der Houved ist aber der reguläre ungarische Soldat, und der
Husar ist der berittene Honved.

Wo aber ein reguläres Corps sich zu einer Expedition in Bewegung setzt,
da verlassen die Bauer" ihren Pflug oder ihre warme Stube, um als Avant- und
Arrieregarde dasselbe zu begleite", zu umschwärmen. Lavinenartig schwillt dann
dieser Knäul mit jeder Meile an. Die Landstürmler sind die Quartiermacher, sie


Kraftanstrengungen angeregt wird, das haben wir aus diesem Kriege erfahren,
der sich Armeen aus dein Boden stampfte.

Ein Theil der jetzigen ungarischen Heeresmacht und zwar ihr Kern, die Hu¬
saren lagen beim Ausbruch des Krieges einige Regimenter stark im Lande selbst,
und wer den Katechismus des Husaren kennt, war nicht lange in Zweifel darüber,
zu welcher Partei sich derselbe schlagen werde. Aber auch vou Böhmen und Mäh¬
ren, von Galizien und Steiermark desertirten einzelne Schwadronen, um für das
gefährdete Vaterland zu fechten. So schlugen sich, um hier nur Ein Beispiel aus
vielen zu erwähnen, 300 Mann mit ihren Pferden und Offizieren von Klattau
aus Böhmen bis nach Ungarn durch. Ich selbst war Zeuge, als diese Braven in
Oedenburg ankamen, und von der begeisterten Menge mitsammt ihren Pferden
in die Stadt beinahe getragen wurden. Von allen Seiten verfolgt, so lange
sie sich noch ans kaiserlich östreichischen Boden befanden, hatten sie sich durch ein
ganzes Regiment Kürassiere mit bedeutendem Verluste durchschlagen müssen. Den
Tag über verbargen sie sich in Wäldern, um ihren Verfolgern zu entgehen, und
nnr des Nachts gings ohne Unterlaß fort gegen die heimathlichen Grenzen. Ihre
Kleider waren in Fetzen, Blut und Koth klebten auf ihren Gesichtern, das Riem-
zeug war zerrissen, die Pferde zu Skeletten eingeschrumpft, sie selbst mehr todt
als lebendig vou Entbehrung und Strapatzen, aber ihr Ange blickte begeistert auf
die Landsleute, die sich um sie drängten, und ihr Ohr lauschte gierig den theuren
Lauten der Heimatt), für die zu sterben sie gekommen waren mit Lebensgefahr. —

Auch in Italien stehn noch an 20,000 Mann Ungar», aber so sehr man ih¬
nen von Hause ans in die Hände arbeitete, die waren zu strenge bewacht, um
an Flucht denken zu können, und so sehnsüchtig sie anch nach dem piemontesischen
Boden hinüberblickten, sie konnten ihn nicht erreichen, um von dort aus auf sar-
dinischen Schiffen in Dalmatien ans Land gesetzt zu werden, und sich zu ihren
Brüdern durchzuschlagen. Kossuth hatte ans diese Regimenter sehr gerechnet, aber
dennoch, aufs schlimmste gefaßt, mittlerweile nichts versäumt, um für Ungarn ein
neues Heer zu organisiren. An Rekruten fehlte es nicht, und für Offiziere sorgte
die östreichische Armee, dann Pole». Der neue Soldat sollte auch mit seiner
neuen Bestimmung eine» neuen Namen bekommen; Kossuth nannte ihn Honvod,
was so viel bedeutet als „Vaterlandsvertheidiger" im Gegensatz zum „Soldaten"
der sich für armseligen Sold anwerben läßt. Es ist daher ein Irrthum, den ich
allgemein verbreitet fand, wenn man die Honvvds für irreguläre Truppen, se»-'
Landstürmler hält. Der Houved ist aber der reguläre ungarische Soldat, und der
Husar ist der berittene Honved.

Wo aber ein reguläres Corps sich zu einer Expedition in Bewegung setzt,
da verlassen die Bauer» ihren Pflug oder ihre warme Stube, um als Avant- und
Arrieregarde dasselbe zu begleite», zu umschwärmen. Lavinenartig schwillt dann
dieser Knäul mit jeder Meile an. Die Landstürmler sind die Quartiermacher, sie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/246>, abgerufen am 15.01.2025.