Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

die faktische Emanzipation der Juden ausgesprochen hatte, so werden wir es er¬
klärlich finden, daß die Juden Ungarns sämmtlich begeisterte Freunde Kossuth's
und des Magyarenthums sind.

Nach dieser zum Verständniß des folgenden nothwendigen Einleitung wenden
wir uns wieder zu den beiden kriegführenden Mächten.

Das Ministerium Stadion - Schwarzenberg, welches, da es einmal nicht po¬
pulär werdeu kann, sich gerne das "starke" schimpfen läßt, hatte es nicht nöthig,
für Ungarn Rnthcnen zu erfinden. Die Magyaren hatten an den Wallachen,
Slovaken, Serben und Kroaten Feinde in beliebiger Auswahl, und wenn sie
bisher im stolzen Uebermuthe sich für die alleinigen Herren des 4000 Quadrat-
Meilen großen Gartens gehalten hatten, in welchem die Pferde wild wuchsen und
die Tabaksstaude, und als dessen Cactusumzännnng die slavischen Stämme figu-
rirten, so hatte diese ihre Stacheln doch eben so wohl nach innen wie nach außen.
Das Ministerium Wesseuberg und das jetzige hatten als freundliche Gärtner nichts
besseres zu thun, als die Umzäunung sorgfältig zu begießen, sie groß zu ziehen
und nach einwärts zu rücken. Sie versprachen den Feinden der Magyaren alles
was sich deren Phantasie nur träumen lassen wollte, sie caresstrten die Slovaken
und die Serben und die Numainen, sie caresstrten den Baums und den Wojwvdcn
geheim und öffentlich, kurz sie buhlten um die Freundschaft dieser Mäuner, und
vergaßen dabei an die mächtigste der Nationen, die nie ungestraft vergessen wer¬
den darf, weil sie sich selber nie vergißt -- sie unterließen es, sich die Juden zu
befreunden, die allem von dem "großen, freien, einigen Oestreich" nichts zu er¬
warten hatten, weil sie durch deu ungarischen Reichstag schon emancipirt waren.

Ja, Fürst Windischgrätz that noch weit schlimmeres, er machte sich die Juden
Zu Feinden. Während andere Lieferanten und Helfershelfer Kossuth's einfach
und Pulver und Blei abgethan worden waren, wurde den Judengemeinden, denen
ein solcher Verräther -- -Ula" Patriot -- angehörte, das bei der Exekution ver¬
puffte Schicßmaterial noch extra mit 20,000 Fi. C.-M. berechnet. Die Gemeinde
tollte hasten für jeden ans ihrer Mitte, daß er kein Leder oder Tuch schmuggle
Nach Debreczin; der Vater mußte zum Strick beisteuern, mit dem sein Sohn ge¬
hängt werden sollte, und fand es doch so natürlich, daß sein schaust Leder für
Kossuth liefere und dabei seinen Profit hatte i" diesen ledig schlechten Zeiten.--

Die immensen Strafgelder blieben nicht ohne alle Wirkung. Die Ge¬
meinden sahen die Unmöglichkeit ein, ihre einzelnen Mitglieder zu überwachen,
darum gingen sie den sicherern Weg und schmuggelten als Korporation, wo
das Erwischtwerdeu schwerer ist. Während schaust und Mosche mit ihren christ¬
lichen Nachbaren Lajos und Ferencz in den ersten Reihen der Magyaren tapfer
fochten, bildeten die dahcimgebliebenen Graubärte die Mittelglieder jenes unge¬
heuren Telegraphennetzes, welches sich von Wien bis Debreczin und von Arad
bis Kommorn ausdehnte. Ihre weitverzweigten Handelsgeschäfte, Korrespondenten


31*

die faktische Emanzipation der Juden ausgesprochen hatte, so werden wir es er¬
klärlich finden, daß die Juden Ungarns sämmtlich begeisterte Freunde Kossuth's
und des Magyarenthums sind.

Nach dieser zum Verständniß des folgenden nothwendigen Einleitung wenden
wir uns wieder zu den beiden kriegführenden Mächten.

Das Ministerium Stadion - Schwarzenberg, welches, da es einmal nicht po¬
pulär werdeu kann, sich gerne das „starke" schimpfen läßt, hatte es nicht nöthig,
für Ungarn Rnthcnen zu erfinden. Die Magyaren hatten an den Wallachen,
Slovaken, Serben und Kroaten Feinde in beliebiger Auswahl, und wenn sie
bisher im stolzen Uebermuthe sich für die alleinigen Herren des 4000 Quadrat-
Meilen großen Gartens gehalten hatten, in welchem die Pferde wild wuchsen und
die Tabaksstaude, und als dessen Cactusumzännnng die slavischen Stämme figu-
rirten, so hatte diese ihre Stacheln doch eben so wohl nach innen wie nach außen.
Das Ministerium Wesseuberg und das jetzige hatten als freundliche Gärtner nichts
besseres zu thun, als die Umzäunung sorgfältig zu begießen, sie groß zu ziehen
und nach einwärts zu rücken. Sie versprachen den Feinden der Magyaren alles
was sich deren Phantasie nur träumen lassen wollte, sie caresstrten die Slovaken
und die Serben und die Numainen, sie caresstrten den Baums und den Wojwvdcn
geheim und öffentlich, kurz sie buhlten um die Freundschaft dieser Mäuner, und
vergaßen dabei an die mächtigste der Nationen, die nie ungestraft vergessen wer¬
den darf, weil sie sich selber nie vergißt — sie unterließen es, sich die Juden zu
befreunden, die allem von dem „großen, freien, einigen Oestreich" nichts zu er¬
warten hatten, weil sie durch deu ungarischen Reichstag schon emancipirt waren.

Ja, Fürst Windischgrätz that noch weit schlimmeres, er machte sich die Juden
Zu Feinden. Während andere Lieferanten und Helfershelfer Kossuth's einfach
und Pulver und Blei abgethan worden waren, wurde den Judengemeinden, denen
ein solcher Verräther — -Ula« Patriot — angehörte, das bei der Exekution ver¬
puffte Schicßmaterial noch extra mit 20,000 Fi. C.-M. berechnet. Die Gemeinde
tollte hasten für jeden ans ihrer Mitte, daß er kein Leder oder Tuch schmuggle
Nach Debreczin; der Vater mußte zum Strick beisteuern, mit dem sein Sohn ge¬
hängt werden sollte, und fand es doch so natürlich, daß sein schaust Leder für
Kossuth liefere und dabei seinen Profit hatte i» diesen ledig schlechten Zeiten.--

Die immensen Strafgelder blieben nicht ohne alle Wirkung. Die Ge¬
meinden sahen die Unmöglichkeit ein, ihre einzelnen Mitglieder zu überwachen,
darum gingen sie den sicherern Weg und schmuggelten als Korporation, wo
das Erwischtwerdeu schwerer ist. Während schaust und Mosche mit ihren christ¬
lichen Nachbaren Lajos und Ferencz in den ersten Reihen der Magyaren tapfer
fochten, bildeten die dahcimgebliebenen Graubärte die Mittelglieder jenes unge¬
heuren Telegraphennetzes, welches sich von Wien bis Debreczin und von Arad
bis Kommorn ausdehnte. Ihre weitverzweigten Handelsgeschäfte, Korrespondenten


31*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0243" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278753"/>
            <p xml:id="ID_759" prev="#ID_758"> die faktische Emanzipation der Juden ausgesprochen hatte, so werden wir es er¬<lb/>
klärlich finden, daß die Juden Ungarns sämmtlich begeisterte Freunde Kossuth's<lb/>
und des Magyarenthums sind.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_760"> Nach dieser zum Verständniß des folgenden nothwendigen Einleitung wenden<lb/>
wir uns wieder zu den beiden kriegführenden Mächten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_761"> Das Ministerium Stadion - Schwarzenberg, welches, da es einmal nicht po¬<lb/>
pulär werdeu kann, sich gerne das &#x201E;starke" schimpfen läßt, hatte es nicht nöthig,<lb/>
für Ungarn Rnthcnen zu erfinden. Die Magyaren hatten an den Wallachen,<lb/>
Slovaken, Serben und Kroaten Feinde in beliebiger Auswahl, und wenn sie<lb/>
bisher im stolzen Uebermuthe sich für die alleinigen Herren des 4000 Quadrat-<lb/>
Meilen großen Gartens gehalten hatten, in welchem die Pferde wild wuchsen und<lb/>
die Tabaksstaude, und als dessen Cactusumzännnng die slavischen Stämme figu-<lb/>
rirten, so hatte diese ihre Stacheln doch eben so wohl nach innen wie nach außen.<lb/>
Das Ministerium Wesseuberg und das jetzige hatten als freundliche Gärtner nichts<lb/>
besseres zu thun, als die Umzäunung sorgfältig zu begießen, sie groß zu ziehen<lb/>
und nach einwärts zu rücken. Sie versprachen den Feinden der Magyaren alles<lb/>
was sich deren Phantasie nur träumen lassen wollte, sie caresstrten die Slovaken<lb/>
und die Serben und die Numainen, sie caresstrten den Baums und den Wojwvdcn<lb/>
geheim und öffentlich, kurz sie buhlten um die Freundschaft dieser Mäuner, und<lb/>
vergaßen dabei an die mächtigste der Nationen, die nie ungestraft vergessen wer¬<lb/>
den darf, weil sie sich selber nie vergißt &#x2014; sie unterließen es, sich die Juden zu<lb/>
befreunden, die allem von dem &#x201E;großen, freien, einigen Oestreich" nichts zu er¬<lb/>
warten hatten, weil sie durch deu ungarischen Reichstag schon emancipirt waren.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_762"> Ja, Fürst Windischgrätz that noch weit schlimmeres, er machte sich die Juden<lb/>
Zu Feinden. Während andere Lieferanten und Helfershelfer Kossuth's einfach<lb/>
und Pulver und Blei abgethan worden waren, wurde den Judengemeinden, denen<lb/>
ein solcher Verräther &#x2014; -Ula« Patriot &#x2014; angehörte, das bei der Exekution ver¬<lb/>
puffte Schicßmaterial noch extra mit 20,000 Fi. C.-M. berechnet. Die Gemeinde<lb/>
tollte hasten für jeden ans ihrer Mitte, daß er kein Leder oder Tuch schmuggle<lb/>
Nach Debreczin; der Vater mußte zum Strick beisteuern, mit dem sein Sohn ge¬<lb/>
hängt werden sollte, und fand es doch so natürlich, daß sein schaust Leder für<lb/>
Kossuth liefere und dabei seinen Profit hatte i» diesen ledig schlechten Zeiten.--</p><lb/>
            <p xml:id="ID_763" next="#ID_764"> Die immensen Strafgelder blieben nicht ohne alle Wirkung. Die Ge¬<lb/>
meinden sahen die Unmöglichkeit ein, ihre einzelnen Mitglieder zu überwachen,<lb/>
darum gingen sie den sicherern Weg und schmuggelten als Korporation, wo<lb/>
das Erwischtwerdeu schwerer ist. Während schaust und Mosche mit ihren christ¬<lb/>
lichen Nachbaren Lajos und Ferencz in den ersten Reihen der Magyaren tapfer<lb/>
fochten, bildeten die dahcimgebliebenen Graubärte die Mittelglieder jenes unge¬<lb/>
heuren Telegraphennetzes, welches sich von Wien bis Debreczin und von Arad<lb/>
bis Kommorn ausdehnte. Ihre weitverzweigten Handelsgeschäfte, Korrespondenten</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 31*</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0243] die faktische Emanzipation der Juden ausgesprochen hatte, so werden wir es er¬ klärlich finden, daß die Juden Ungarns sämmtlich begeisterte Freunde Kossuth's und des Magyarenthums sind. Nach dieser zum Verständniß des folgenden nothwendigen Einleitung wenden wir uns wieder zu den beiden kriegführenden Mächten. Das Ministerium Stadion - Schwarzenberg, welches, da es einmal nicht po¬ pulär werdeu kann, sich gerne das „starke" schimpfen läßt, hatte es nicht nöthig, für Ungarn Rnthcnen zu erfinden. Die Magyaren hatten an den Wallachen, Slovaken, Serben und Kroaten Feinde in beliebiger Auswahl, und wenn sie bisher im stolzen Uebermuthe sich für die alleinigen Herren des 4000 Quadrat- Meilen großen Gartens gehalten hatten, in welchem die Pferde wild wuchsen und die Tabaksstaude, und als dessen Cactusumzännnng die slavischen Stämme figu- rirten, so hatte diese ihre Stacheln doch eben so wohl nach innen wie nach außen. Das Ministerium Wesseuberg und das jetzige hatten als freundliche Gärtner nichts besseres zu thun, als die Umzäunung sorgfältig zu begießen, sie groß zu ziehen und nach einwärts zu rücken. Sie versprachen den Feinden der Magyaren alles was sich deren Phantasie nur träumen lassen wollte, sie caresstrten die Slovaken und die Serben und die Numainen, sie caresstrten den Baums und den Wojwvdcn geheim und öffentlich, kurz sie buhlten um die Freundschaft dieser Mäuner, und vergaßen dabei an die mächtigste der Nationen, die nie ungestraft vergessen wer¬ den darf, weil sie sich selber nie vergißt — sie unterließen es, sich die Juden zu befreunden, die allem von dem „großen, freien, einigen Oestreich" nichts zu er¬ warten hatten, weil sie durch deu ungarischen Reichstag schon emancipirt waren. Ja, Fürst Windischgrätz that noch weit schlimmeres, er machte sich die Juden Zu Feinden. Während andere Lieferanten und Helfershelfer Kossuth's einfach und Pulver und Blei abgethan worden waren, wurde den Judengemeinden, denen ein solcher Verräther — -Ula« Patriot — angehörte, das bei der Exekution ver¬ puffte Schicßmaterial noch extra mit 20,000 Fi. C.-M. berechnet. Die Gemeinde tollte hasten für jeden ans ihrer Mitte, daß er kein Leder oder Tuch schmuggle Nach Debreczin; der Vater mußte zum Strick beisteuern, mit dem sein Sohn ge¬ hängt werden sollte, und fand es doch so natürlich, daß sein schaust Leder für Kossuth liefere und dabei seinen Profit hatte i» diesen ledig schlechten Zeiten.-- Die immensen Strafgelder blieben nicht ohne alle Wirkung. Die Ge¬ meinden sahen die Unmöglichkeit ein, ihre einzelnen Mitglieder zu überwachen, darum gingen sie den sicherern Weg und schmuggelten als Korporation, wo das Erwischtwerdeu schwerer ist. Während schaust und Mosche mit ihren christ¬ lichen Nachbaren Lajos und Ferencz in den ersten Reihen der Magyaren tapfer fochten, bildeten die dahcimgebliebenen Graubärte die Mittelglieder jenes unge¬ heuren Telegraphennetzes, welches sich von Wien bis Debreczin und von Arad bis Kommorn ausdehnte. Ihre weitverzweigten Handelsgeschäfte, Korrespondenten 31*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/243
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/243>, abgerufen am 15.01.2025.