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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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mets von der ersten Note an die preußische Regierung an bis zu der Depesche
Sckwarzeubcrgs an Schmerling verfolgt.

In jener Note war des vorgeschlagene Directorium die Nebensache; das
Wesentliche war die factische Mediatisirung der kleinen deutschen Fürsten zu Gun-
sten der Königreiche. Oestreich war großmüthig genug, für sich wie für Preußen
jede Vergrößerung auszuschlagen, was ihm sehr vortheilhaft wurde, denn Oest¬
reich ist arrondirt und kann nicht wachsen; Preußen aber ist in seiner jetzigen
Lage ein problematischer Staat, und muß sich entweder erweitern oder untergehn.
Die Existenz der kleinen Fürsten machte die Einheit Deutschlands möglich; durch
eine Mediatisirung derselben zu Gunsten der mittleren wird sie auf ewig -- oder
bis auf einen allgemeinen Krieg -- hinausgeschoben. Recht artig war der Plan,
Hessen zu Hannover zu schlagen, und so zwischen die östlichen und westlichen
Provinzen Preußens einen Keil zu schieben, der nothwendig zu einer factischen
Trennung führen müßte.

Preußen antwortete durch die Koalition mit den kleinen Staaten -- der
einzig richtige Weg, dessen consequente Verfolgung zum Ziele führen muß, vor¬
ausgesetzt, daß es gelingt, auch Hannover dafür zu gewinnen und so den Boden
einer natürlichen Staatsorganisation zu schaffen. Oestreichs Politik bestand seitdem
darin, in Frankfurt einen Bund der Königreiche unter östreichischen Protectorat
zu gründen, die Wirkung der Nationalversammlung zu Paralysiren -- an den
Cynismus jeuer,Depesche von Schmerling will ich hier nicht erinnern, der Ge¬
genstand ist zu widerwärtig -- und wo möglich, jene Koalition zu sprengen. Der
Sturz des Neichsministcriums und der Plan, ein neues aus bairischen/ würtem-
berger und hannoverschen Notabilitäten zu bilde", waren die ersten Erfolge dieser
Anstrengungen.

Die alte Metternich'sche Politik ist also nicht ausgestorben. Das Cabinet
von Ollmütz vergißt aber, daß es ein sehr gefährliches Spiel eingeht. Gelingt
es Preußen, die alte faule Politik, die sich in der Note vom 10. März auf eine
so ekelhafte Weise geltend gemacht hat, wieder von sich zu werfen, gelingt es,
zunächst das eigene Volk, dann jene befreundeten Staaten durch weise Schonung
ihrer vernünftigen Interessen zu gewinnen, so wird nicht nur der neue deutsche
Bund zu Staude kommen, sondern es werden auch Oestreichs Völker sich erin-
nern, daß sie mit ihrer Negierung nicht identisch sind. Für den äußersten Fall
-- aber auch uur für diesen -- wird Preußen, wenn es sich um seine Existenz
handelt, seine Existenz in die Schranken setzen, und es wird sich dann zeigen,
nach welcher Seite hin der Sturm der Revolution seine Wirkungen ausüben wird,
an einem natürlichen, in seinem Kern noch immer gesunden Staatswesen, oder an
dem Gewebe macchiavellistischer Politik.


mets von der ersten Note an die preußische Regierung an bis zu der Depesche
Sckwarzeubcrgs an Schmerling verfolgt.

In jener Note war des vorgeschlagene Directorium die Nebensache; das
Wesentliche war die factische Mediatisirung der kleinen deutschen Fürsten zu Gun-
sten der Königreiche. Oestreich war großmüthig genug, für sich wie für Preußen
jede Vergrößerung auszuschlagen, was ihm sehr vortheilhaft wurde, denn Oest¬
reich ist arrondirt und kann nicht wachsen; Preußen aber ist in seiner jetzigen
Lage ein problematischer Staat, und muß sich entweder erweitern oder untergehn.
Die Existenz der kleinen Fürsten machte die Einheit Deutschlands möglich; durch
eine Mediatisirung derselben zu Gunsten der mittleren wird sie auf ewig — oder
bis auf einen allgemeinen Krieg — hinausgeschoben. Recht artig war der Plan,
Hessen zu Hannover zu schlagen, und so zwischen die östlichen und westlichen
Provinzen Preußens einen Keil zu schieben, der nothwendig zu einer factischen
Trennung führen müßte.

Preußen antwortete durch die Koalition mit den kleinen Staaten — der
einzig richtige Weg, dessen consequente Verfolgung zum Ziele führen muß, vor¬
ausgesetzt, daß es gelingt, auch Hannover dafür zu gewinnen und so den Boden
einer natürlichen Staatsorganisation zu schaffen. Oestreichs Politik bestand seitdem
darin, in Frankfurt einen Bund der Königreiche unter östreichischen Protectorat
zu gründen, die Wirkung der Nationalversammlung zu Paralysiren — an den
Cynismus jeuer,Depesche von Schmerling will ich hier nicht erinnern, der Ge¬
genstand ist zu widerwärtig — und wo möglich, jene Koalition zu sprengen. Der
Sturz des Neichsministcriums und der Plan, ein neues aus bairischen/ würtem-
berger und hannoverschen Notabilitäten zu bilde», waren die ersten Erfolge dieser
Anstrengungen.

Die alte Metternich'sche Politik ist also nicht ausgestorben. Das Cabinet
von Ollmütz vergißt aber, daß es ein sehr gefährliches Spiel eingeht. Gelingt
es Preußen, die alte faule Politik, die sich in der Note vom 10. März auf eine
so ekelhafte Weise geltend gemacht hat, wieder von sich zu werfen, gelingt es,
zunächst das eigene Volk, dann jene befreundeten Staaten durch weise Schonung
ihrer vernünftigen Interessen zu gewinnen, so wird nicht nur der neue deutsche
Bund zu Staude kommen, sondern es werden auch Oestreichs Völker sich erin-
nern, daß sie mit ihrer Negierung nicht identisch sind. Für den äußersten Fall
— aber auch uur für diesen — wird Preußen, wenn es sich um seine Existenz
handelt, seine Existenz in die Schranken setzen, und es wird sich dann zeigen,
nach welcher Seite hin der Sturm der Revolution seine Wirkungen ausüben wird,
an einem natürlichen, in seinem Kern noch immer gesunden Staatswesen, oder an
dem Gewebe macchiavellistischer Politik.


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[0024] mets von der ersten Note an die preußische Regierung an bis zu der Depesche Sckwarzeubcrgs an Schmerling verfolgt. In jener Note war des vorgeschlagene Directorium die Nebensache; das Wesentliche war die factische Mediatisirung der kleinen deutschen Fürsten zu Gun- sten der Königreiche. Oestreich war großmüthig genug, für sich wie für Preußen jede Vergrößerung auszuschlagen, was ihm sehr vortheilhaft wurde, denn Oest¬ reich ist arrondirt und kann nicht wachsen; Preußen aber ist in seiner jetzigen Lage ein problematischer Staat, und muß sich entweder erweitern oder untergehn. Die Existenz der kleinen Fürsten machte die Einheit Deutschlands möglich; durch eine Mediatisirung derselben zu Gunsten der mittleren wird sie auf ewig — oder bis auf einen allgemeinen Krieg — hinausgeschoben. Recht artig war der Plan, Hessen zu Hannover zu schlagen, und so zwischen die östlichen und westlichen Provinzen Preußens einen Keil zu schieben, der nothwendig zu einer factischen Trennung führen müßte. Preußen antwortete durch die Koalition mit den kleinen Staaten — der einzig richtige Weg, dessen consequente Verfolgung zum Ziele führen muß, vor¬ ausgesetzt, daß es gelingt, auch Hannover dafür zu gewinnen und so den Boden einer natürlichen Staatsorganisation zu schaffen. Oestreichs Politik bestand seitdem darin, in Frankfurt einen Bund der Königreiche unter östreichischen Protectorat zu gründen, die Wirkung der Nationalversammlung zu Paralysiren — an den Cynismus jeuer,Depesche von Schmerling will ich hier nicht erinnern, der Ge¬ genstand ist zu widerwärtig — und wo möglich, jene Koalition zu sprengen. Der Sturz des Neichsministcriums und der Plan, ein neues aus bairischen/ würtem- berger und hannoverschen Notabilitäten zu bilde», waren die ersten Erfolge dieser Anstrengungen. Die alte Metternich'sche Politik ist also nicht ausgestorben. Das Cabinet von Ollmütz vergißt aber, daß es ein sehr gefährliches Spiel eingeht. Gelingt es Preußen, die alte faule Politik, die sich in der Note vom 10. März auf eine so ekelhafte Weise geltend gemacht hat, wieder von sich zu werfen, gelingt es, zunächst das eigene Volk, dann jene befreundeten Staaten durch weise Schonung ihrer vernünftigen Interessen zu gewinnen, so wird nicht nur der neue deutsche Bund zu Staude kommen, sondern es werden auch Oestreichs Völker sich erin- nern, daß sie mit ihrer Negierung nicht identisch sind. Für den äußersten Fall — aber auch uur für diesen — wird Preußen, wenn es sich um seine Existenz handelt, seine Existenz in die Schranken setzen, und es wird sich dann zeigen, nach welcher Seite hin der Sturm der Revolution seine Wirkungen ausüben wird, an einem natürlichen, in seinem Kern noch immer gesunden Staatswesen, oder an dem Gewebe macchiavellistischer Politik.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/24>, abgerufen am 15.01.2025.