Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.Deutschland, als der geographische Mittelpunkt Europa's auch zum ökonomisch Schlosser hat im Laufe des Sommers einmal geäußert: "Gervinus geht Die obige Episode wird in der folgenden Entwickelung dem Leser zu Gute Deutschland, als der geographische Mittelpunkt Europa's auch zum ökonomisch Schlosser hat im Laufe des Sommers einmal geäußert: „Gervinus geht Die obige Episode wird in der folgenden Entwickelung dem Leser zu Gute <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0231" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278741"/> <p xml:id="ID_723" prev="#ID_722"> Deutschland, als der geographische Mittelpunkt Europa's auch zum ökonomisch<lb/> Politischen Schwerpunkt dieses Erdtheils emporzuheben; und er muß auf dein Wege<lb/> dahin, wenn er seine Hebel überschaut, eben so nothgedrungen zu einem Zollkriege<lb/> des Continents gegen England kommen, wie im Anfange unseres Jahrhunderts<lb/> der Herzog von Gaeta. Der offne ausgesprochene Plan, das Parlament an die<lb/> Nordküste zu verlegen, um so den politischen und ökonomischen Angelpunkt auch<lb/> Physisch in einander fallen zu lassen, die Nation ans solche Weise durch ihren steten<lb/> Blick ans die See auch in ihrem Bewußtsein ans die Höhe zu erheben, wo man<lb/> über deu Dorfkirchthurm hinaus von seinem Vaterlande aus aus den gestimmten<lb/> Globus schaut, und von allen Theilen desselben die Linien auf sich zurückzieht,<lb/> läßt sein politisches Glaubcnsvclenntniß nicht verkennen. Nur hat er sich in der<lb/> Verfolgung desselben überstürzt; er bedachte nicht, daß man die immobil!« »mssn,<lb/> nur langsam nachzuziehen vermag; was in ihm klar und bestimmt ausgedacht lag,<lb/> sollte auch sogleich von der Nation begriffen sein; in der Ausführung seiner Ge¬<lb/> danken war er für einen Staatsmann viel zu hastig zu — nervös, weil er trotz¬<lb/> dem die Revolution nicht zum vollkommenen Ausbruch gedeihen lassen wollte. Und<lb/> in diesem Sinne gehört er zu den Girondisten unserer Zeit! Er stumpfte zu früh<lb/> seine Waffe ab, an der unempfindlichen Menge, welche, wenn er sie erst durch<lb/> Zug der Zustände hätte für seine Idee empfänglich und reif werden lassen,<lb/> das Nettende in derselben weit mehr gefühlt haben würde, und, wie gesagt, er<lb/> traute dabei zu viel dem gesunden, ehrlichen Sinn der -- Fürsten!</p><lb/> <p xml:id="ID_724"> Schlosser hat im Laufe des Sommers einmal geäußert: „Gervinus geht<lb/> jetzt viel zu viel mit deu Diplomaten um und wird in seiner Ehrlichkeit gewiß<lb/> von ihnen betrogen. Denn um den Leuten die Stauge zu halten, muß man ge¬<lb/> rade so niederträchtig sein, wie sie." Und so war es auch. Seinen Plänen zu<lb/> ^lebe vergaß er, daß das dieselben Preußen waren, denen er noch vor dem März<lb/> "is ein rother Republikaner erschienen; dieselben, die sein Blatt noch im Februar<lb/> hatten von Bnndestagswegen unterdrücken wollen. „Die „Deutsche Zeitung" war<lb/> °inige Male nahe daran, im besten Glauben, die Rolle der Oberpostamtszeitung<lb/> i>> spielen, wenn freilich Herr von Blittersdorf anch vergebens um Einlaß bei ihr<lb/> Zettelte, um seine Bundestagspolitik rein zu waschen.</p><lb/> <p xml:id="ID_725" next="#ID_726"> Die obige Episode wird in der folgenden Entwickelung dem Leser zu Gute<lb/> ^innen. Wir haben sie nicht etwa deswegen eingeschaltet, um den albernen Ver¬<lb/> acht zu entkräften, der während deö Sommers hie und da in der Presse auf,<lb/> suchte, als sei die „Deutsche Zeitung" von Preußen aus bestochen worden; son-<lb/> °tru einmal um Gervinus gegen den ihm oft gemachten Vorwurf des Doctrinä-<lb/> Nsmus zu vertheidigen, und andererseits seiue gesammte Anschauungsweise sestzu-<lb/> ^lien, in welcher er kürzlich an die Heidelberger Universität kritisch hineingetreten<lb/> ^- Von diesem nationalen Boden aus beurtheilter, wie es uns wenigstens scheint,<lb/> Menschen und Zustände. Wir Deutschen sind jedoch gar zu sehr Familienhocker,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0231]
Deutschland, als der geographische Mittelpunkt Europa's auch zum ökonomisch
Politischen Schwerpunkt dieses Erdtheils emporzuheben; und er muß auf dein Wege
dahin, wenn er seine Hebel überschaut, eben so nothgedrungen zu einem Zollkriege
des Continents gegen England kommen, wie im Anfange unseres Jahrhunderts
der Herzog von Gaeta. Der offne ausgesprochene Plan, das Parlament an die
Nordküste zu verlegen, um so den politischen und ökonomischen Angelpunkt auch
Physisch in einander fallen zu lassen, die Nation ans solche Weise durch ihren steten
Blick ans die See auch in ihrem Bewußtsein ans die Höhe zu erheben, wo man
über deu Dorfkirchthurm hinaus von seinem Vaterlande aus aus den gestimmten
Globus schaut, und von allen Theilen desselben die Linien auf sich zurückzieht,
läßt sein politisches Glaubcnsvclenntniß nicht verkennen. Nur hat er sich in der
Verfolgung desselben überstürzt; er bedachte nicht, daß man die immobil!« »mssn,
nur langsam nachzuziehen vermag; was in ihm klar und bestimmt ausgedacht lag,
sollte auch sogleich von der Nation begriffen sein; in der Ausführung seiner Ge¬
danken war er für einen Staatsmann viel zu hastig zu — nervös, weil er trotz¬
dem die Revolution nicht zum vollkommenen Ausbruch gedeihen lassen wollte. Und
in diesem Sinne gehört er zu den Girondisten unserer Zeit! Er stumpfte zu früh
seine Waffe ab, an der unempfindlichen Menge, welche, wenn er sie erst durch
Zug der Zustände hätte für seine Idee empfänglich und reif werden lassen,
das Nettende in derselben weit mehr gefühlt haben würde, und, wie gesagt, er
traute dabei zu viel dem gesunden, ehrlichen Sinn der -- Fürsten!
Schlosser hat im Laufe des Sommers einmal geäußert: „Gervinus geht
jetzt viel zu viel mit deu Diplomaten um und wird in seiner Ehrlichkeit gewiß
von ihnen betrogen. Denn um den Leuten die Stauge zu halten, muß man ge¬
rade so niederträchtig sein, wie sie." Und so war es auch. Seinen Plänen zu
^lebe vergaß er, daß das dieselben Preußen waren, denen er noch vor dem März
"is ein rother Republikaner erschienen; dieselben, die sein Blatt noch im Februar
hatten von Bnndestagswegen unterdrücken wollen. „Die „Deutsche Zeitung" war
°inige Male nahe daran, im besten Glauben, die Rolle der Oberpostamtszeitung
i>> spielen, wenn freilich Herr von Blittersdorf anch vergebens um Einlaß bei ihr
Zettelte, um seine Bundestagspolitik rein zu waschen.
Die obige Episode wird in der folgenden Entwickelung dem Leser zu Gute
^innen. Wir haben sie nicht etwa deswegen eingeschaltet, um den albernen Ver¬
acht zu entkräften, der während deö Sommers hie und da in der Presse auf,
suchte, als sei die „Deutsche Zeitung" von Preußen aus bestochen worden; son-
°tru einmal um Gervinus gegen den ihm oft gemachten Vorwurf des Doctrinä-
Nsmus zu vertheidigen, und andererseits seiue gesammte Anschauungsweise sestzu-
^lien, in welcher er kürzlich an die Heidelberger Universität kritisch hineingetreten
^- Von diesem nationalen Boden aus beurtheilter, wie es uns wenigstens scheint,
Menschen und Zustände. Wir Deutschen sind jedoch gar zu sehr Familienhocker,
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