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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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schiedener geändert. Unbedingte objective Wahrheit darf man von einer flüchtig
hingeworfenen Skizze, dem Resultat einzelner Beobachtungen, nicht erwarten; aber
dieser Mangel wird in unserem Fall ersetzt durch eine scharfe, ins Innere gehende
Anschauungsgabe und durch eine geistvoll plastische Darstellung. Die Galerie zer¬
fällt in 3 Abtheilungen; die erste enthält u. a. Fischhof, Goldmark, Fühler, Pil-
lerödorf, Bach, Schwarzer, Löhner; die zweite Strohbach, Borrosch, Lubomierski
Violand, Krauß, Rieger, Hornbostl, Station; die dritte Smolka, Kudlich,
Schuselka, Umlaufe, Palacky, Wcsscnberg, Lasser, Trojan.

Wir theilen auszugsweise die Portraits von Fischhof und Stadion mit, die
wir schon von anderer Feder gebracht haben.

Fisch ho f. Starker runder .Kopf, -- kurz geschornes Haar, dichter brauner
Bart. Er hat auf den ersten Anblick irgend etwas Römisches in seiner Physiog¬
nomie, -- der Typus seines Stammes ist jedoch bei genauer Betrachtung unver¬
kennbar. Weniger robuster als voller Körper, mit ziemlichem Aplomb. Man
würde ihn seinem Aeußern uach viel eher für einen behaglichen Rentier als für
einen unbedeutenden Arzt halten, welcher bisher von einem kümmerlichen Taggclbe
als Assistent des Krankenhauses gelebt hat.

Fisch Hof ist poetischer Phlegmatiker. Gewiß keine gewöhnliche Natur. Er
hat keine eigentliche Bildung, -- jedoch ziemlich viel Belesenheit, aber auch wie¬
der nicht in den eigentlichen politischen Fachwissenschaften, sondern mehr in der
reflektirenden kritischen Allgemeinheit der Politik, geschöpft aus Börne,
Heine, der politischen Broschürenliteratur und der politischen Poesie. Diesen Cha¬
rakter trägt auch seine Beredsamkeit.

Er hat eine blühende bilderreiche Sprache, welche augenblickliche Wir¬
kung selten verfehlt, welche jedoch durchaus nicht überzeugt, und nachhaltig ist.
Er ist mehr dazu geeignet, Ideen anzuregen, als dieselben logisch durchzuführen.
Er faßt womöglich die Fragen von der Gefühls seite auf. Er besitzt durchaus
nicht die Gabe, den vorgebrachten Gründen zu folgen, sie zu widerlegen. Ich
möchte Fischhof als Redner mit einem Arabeskenzeichner vergleichen: Lauter
hübsche, nette Kleinigkeiten, die ein solides Gebäude wohl zieren könnten, die je¬
doch ein und für sich werthlos und als Nürnbergerei mehr Spielzeug für Kin¬
der sindund den Geist wohl erheitern, aber nimmer befriedigen, und vor dem
Forum der Kritik Stand halten können.

Ich glaube nicht, daß Fischhof je Leiter einer Partei werden wird. Dazu
besitzt er weder die nöthige Vertrauen erregende Durchbildung und Rüh¬
rigkeit, noch die nöthige Energie -- noch endlich wie mir scheint, jene Gattung
höheren Ehrgeizes, welche eine unumgängliche Eigenschaft eines Parteihauptes
sein muß. Fischhof scheint ein durchaus ehrlicher Charakter, -- ein Mensch, der
sich gehen läßt, (wiewohl er selbst das Gegentheil zu glauben scheint). Er liebt


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schiedener geändert. Unbedingte objective Wahrheit darf man von einer flüchtig
hingeworfenen Skizze, dem Resultat einzelner Beobachtungen, nicht erwarten; aber
dieser Mangel wird in unserem Fall ersetzt durch eine scharfe, ins Innere gehende
Anschauungsgabe und durch eine geistvoll plastische Darstellung. Die Galerie zer¬
fällt in 3 Abtheilungen; die erste enthält u. a. Fischhof, Goldmark, Fühler, Pil-
lerödorf, Bach, Schwarzer, Löhner; die zweite Strohbach, Borrosch, Lubomierski
Violand, Krauß, Rieger, Hornbostl, Station; die dritte Smolka, Kudlich,
Schuselka, Umlaufe, Palacky, Wcsscnberg, Lasser, Trojan.

Wir theilen auszugsweise die Portraits von Fischhof und Stadion mit, die
wir schon von anderer Feder gebracht haben.

Fisch ho f. Starker runder .Kopf, — kurz geschornes Haar, dichter brauner
Bart. Er hat auf den ersten Anblick irgend etwas Römisches in seiner Physiog¬
nomie, — der Typus seines Stammes ist jedoch bei genauer Betrachtung unver¬
kennbar. Weniger robuster als voller Körper, mit ziemlichem Aplomb. Man
würde ihn seinem Aeußern uach viel eher für einen behaglichen Rentier als für
einen unbedeutenden Arzt halten, welcher bisher von einem kümmerlichen Taggclbe
als Assistent des Krankenhauses gelebt hat.

Fisch Hof ist poetischer Phlegmatiker. Gewiß keine gewöhnliche Natur. Er
hat keine eigentliche Bildung, — jedoch ziemlich viel Belesenheit, aber auch wie¬
der nicht in den eigentlichen politischen Fachwissenschaften, sondern mehr in der
reflektirenden kritischen Allgemeinheit der Politik, geschöpft aus Börne,
Heine, der politischen Broschürenliteratur und der politischen Poesie. Diesen Cha¬
rakter trägt auch seine Beredsamkeit.

Er hat eine blühende bilderreiche Sprache, welche augenblickliche Wir¬
kung selten verfehlt, welche jedoch durchaus nicht überzeugt, und nachhaltig ist.
Er ist mehr dazu geeignet, Ideen anzuregen, als dieselben logisch durchzuführen.
Er faßt womöglich die Fragen von der Gefühls seite auf. Er besitzt durchaus
nicht die Gabe, den vorgebrachten Gründen zu folgen, sie zu widerlegen. Ich
möchte Fischhof als Redner mit einem Arabeskenzeichner vergleichen: Lauter
hübsche, nette Kleinigkeiten, die ein solides Gebäude wohl zieren könnten, die je¬
doch ein und für sich werthlos und als Nürnbergerei mehr Spielzeug für Kin¬
der sindund den Geist wohl erheitern, aber nimmer befriedigen, und vor dem
Forum der Kritik Stand halten können.

Ich glaube nicht, daß Fischhof je Leiter einer Partei werden wird. Dazu
besitzt er weder die nöthige Vertrauen erregende Durchbildung und Rüh¬
rigkeit, noch die nöthige Energie — noch endlich wie mir scheint, jene Gattung
höheren Ehrgeizes, welche eine unumgängliche Eigenschaft eines Parteihauptes
sein muß. Fischhof scheint ein durchaus ehrlicher Charakter, — ein Mensch, der
sich gehen läßt, (wiewohl er selbst das Gegentheil zu glauben scheint). Er liebt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/225>, abgerufen am 15.01.2025.