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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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Leute glauben, jetzt blühe ihr Weizen; nun sie werden schlechte Rechnung bei uns
finden!" und ein kaltes Lächeln umschwebte dabei seine Züge, welches Lächeln
von seinem fürstlichen Nachbar sehr graziös erwidert wurde.

Ich habe diese Scene hervorgehoben, weil mir dadurch Gelegenheit wurde,
den Grafen selbstredend auftreten zu lassen. Was er hier sagte, war ihm voll-
kommner Ernst, so drollig solche Worte in seinem Munde anch klingen mögen.
Er bewegt sich in einem geschlossenen Kreise von Vorstellungen und Ideen, die
ihm freisinnig und zeitgemäß scheinen; was darüber hinausgeht oder nicht hinein¬
paßt, gilt ihm als reactionär oder als nltraradical. In diesem Sinne war anch
sein Rundschreiben an die östreichischen Beamten abgefaßt, worin er alle diejeni¬
gen, die nicht ganz seine freisinnige Anschauung theilten, aufforderte deu Dienst
zu verlassen. Eben so ließ er einmal in Wien alle unter ihm stehenden Beamten
zusammenkommen und hielt ihnen eine eindringliche Rede, deS Inhalts, daß er
weder Reactionäre noch Radicale im Dienste dulden wolle, daß also alle diejenigen,
welche der einen oder der andern Seite sich zuneigten, augenblicklich ihre Stellen
niederlegen sollten. Es versteht sich von selbst, daß alle Beamten die rechte Mitte
hielten und Keiner den Dienst verließ.

Graf Stadion hat einen gewissen Begriff von der Nothwendigkeit einer freien
Presse, aber er hat im vorigen Sommer so viele Angriffe auf sich gelesen, daß
er doch eine gewisse Beschränkung der Presse für nöthig erachtet. Er berieth sich
mit seinen Freunden Bach, Heisere, Oettl, Piepitz, Neumann und Leuten ähn¬
lichen Gelichters, die sämmtlich in der Preßfreiheit nichts als ein Mittel sehen,
sie an den Pranger der Öffentlichkeit zu stellen.

"Wir müssen die radicalen Journale ganz unterdrücken," sagt Bach, "und
die gesinnungstüchtige Presse unterstützen." Piepitz und Neumann stimmen dem
bei. "Wir müssen Cautionen einführen," sagt Oettl, "und zwar nach einem
Maßstabe, daß nnr der "Lloyd" und ähnliche gutgesinnte Journale dabei bestehen
können; dann haben wir gewonnenes Spiel." Heisere ist ganz derselben Ansicht.
So wird eine Woche laug hcrumbcrathen und es werden Prcßgesetzeutwürfe an-
gefertigt, so viele wie Tage in der Woche sind, und am Ende kommt Stadion
zu der Ansicht, daß der von ihm selbst vorgeschlagene Modus der Preßbeschrän¬
kung noch von allen der freisinnigste ist. Nur mit Mühe gelingt es seinen Freun¬
den, ihn von seinem eigenen Entwürfe abzubringen; Zoll für Zoll gibt er nach,
bis endlich durch die vielrn Zusätze, Veränderungen.'c. eine Mißgeburt zum Vor¬
schein kommt, die ihren Erzeugern wenig Ehre macht. So geht es in Einem,
und so geht es in Allein.

Ich hörte Stadion einmal sagen: "Die Leute nennen mich reactionär, wäh¬
rend ich doch entschieden freisinniger bin als Bach, Heisere, Oettl und Piepitz;
aber diese Männer haben Recht: für Oestreich ist einmal ein gewisses Maaß von
Despotismus nothwendig!"


Leute glauben, jetzt blühe ihr Weizen; nun sie werden schlechte Rechnung bei uns
finden!" und ein kaltes Lächeln umschwebte dabei seine Züge, welches Lächeln
von seinem fürstlichen Nachbar sehr graziös erwidert wurde.

Ich habe diese Scene hervorgehoben, weil mir dadurch Gelegenheit wurde,
den Grafen selbstredend auftreten zu lassen. Was er hier sagte, war ihm voll-
kommner Ernst, so drollig solche Worte in seinem Munde anch klingen mögen.
Er bewegt sich in einem geschlossenen Kreise von Vorstellungen und Ideen, die
ihm freisinnig und zeitgemäß scheinen; was darüber hinausgeht oder nicht hinein¬
paßt, gilt ihm als reactionär oder als nltraradical. In diesem Sinne war anch
sein Rundschreiben an die östreichischen Beamten abgefaßt, worin er alle diejeni¬
gen, die nicht ganz seine freisinnige Anschauung theilten, aufforderte deu Dienst
zu verlassen. Eben so ließ er einmal in Wien alle unter ihm stehenden Beamten
zusammenkommen und hielt ihnen eine eindringliche Rede, deS Inhalts, daß er
weder Reactionäre noch Radicale im Dienste dulden wolle, daß also alle diejenigen,
welche der einen oder der andern Seite sich zuneigten, augenblicklich ihre Stellen
niederlegen sollten. Es versteht sich von selbst, daß alle Beamten die rechte Mitte
hielten und Keiner den Dienst verließ.

Graf Stadion hat einen gewissen Begriff von der Nothwendigkeit einer freien
Presse, aber er hat im vorigen Sommer so viele Angriffe auf sich gelesen, daß
er doch eine gewisse Beschränkung der Presse für nöthig erachtet. Er berieth sich
mit seinen Freunden Bach, Heisere, Oettl, Piepitz, Neumann und Leuten ähn¬
lichen Gelichters, die sämmtlich in der Preßfreiheit nichts als ein Mittel sehen,
sie an den Pranger der Öffentlichkeit zu stellen.

„Wir müssen die radicalen Journale ganz unterdrücken," sagt Bach, „und
die gesinnungstüchtige Presse unterstützen." Piepitz und Neumann stimmen dem
bei. „Wir müssen Cautionen einführen," sagt Oettl, „und zwar nach einem
Maßstabe, daß nnr der „Lloyd" und ähnliche gutgesinnte Journale dabei bestehen
können; dann haben wir gewonnenes Spiel." Heisere ist ganz derselben Ansicht.
So wird eine Woche laug hcrumbcrathen und es werden Prcßgesetzeutwürfe an-
gefertigt, so viele wie Tage in der Woche sind, und am Ende kommt Stadion
zu der Ansicht, daß der von ihm selbst vorgeschlagene Modus der Preßbeschrän¬
kung noch von allen der freisinnigste ist. Nur mit Mühe gelingt es seinen Freun¬
den, ihn von seinem eigenen Entwürfe abzubringen; Zoll für Zoll gibt er nach,
bis endlich durch die vielrn Zusätze, Veränderungen.'c. eine Mißgeburt zum Vor¬
schein kommt, die ihren Erzeugern wenig Ehre macht. So geht es in Einem,
und so geht es in Allein.

Ich hörte Stadion einmal sagen: „Die Leute nennen mich reactionär, wäh¬
rend ich doch entschieden freisinniger bin als Bach, Heisere, Oettl und Piepitz;
aber diese Männer haben Recht: für Oestreich ist einmal ein gewisses Maaß von
Despotismus nothwendig!"


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/222>, abgerufen am 15.01.2025.