Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.mets. Die Stande verstrich ruhig, wie im tiefsten Frieden, und erst am folgenden Hätte man damals den Umständen Rechnung getragen und Milde geübt, statt Tau¬ Statt dessen folgte eine kaltberechuetc Menschenschlächterei, die kaum in der Bekanntlich wurde die Reitschule, wo das Wiener Rumpfparlament bis zur.. mets. Die Stande verstrich ruhig, wie im tiefsten Frieden, und erst am folgenden Hätte man damals den Umständen Rechnung getragen und Milde geübt, statt Tau¬ Statt dessen folgte eine kaltberechuetc Menschenschlächterei, die kaum in der Bekanntlich wurde die Reitschule, wo das Wiener Rumpfparlament bis zur.. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0220" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278730"/> <p xml:id="ID_681" prev="#ID_680"> mets. Die Stande verstrich ruhig, wie im tiefsten Frieden, und erst am folgenden<lb/> Tage wurde durch das Gerücht vom Anrücken der Magyaren wieder einige Auf¬<lb/> regung erzeugt. Doch, so groß das Geräusch in deu Straßen war, so klein<lb/> war verhältnißmäßig die Anzahl derer, die es machten. Ich übergehe die bluti¬<lb/> gen Scenen des 31. October, wo die Soldaten und Proletarier deu Kampf der<lb/> Verzweiflung fochten, bis nach einem furchtbaren Bombardement das Militär bei<lb/> einbrechender Dunkelheit in die Stadt einrückte. Der Kampf war verstummt. Man<lb/> schöpfte Athem nach der laugen, gewaltigen Aufregung. Auf allen Plätzen und<lb/> Straßen standen Gruppen an Gruppen, drängten sich Menschen an Menschen; die<lb/> Soldaten wurden mit Vivats begrüßt, kurz, es war ein so reges Leben wie in<lb/> einer kleinen Stadt, wo zum Erstenmal Militär einrückt. Alle Häuser des<lb/> Stephanplatzes waren Fenster an Fenster bis zu den Dächern hinauf erleuchtet.<lb/> In feierlicher Ruhe ragte dazwischen empor der alte Stephansthurm, geisterhaft<lb/> glänzend vom Widerschein der fern aus der Augustinerkirche auflodernden Flammen;<lb/> wie eine Hand des Friedens streckte er eine weiße Fahne ans, und aus allen Häu¬<lb/> sern tiefunten wehte dasselbe Zeichen des Friedens.</p><lb/> <p xml:id="ID_682"> Hätte man damals den Umständen Rechnung getragen und Milde geübt, statt Tau¬<lb/> sende büßen zu lassen für die Schuld Einzelner, so wäre Wien in Kurzem wie¬<lb/> der die friedlichste Stadt der Welt geworden, und der Thron der Habsburger<lb/> stände heute fester als je.</p><lb/> <p xml:id="ID_683"> Statt dessen folgte eine kaltberechuetc Menschenschlächterei, die kaum in der<lb/> russischen Geschichte ihres Gleichen findet — und an diesem Treiben ist Graf<lb/> Stadion wesentlich Schuld. Wußte er auch die Verantwortlichkeit dafür von sich<lb/> zu schütteln, gegenüber dem machtlosen Reichstage von Kremsier, die Geschichte<lb/> macht ihn mitverantwortlich für das Blutgericht in Wie». Ich sah ihn am Tage<lb/> nach der Ermordung Blums bei einem Bekannten. Er war in der heitersten<lb/> Gemüthsstimmung und hatte keine Ahnung von der politischen Wichtigkeit, den<lb/> weitausgreifenden Folgen jenes Schrittes. Er machte mir ganz deu Eindruck, ans<lb/> ob er dächte: was hab' ich Zeit, mich um dergleichen zu bekümmern! Das muß<lb/> Windischgrätz besser verstehen! — Graf Stadion dachte damals an ganz andere<lb/> Dinge. Er träumte schon von der Herstellung des mitteleuropäischen Reichs, wo¬<lb/> zu eine im „Lloyd" erschienene Beurtheilung der bekannten Fröbel'scheu Brochüre<lb/> ihm den ersten Gedanken gegeben. Er hatte ferner schon mit seinem Vertrauten<lb/> Oettl die Vorarbeiten zu einem neuen östreichischen Gemeindegesetz begonnen,<lb/> dessen erster Entwurf später so allgemeinen und gerechten Tadel in der Presse<lb/> fand. Auch ein ganz eigenthümlicher Centralisationsplan für Oestreich war bereits<lb/> in Angriff genommen. Alles dies hat ihm manche schlaflose Nacht gekostet, denn,<lb/> wie schon oben bemerkt, Graf Stadion ist ein ehrlicher und fleißiger Arbeiter;<lb/> aber leider hat er mehr Sitzfleisch als Geist und Blick . . .</p><lb/> <p xml:id="ID_684" next="#ID_685"> Bekanntlich wurde die Reitschule, wo das Wiener Rumpfparlament bis zur..</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0220]
mets. Die Stande verstrich ruhig, wie im tiefsten Frieden, und erst am folgenden
Tage wurde durch das Gerücht vom Anrücken der Magyaren wieder einige Auf¬
regung erzeugt. Doch, so groß das Geräusch in deu Straßen war, so klein
war verhältnißmäßig die Anzahl derer, die es machten. Ich übergehe die bluti¬
gen Scenen des 31. October, wo die Soldaten und Proletarier deu Kampf der
Verzweiflung fochten, bis nach einem furchtbaren Bombardement das Militär bei
einbrechender Dunkelheit in die Stadt einrückte. Der Kampf war verstummt. Man
schöpfte Athem nach der laugen, gewaltigen Aufregung. Auf allen Plätzen und
Straßen standen Gruppen an Gruppen, drängten sich Menschen an Menschen; die
Soldaten wurden mit Vivats begrüßt, kurz, es war ein so reges Leben wie in
einer kleinen Stadt, wo zum Erstenmal Militär einrückt. Alle Häuser des
Stephanplatzes waren Fenster an Fenster bis zu den Dächern hinauf erleuchtet.
In feierlicher Ruhe ragte dazwischen empor der alte Stephansthurm, geisterhaft
glänzend vom Widerschein der fern aus der Augustinerkirche auflodernden Flammen;
wie eine Hand des Friedens streckte er eine weiße Fahne ans, und aus allen Häu¬
sern tiefunten wehte dasselbe Zeichen des Friedens.
Hätte man damals den Umständen Rechnung getragen und Milde geübt, statt Tau¬
sende büßen zu lassen für die Schuld Einzelner, so wäre Wien in Kurzem wie¬
der die friedlichste Stadt der Welt geworden, und der Thron der Habsburger
stände heute fester als je.
Statt dessen folgte eine kaltberechuetc Menschenschlächterei, die kaum in der
russischen Geschichte ihres Gleichen findet — und an diesem Treiben ist Graf
Stadion wesentlich Schuld. Wußte er auch die Verantwortlichkeit dafür von sich
zu schütteln, gegenüber dem machtlosen Reichstage von Kremsier, die Geschichte
macht ihn mitverantwortlich für das Blutgericht in Wie». Ich sah ihn am Tage
nach der Ermordung Blums bei einem Bekannten. Er war in der heitersten
Gemüthsstimmung und hatte keine Ahnung von der politischen Wichtigkeit, den
weitausgreifenden Folgen jenes Schrittes. Er machte mir ganz deu Eindruck, ans
ob er dächte: was hab' ich Zeit, mich um dergleichen zu bekümmern! Das muß
Windischgrätz besser verstehen! — Graf Stadion dachte damals an ganz andere
Dinge. Er träumte schon von der Herstellung des mitteleuropäischen Reichs, wo¬
zu eine im „Lloyd" erschienene Beurtheilung der bekannten Fröbel'scheu Brochüre
ihm den ersten Gedanken gegeben. Er hatte ferner schon mit seinem Vertrauten
Oettl die Vorarbeiten zu einem neuen östreichischen Gemeindegesetz begonnen,
dessen erster Entwurf später so allgemeinen und gerechten Tadel in der Presse
fand. Auch ein ganz eigenthümlicher Centralisationsplan für Oestreich war bereits
in Angriff genommen. Alles dies hat ihm manche schlaflose Nacht gekostet, denn,
wie schon oben bemerkt, Graf Stadion ist ein ehrlicher und fleißiger Arbeiter;
aber leider hat er mehr Sitzfleisch als Geist und Blick . . .
Bekanntlich wurde die Reitschule, wo das Wiener Rumpfparlament bis zur..
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