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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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kaum zu sagen, wo ein Ministerium Vincke die nothwendige parlamentarische Ma¬
jorität hernehmen sollte. Und doch, wenn man die Nothwendigkeit einsieht, an
die Spitze der preußischen Verwaltung einen Mann von eisernem Willen, uner¬
schütterlicher Energie und großartiger Haltung zu stellen, so ist Vincke nicht zu
vermeiden. Den Ehrgeiz dazu hat er. Wenn er bisher das Ministerium -- das
eigentlich in der Kammer keine Partei hat -- unterstützte, so geschah es lediglich,
um die Verfassung zu consolidiren. In der deutscheu Frage hat er ihm den Fehde¬
handschuh bereits hingeworfen.

Ich bemerke beiläufig, daß trotz des Übeln Rufes, in den ihn seine Stellung
in Frankfurt bei unsern radicalen Berlinern gebracht hat, Vincke's Name noch
immer ein sehr populärer ist. Ich ging den Morgen nach der gewaltigen Rede, in der
er mit der ganzen Macht seines Zorns auf Arnim einstürzte, in einen Cigarrenladen;
der Kaufmann stürzte mir, die Zeitung in der Hand und die elegante Morgenmütze
so tief als möglich aufgedrückt, in ungestümer Begeisterung entgegen: Unser Fink
hat wieder geschlagen! nun ist Alles wieder gut! er hat den schändlichen Men¬
schen, durch welchen Preußens Ehre verscherzt ist, schön die Wahrheit gesagt!"
u. s. w. Preußens Ehre ist ein Köder, der auch unter unsern Demokraten so
manchen locken möchte.

Vincke hat in Frankfurt gegen die kühnen Griffe Gagerns unausgesetzt Pro¬
test eingelegt; das Verhältniß beider Männer zu einander ist wenigstens nicht ein
freundschaftliches gewesen. In der letzten Zeit ist Vincke aber vollständig auf diese
Ideen eingegangen und ist gegenwärtig in Preußen als Haupt der kaiserlichen
Partei anzusehen. In der rechten Seite der zweiten Kammer dürfte in dieser
Frage nur der kleinere Theil mit ihm Hand in Hand gehen; von den Whigs ist
wohl nur Alfred von Auerswald entschieden auf seiner Seite. Mit Schwerin ist
es zweifelhaft; er scheint sich mehr der äußersten Rechten zuzuneigen, die sich ge¬
gen den revolutionären Ursprung der neuen Würde entschieden verwahrt und die
alte traditionelle Politik, das alte Verhältniß zu Oestreich geehrt wissen will.
Arnim-Boitzenburg steht an ihrer Spitze, Griesheim gehört natürlich auch
dazu; die Pietisten sticht und Elwanger; Bismark-Schönhausen und
die ihm zunächst stehenden Kleist-Netzow u. s. w., die in Beziehung auf die
Verfassungsrevision, die Aushebung des allgemeinen Wahlrechts, viel bestimmter
rechts sind, haben sich in dieser Frage gemäßigter ausgesprochen. In der ersten
Kammer hat die kaiserliche Partei -- Graf Duhrn und Major Vincke habe ich
schon geschildert -- entschieden das Uebergewicht, so stark auch die äußerste Rechte
daselbst vertreten ist; der bei weitem größere Theil der sogenannten Radica¬
len würde sich ihr anschließen. Auf der linken Seite opponire H an fein an n,
der seine alte Triasidee noch nicht aufgegeben hat, aus allen Kräften dagegen;


kaum zu sagen, wo ein Ministerium Vincke die nothwendige parlamentarische Ma¬
jorität hernehmen sollte. Und doch, wenn man die Nothwendigkeit einsieht, an
die Spitze der preußischen Verwaltung einen Mann von eisernem Willen, uner¬
schütterlicher Energie und großartiger Haltung zu stellen, so ist Vincke nicht zu
vermeiden. Den Ehrgeiz dazu hat er. Wenn er bisher das Ministerium — das
eigentlich in der Kammer keine Partei hat — unterstützte, so geschah es lediglich,
um die Verfassung zu consolidiren. In der deutscheu Frage hat er ihm den Fehde¬
handschuh bereits hingeworfen.

Ich bemerke beiläufig, daß trotz des Übeln Rufes, in den ihn seine Stellung
in Frankfurt bei unsern radicalen Berlinern gebracht hat, Vincke's Name noch
immer ein sehr populärer ist. Ich ging den Morgen nach der gewaltigen Rede, in der
er mit der ganzen Macht seines Zorns auf Arnim einstürzte, in einen Cigarrenladen;
der Kaufmann stürzte mir, die Zeitung in der Hand und die elegante Morgenmütze
so tief als möglich aufgedrückt, in ungestümer Begeisterung entgegen: Unser Fink
hat wieder geschlagen! nun ist Alles wieder gut! er hat den schändlichen Men¬
schen, durch welchen Preußens Ehre verscherzt ist, schön die Wahrheit gesagt!"
u. s. w. Preußens Ehre ist ein Köder, der auch unter unsern Demokraten so
manchen locken möchte.

Vincke hat in Frankfurt gegen die kühnen Griffe Gagerns unausgesetzt Pro¬
test eingelegt; das Verhältniß beider Männer zu einander ist wenigstens nicht ein
freundschaftliches gewesen. In der letzten Zeit ist Vincke aber vollständig auf diese
Ideen eingegangen und ist gegenwärtig in Preußen als Haupt der kaiserlichen
Partei anzusehen. In der rechten Seite der zweiten Kammer dürfte in dieser
Frage nur der kleinere Theil mit ihm Hand in Hand gehen; von den Whigs ist
wohl nur Alfred von Auerswald entschieden auf seiner Seite. Mit Schwerin ist
es zweifelhaft; er scheint sich mehr der äußersten Rechten zuzuneigen, die sich ge¬
gen den revolutionären Ursprung der neuen Würde entschieden verwahrt und die
alte traditionelle Politik, das alte Verhältniß zu Oestreich geehrt wissen will.
Arnim-Boitzenburg steht an ihrer Spitze, Griesheim gehört natürlich auch
dazu; die Pietisten sticht und Elwanger; Bismark-Schönhausen und
die ihm zunächst stehenden Kleist-Netzow u. s. w., die in Beziehung auf die
Verfassungsrevision, die Aushebung des allgemeinen Wahlrechts, viel bestimmter
rechts sind, haben sich in dieser Frage gemäßigter ausgesprochen. In der ersten
Kammer hat die kaiserliche Partei — Graf Duhrn und Major Vincke habe ich
schon geschildert — entschieden das Uebergewicht, so stark auch die äußerste Rechte
daselbst vertreten ist; der bei weitem größere Theil der sogenannten Radica¬
len würde sich ihr anschließen. Auf der linken Seite opponire H an fein an n,
der seine alte Triasidee noch nicht aufgegeben hat, aus allen Kräften dagegen;


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/22>, abgerufen am 15.01.2025.