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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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war in der Gefangenschaft verholzt, verknorrt. Sein Märtyrerthum für das freie
Wort, sein tadelloser Charakter, sein Genie, seine Beredtsamkeit und vor Allem
sein Patriotismus, der das alte Ungarn vergötterte und dennoch für ein Neuzu¬
schaffendes schwärmte, hatten ihm die Sympathien der Jugend längst gewonnen.
Er wurde in den Reichstag gewählt, und entfaltete hier die Grundsätze seiner
Partei mit so siegreicher Suada, daß der größte Theil der Kammer bald zu
seiner Fahne schwor. Hier hielt er seine meisterhaften Reden für die Gleichbe¬
rechtigung der Nationalitäten, für die Aufhebung der Bauernlasten, für die Eman¬
zipation der Juden und gegen die Privilegien des Adels und der Geistlichkeit.

Den Blumenstaub seiner Gedanken trug der Sturm der Volksbegeisterung
bis in die ärmste Hütte der Pußta, bis in den Versammlungssaal der Magnaten
(Oberhaus). Im freien, geknechteten Ungarvolke - fand es den kcimempfänglichen
Boden und nnter den hohen Würdeträgern der Nation der hochherzigen Geister
genng, die ihn in sich aufnahmen und weiter trugen. So kam es, daß der hohe
Adel des uncivilisirten Adels that, was kein Ade! der Welt bisher gethan hatte*)
-- er begab sich freudig und freiwillig seiner Privilegien und proklamirte in Un¬
garn zum ersten Male die freien Menschenrechte.

In Wien folgte der Hof und Metternich diesem Treiben mit bangem Herz¬
klopfen, denn das Beispiel Ungarns konnte gefährlicher werden, als das Beispiel
Frankreichs, weil Ungarn näher liegt und durch tausend Bande mit den übrigen
Kronländern verschlungen ist. Die Alt-Conservativen aber waren von heiligem
Schauer ergriffen, denn die neue Lichtseite der Freiheit galt ihnen als Schmutz¬
sleck auf dem Krönungsmantel des heiligen Stephan, ans den geweihten Blättern
ihrer Constitution.

Nun kam der März 1848. In der Hofburg zu Wien flogen die Völker aus
und ein, wie Schwalben, die nach Futter streifen, und jedes Volk suchte für
sich eine Krnme Privatfreiheit, neben der großen allgemeinen zu erbeuten. Den
Ungarn war dabei der Zufall günstig. Ihre Vertreter saßen in Preßburg, wenige
Meilen von der Hauptstadt, ein Erzherzog, ihr Palatin, machte den dienstfertigen
Vermittler, die Studenten wogten noch im ersten Freudentaumel mit den errun¬
genen Wissen durch die Straßen der Hauptstadt, und der Hof war nach zwer
Nächten bitterer Todesangst sehr -- conecssivnsmüibe. Diesem Zusammentreffen
günstiger Umstände verdankten es die Magyaren -- wenn jetzt noch vom Verdan¬
ken die Rede sein kann -- daß sie ihr besonderes Müusterinm erhielten, oder





Auch der Adel in Frankreich hatte sich freiwillig seiner Privilegien entschlagen. Aber
man erwäge, daß an jenem denkwürdigen Augusttage da6 Volk noch heiß war von der ^
Stürmung der Bast lie, daß der Vorhang der großen Revolution schon aufgezogen war, top
Drang rheilweise schon von außen rum, was bei den Prcßvurger Beschlüssen durchautt "l-l
her Fall war " .
Anm. d. Verf. , .

war in der Gefangenschaft verholzt, verknorrt. Sein Märtyrerthum für das freie
Wort, sein tadelloser Charakter, sein Genie, seine Beredtsamkeit und vor Allem
sein Patriotismus, der das alte Ungarn vergötterte und dennoch für ein Neuzu¬
schaffendes schwärmte, hatten ihm die Sympathien der Jugend längst gewonnen.
Er wurde in den Reichstag gewählt, und entfaltete hier die Grundsätze seiner
Partei mit so siegreicher Suada, daß der größte Theil der Kammer bald zu
seiner Fahne schwor. Hier hielt er seine meisterhaften Reden für die Gleichbe¬
rechtigung der Nationalitäten, für die Aufhebung der Bauernlasten, für die Eman¬
zipation der Juden und gegen die Privilegien des Adels und der Geistlichkeit.

Den Blumenstaub seiner Gedanken trug der Sturm der Volksbegeisterung
bis in die ärmste Hütte der Pußta, bis in den Versammlungssaal der Magnaten
(Oberhaus). Im freien, geknechteten Ungarvolke - fand es den kcimempfänglichen
Boden und nnter den hohen Würdeträgern der Nation der hochherzigen Geister
genng, die ihn in sich aufnahmen und weiter trugen. So kam es, daß der hohe
Adel des uncivilisirten Adels that, was kein Ade! der Welt bisher gethan hatte*)
— er begab sich freudig und freiwillig seiner Privilegien und proklamirte in Un¬
garn zum ersten Male die freien Menschenrechte.

In Wien folgte der Hof und Metternich diesem Treiben mit bangem Herz¬
klopfen, denn das Beispiel Ungarns konnte gefährlicher werden, als das Beispiel
Frankreichs, weil Ungarn näher liegt und durch tausend Bande mit den übrigen
Kronländern verschlungen ist. Die Alt-Conservativen aber waren von heiligem
Schauer ergriffen, denn die neue Lichtseite der Freiheit galt ihnen als Schmutz¬
sleck auf dem Krönungsmantel des heiligen Stephan, ans den geweihten Blättern
ihrer Constitution.

Nun kam der März 1848. In der Hofburg zu Wien flogen die Völker aus
und ein, wie Schwalben, die nach Futter streifen, und jedes Volk suchte für
sich eine Krnme Privatfreiheit, neben der großen allgemeinen zu erbeuten. Den
Ungarn war dabei der Zufall günstig. Ihre Vertreter saßen in Preßburg, wenige
Meilen von der Hauptstadt, ein Erzherzog, ihr Palatin, machte den dienstfertigen
Vermittler, die Studenten wogten noch im ersten Freudentaumel mit den errun¬
genen Wissen durch die Straßen der Hauptstadt, und der Hof war nach zwer
Nächten bitterer Todesangst sehr — conecssivnsmüibe. Diesem Zusammentreffen
günstiger Umstände verdankten es die Magyaren — wenn jetzt noch vom Verdan¬
ken die Rede sein kann — daß sie ihr besonderes Müusterinm erhielten, oder





Auch der Adel in Frankreich hatte sich freiwillig seiner Privilegien entschlagen. Aber
man erwäge, daß an jenem denkwürdigen Augusttage da6 Volk noch heiß war von der ^
Stürmung der Bast lie, daß der Vorhang der großen Revolution schon aufgezogen war, top
Drang rheilweise schon von außen rum, was bei den Prcßvurger Beschlüssen durchautt "l-l
her Fall war „ .
Anm. d. Verf. , .
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/206>, abgerufen am 15.01.2025.