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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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Armee mit schwerem Geschütz und Brückenequipagen durchaus keine angenehme
Situation sein soll.

Wende man hier nicht ein, daß die Terrainverhältnisse für beide kriegführende
Parteien gleiche Schwierigkeiten bieten. Das Pferd des Husaren ist ans jenen
Haiden geboren und groß gezogen. Im wilden Zustande durchstreift es die Ebenen,
bis der Czikose (Roßhirte) es zur Zucht tauglich findet und es mit Lebensgefahr
einfängt, um es zuzureiten, es gewissermaßen zu civilisiren. Wie eine Katze in
dem Hanse, wo sie das Licht der Welt erblickt hat, jeden Schlupfwinkel vom
Boden bis zum Kellerloche kennt, so weiß das Haidcpferd aus Jnstinct und Er¬
fahrung Weg und Steg durch Sumpf und Moorgrund. Es wäre im Stande
den Eiertanz der Pfützen mit verbundenen Augen zu tanzen, und wenn der Reiter
ihm im Sattel sitzt, kann er bei Nacht und Nebel nichts besseres thun, als dem
Rößlein selber seinen Weg suchen lassen. Das späht dann nicht, vorsichtig wie
der Esel im Gebirge nach dem Fleck, wohin es mit Sicherheit seinen Huf setzen
könne, das schnaubt und fliegt und spielt im Nennen mit den Füße'n und kokettirt
mit dem Kopfe und thut dennoch keinen Fehltritt. Das Pnßtapferdgcnie, würde
ein deutscher Gelehrter sagen, ist das zur Potenz erhobene Gebirgseseltalent.

Dem Dragoner- und Kuirassierpferde mögen gute Feen an ihrer Wiege
andere Tugenden verliehen haben, aber auf der Haide ist es ihnen unheimlich
Wie Landratten auf stürmischer See, und ihr böhmischer oder deutscher Reiter ist
eben auch kein verläßlicher Steuermann. Daher ist es oft gekommen, daß wenn
steh unsere schweren Reiter zum Verfolgen ihrer neckischen Quälgeister verleiten
ueßen, sie gewöhnlich bald die Rolle des Wildes statt des Jägers übernehmen
wußten. Daher klagten die Bulletins auch zu wiederholten Malen über den
Mangel an leichter Reiterei, welche seit Olims Zeiten in der kaiserlichen Armee
Zum größten Theile aus Husaren bestand und jetzt gewaltig fehlte, zumal den
flauen gegenüber den polnischen Generalen nicht recht zu trauen ist. Die
Ungarn kommen und verschwinden mit ihren leichten Geschützen, welche durch ihre
leichten Eskadronen vortrefflich enact'ire werden können, während die kaiserliche
Artillerie trotz ihrer anerkannten Wirksamkeit ost zur Unthätigkeit verdammt ist.

Hier sei mir die kleine Bosheit gegönnt, eine Anecdote einzuschalten, welche
an der Tafel Kossuth's in Debreczin zur großen Erheiterung der Gäste erzählt
wurde.

Der alte General H ... wurde im Hauptquartier des Fürsten Windischgrätz
vom Feldherrn beauftragt, einen Feldzugsplan für diese oder jene Gegend ans-
zuaU'eilen. General H. .. war ein alter Herr von untadelhaf-em Stammbaum,
der, wenn den Aussagen seines Kammerdieners zu trauen ist, dem Reglement
inen Trotz noch heut zu Tage ein steifes Zöpfchen unter der Militärüavate ver-
h/rgt. Der alte Herr war nach den Aussagen glaubwürdiger Zeugen einmal sogar
lung gewesen, hatte seine Schule durchgemacht und kannte das ABC der alt-


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Armee mit schwerem Geschütz und Brückenequipagen durchaus keine angenehme
Situation sein soll.

Wende man hier nicht ein, daß die Terrainverhältnisse für beide kriegführende
Parteien gleiche Schwierigkeiten bieten. Das Pferd des Husaren ist ans jenen
Haiden geboren und groß gezogen. Im wilden Zustande durchstreift es die Ebenen,
bis der Czikose (Roßhirte) es zur Zucht tauglich findet und es mit Lebensgefahr
einfängt, um es zuzureiten, es gewissermaßen zu civilisiren. Wie eine Katze in
dem Hanse, wo sie das Licht der Welt erblickt hat, jeden Schlupfwinkel vom
Boden bis zum Kellerloche kennt, so weiß das Haidcpferd aus Jnstinct und Er¬
fahrung Weg und Steg durch Sumpf und Moorgrund. Es wäre im Stande
den Eiertanz der Pfützen mit verbundenen Augen zu tanzen, und wenn der Reiter
ihm im Sattel sitzt, kann er bei Nacht und Nebel nichts besseres thun, als dem
Rößlein selber seinen Weg suchen lassen. Das späht dann nicht, vorsichtig wie
der Esel im Gebirge nach dem Fleck, wohin es mit Sicherheit seinen Huf setzen
könne, das schnaubt und fliegt und spielt im Nennen mit den Füße'n und kokettirt
mit dem Kopfe und thut dennoch keinen Fehltritt. Das Pnßtapferdgcnie, würde
ein deutscher Gelehrter sagen, ist das zur Potenz erhobene Gebirgseseltalent.

Dem Dragoner- und Kuirassierpferde mögen gute Feen an ihrer Wiege
andere Tugenden verliehen haben, aber auf der Haide ist es ihnen unheimlich
Wie Landratten auf stürmischer See, und ihr böhmischer oder deutscher Reiter ist
eben auch kein verläßlicher Steuermann. Daher ist es oft gekommen, daß wenn
steh unsere schweren Reiter zum Verfolgen ihrer neckischen Quälgeister verleiten
ueßen, sie gewöhnlich bald die Rolle des Wildes statt des Jägers übernehmen
wußten. Daher klagten die Bulletins auch zu wiederholten Malen über den
Mangel an leichter Reiterei, welche seit Olims Zeiten in der kaiserlichen Armee
Zum größten Theile aus Husaren bestand und jetzt gewaltig fehlte, zumal den
flauen gegenüber den polnischen Generalen nicht recht zu trauen ist. Die
Ungarn kommen und verschwinden mit ihren leichten Geschützen, welche durch ihre
leichten Eskadronen vortrefflich enact'ire werden können, während die kaiserliche
Artillerie trotz ihrer anerkannten Wirksamkeit ost zur Unthätigkeit verdammt ist.

Hier sei mir die kleine Bosheit gegönnt, eine Anecdote einzuschalten, welche
an der Tafel Kossuth's in Debreczin zur großen Erheiterung der Gäste erzählt
wurde.

Der alte General H ... wurde im Hauptquartier des Fürsten Windischgrätz
vom Feldherrn beauftragt, einen Feldzugsplan für diese oder jene Gegend ans-
zuaU'eilen. General H. .. war ein alter Herr von untadelhaf-em Stammbaum,
der, wenn den Aussagen seines Kammerdieners zu trauen ist, dem Reglement
inen Trotz noch heut zu Tage ein steifes Zöpfchen unter der Militärüavate ver-
h/rgt. Der alte Herr war nach den Aussagen glaubwürdiger Zeugen einmal sogar
lung gewesen, hatte seine Schule durchgemacht und kannte das ABC der alt-


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[0203] Armee mit schwerem Geschütz und Brückenequipagen durchaus keine angenehme Situation sein soll. Wende man hier nicht ein, daß die Terrainverhältnisse für beide kriegführende Parteien gleiche Schwierigkeiten bieten. Das Pferd des Husaren ist ans jenen Haiden geboren und groß gezogen. Im wilden Zustande durchstreift es die Ebenen, bis der Czikose (Roßhirte) es zur Zucht tauglich findet und es mit Lebensgefahr einfängt, um es zuzureiten, es gewissermaßen zu civilisiren. Wie eine Katze in dem Hanse, wo sie das Licht der Welt erblickt hat, jeden Schlupfwinkel vom Boden bis zum Kellerloche kennt, so weiß das Haidcpferd aus Jnstinct und Er¬ fahrung Weg und Steg durch Sumpf und Moorgrund. Es wäre im Stande den Eiertanz der Pfützen mit verbundenen Augen zu tanzen, und wenn der Reiter ihm im Sattel sitzt, kann er bei Nacht und Nebel nichts besseres thun, als dem Rößlein selber seinen Weg suchen lassen. Das späht dann nicht, vorsichtig wie der Esel im Gebirge nach dem Fleck, wohin es mit Sicherheit seinen Huf setzen könne, das schnaubt und fliegt und spielt im Nennen mit den Füße'n und kokettirt mit dem Kopfe und thut dennoch keinen Fehltritt. Das Pnßtapferdgcnie, würde ein deutscher Gelehrter sagen, ist das zur Potenz erhobene Gebirgseseltalent. Dem Dragoner- und Kuirassierpferde mögen gute Feen an ihrer Wiege andere Tugenden verliehen haben, aber auf der Haide ist es ihnen unheimlich Wie Landratten auf stürmischer See, und ihr böhmischer oder deutscher Reiter ist eben auch kein verläßlicher Steuermann. Daher ist es oft gekommen, daß wenn steh unsere schweren Reiter zum Verfolgen ihrer neckischen Quälgeister verleiten ueßen, sie gewöhnlich bald die Rolle des Wildes statt des Jägers übernehmen wußten. Daher klagten die Bulletins auch zu wiederholten Malen über den Mangel an leichter Reiterei, welche seit Olims Zeiten in der kaiserlichen Armee Zum größten Theile aus Husaren bestand und jetzt gewaltig fehlte, zumal den flauen gegenüber den polnischen Generalen nicht recht zu trauen ist. Die Ungarn kommen und verschwinden mit ihren leichten Geschützen, welche durch ihre leichten Eskadronen vortrefflich enact'ire werden können, während die kaiserliche Artillerie trotz ihrer anerkannten Wirksamkeit ost zur Unthätigkeit verdammt ist. Hier sei mir die kleine Bosheit gegönnt, eine Anecdote einzuschalten, welche an der Tafel Kossuth's in Debreczin zur großen Erheiterung der Gäste erzählt wurde. Der alte General H ... wurde im Hauptquartier des Fürsten Windischgrätz vom Feldherrn beauftragt, einen Feldzugsplan für diese oder jene Gegend ans- zuaU'eilen. General H. .. war ein alter Herr von untadelhaf-em Stammbaum, der, wenn den Aussagen seines Kammerdieners zu trauen ist, dem Reglement inen Trotz noch heut zu Tage ein steifes Zöpfchen unter der Militärüavate ver- h/rgt. Der alte Herr war nach den Aussagen glaubwürdiger Zeugen einmal sogar lung gewesen, hatte seine Schule durchgemacht und kannte das ABC der alt- 26*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/203>, abgerufen am 15.01.2025.