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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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sührlichkeit, wie Bmary in seinen Vorlesungen über lateinische Grammatik und in
seinen Interpretationen zu Sallust, Persius n. s. w. Böckh, Lachmann, Zumpt,
Franz verstehen Sanskrit nicht. Erst in den letzten Jahren hatte Bmary
an Georg Curtius einen Concurrenten erhalten; nachdem aber Curtius einen Ruf
nach Prag erhalten hat, ist es wieder Bmary allein, der diese Verbindung von
Kenntnissen besitzt. Zweitens vereinigt er philosophische mit philologischer Bildung.
Diese Vereinigung macht sich namentlich in seinen Vorlesungen über römische Lite-
raturgeschichte und in den literarhistorischen Einleitungen zu seinen Jnterpretations-
Collegien geltend. Neberwiegend ist in ihm wohl die philologisch-historische Auf¬
fassung; durch das Studium der Hegel'schen Philosophie hat er aber eine Anzahl
allgemeiner Begriffe und Ideen gewonnen, die ihn in einen großen Vortheil gegen
alle Philologen setzen, die es für überflüssig halten, sich mit der Philosophie zu
beschäftigen.

War Bmary schon früher keine pu-ssina Fi-et-r, so ist er es seit dem vorigen
Sommer noch weniger. Nachdem er kurze Zeit Mitglied des constitutionellen Clubs
gewesen, gründete er im Verein mit seinen Brüdern den Volköclnb. Der Charakter
dieses Clubs war nicht ganz so kindisch ausschweifend, wie der des demokratischen
Clubs, in allen wichtigen Fragen trat er aber gemeinschaftlich mit ihm auf. Der
demokratische Club war der eigentliche Mittelpunkt, ihm gehörten vorzugsweise die
Radikalen aus den gebildeteren Standen an. Die anderen Clubs, denBenary'schen
Mit eingeschlossen, betrachteten sie nur als Ableger und übten dort als Gäste in
der Regel einen größeren Einfluß aus, als die Gründer und Führer des Clubs
°S selbst im Stande waren. Das Publikum des Vvlksclubö, das fast ganz aus
den niedern Ständen bestand, wählte zwar Bmary immer aufs Neue zum Vor¬
sitzenden, ließ sich aber uicht sonderlich durch ihn leiten. So oft ich diesen Club
besuchte, sand ich Bmary im Kampf mit den übrigen Mitgliedern. Es läßt sich
daher schwer begreifen, wie er bei der offenbar verschiedenen Richtung es uicht
Müde geworden ist, Vorsitzender zu sein. -- Bei den letzten Wahlen zeigte es sich,
daß seine Popularität doch so bedeutend geworden war, daß er in der Versamm¬
lung der Wahlmänner aufgefordert wurde, ohne wettern Zweck eine Rede zu
halten. Er erfüllte diesen Wunsch, bewies aber zugleich so viel Selbsterkenntniß,
daß er sich nicht verleiten ließ, als Kandidat für die zweite Kammer aufzutreten.


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sührlichkeit, wie Bmary in seinen Vorlesungen über lateinische Grammatik und in
seinen Interpretationen zu Sallust, Persius n. s. w. Böckh, Lachmann, Zumpt,
Franz verstehen Sanskrit nicht. Erst in den letzten Jahren hatte Bmary
an Georg Curtius einen Concurrenten erhalten; nachdem aber Curtius einen Ruf
nach Prag erhalten hat, ist es wieder Bmary allein, der diese Verbindung von
Kenntnissen besitzt. Zweitens vereinigt er philosophische mit philologischer Bildung.
Diese Vereinigung macht sich namentlich in seinen Vorlesungen über römische Lite-
raturgeschichte und in den literarhistorischen Einleitungen zu seinen Jnterpretations-
Collegien geltend. Neberwiegend ist in ihm wohl die philologisch-historische Auf¬
fassung; durch das Studium der Hegel'schen Philosophie hat er aber eine Anzahl
allgemeiner Begriffe und Ideen gewonnen, die ihn in einen großen Vortheil gegen
alle Philologen setzen, die es für überflüssig halten, sich mit der Philosophie zu
beschäftigen.

War Bmary schon früher keine pu-ssina Fi-et-r, so ist er es seit dem vorigen
Sommer noch weniger. Nachdem er kurze Zeit Mitglied des constitutionellen Clubs
gewesen, gründete er im Verein mit seinen Brüdern den Volköclnb. Der Charakter
dieses Clubs war nicht ganz so kindisch ausschweifend, wie der des demokratischen
Clubs, in allen wichtigen Fragen trat er aber gemeinschaftlich mit ihm auf. Der
demokratische Club war der eigentliche Mittelpunkt, ihm gehörten vorzugsweise die
Radikalen aus den gebildeteren Standen an. Die anderen Clubs, denBenary'schen
Mit eingeschlossen, betrachteten sie nur als Ableger und übten dort als Gäste in
der Regel einen größeren Einfluß aus, als die Gründer und Führer des Clubs
°S selbst im Stande waren. Das Publikum des Vvlksclubö, das fast ganz aus
den niedern Ständen bestand, wählte zwar Bmary immer aufs Neue zum Vor¬
sitzenden, ließ sich aber uicht sonderlich durch ihn leiten. So oft ich diesen Club
besuchte, sand ich Bmary im Kampf mit den übrigen Mitgliedern. Es läßt sich
daher schwer begreifen, wie er bei der offenbar verschiedenen Richtung es uicht
Müde geworden ist, Vorsitzender zu sein. — Bei den letzten Wahlen zeigte es sich,
daß seine Popularität doch so bedeutend geworden war, daß er in der Versamm¬
lung der Wahlmänner aufgefordert wurde, ohne wettern Zweck eine Rede zu
halten. Er erfüllte diesen Wunsch, bewies aber zugleich so viel Selbsterkenntniß,
daß er sich nicht verleiten ließ, als Kandidat für die zweite Kammer aufzutreten.


G. V.


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[0187] sührlichkeit, wie Bmary in seinen Vorlesungen über lateinische Grammatik und in seinen Interpretationen zu Sallust, Persius n. s. w. Böckh, Lachmann, Zumpt, Franz verstehen Sanskrit nicht. Erst in den letzten Jahren hatte Bmary an Georg Curtius einen Concurrenten erhalten; nachdem aber Curtius einen Ruf nach Prag erhalten hat, ist es wieder Bmary allein, der diese Verbindung von Kenntnissen besitzt. Zweitens vereinigt er philosophische mit philologischer Bildung. Diese Vereinigung macht sich namentlich in seinen Vorlesungen über römische Lite- raturgeschichte und in den literarhistorischen Einleitungen zu seinen Jnterpretations- Collegien geltend. Neberwiegend ist in ihm wohl die philologisch-historische Auf¬ fassung; durch das Studium der Hegel'schen Philosophie hat er aber eine Anzahl allgemeiner Begriffe und Ideen gewonnen, die ihn in einen großen Vortheil gegen alle Philologen setzen, die es für überflüssig halten, sich mit der Philosophie zu beschäftigen. War Bmary schon früher keine pu-ssina Fi-et-r, so ist er es seit dem vorigen Sommer noch weniger. Nachdem er kurze Zeit Mitglied des constitutionellen Clubs gewesen, gründete er im Verein mit seinen Brüdern den Volköclnb. Der Charakter dieses Clubs war nicht ganz so kindisch ausschweifend, wie der des demokratischen Clubs, in allen wichtigen Fragen trat er aber gemeinschaftlich mit ihm auf. Der demokratische Club war der eigentliche Mittelpunkt, ihm gehörten vorzugsweise die Radikalen aus den gebildeteren Standen an. Die anderen Clubs, denBenary'schen Mit eingeschlossen, betrachteten sie nur als Ableger und übten dort als Gäste in der Regel einen größeren Einfluß aus, als die Gründer und Führer des Clubs °S selbst im Stande waren. Das Publikum des Vvlksclubö, das fast ganz aus den niedern Ständen bestand, wählte zwar Bmary immer aufs Neue zum Vor¬ sitzenden, ließ sich aber uicht sonderlich durch ihn leiten. So oft ich diesen Club besuchte, sand ich Bmary im Kampf mit den übrigen Mitgliedern. Es läßt sich daher schwer begreifen, wie er bei der offenbar verschiedenen Richtung es uicht Müde geworden ist, Vorsitzender zu sein. — Bei den letzten Wahlen zeigte es sich, daß seine Popularität doch so bedeutend geworden war, daß er in der Versamm¬ lung der Wahlmänner aufgefordert wurde, ohne wettern Zweck eine Rede zu halten. Er erfüllte diesen Wunsch, bewies aber zugleich so viel Selbsterkenntniß, daß er sich nicht verleiten ließ, als Kandidat für die zweite Kammer aufzutreten. G. V. 24*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/187>, abgerufen am 15.01.2025.