Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.beitraten, weil es ihnen dort nicht fein genug war. Zu welcher dieser drei Klassen beitraten, weil es ihnen dort nicht fein genug war. Zu welcher dieser drei Klassen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0183" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278693"/> <p xml:id="ID_546" prev="#ID_545" next="#ID_547"> beitraten, weil es ihnen dort nicht fein genug war. Zu welcher dieser drei Klassen<lb/> Jacobi gehört hat, der von Anfang an ein regelmäßiger Besucher der Club-Sitzun-<lb/> gen war, wissen wir nicht. Er hielt sich indeß lange Zeit hindurch passiv; zum<lb/> erstenmale beteiligte er sich bei der Polendebattc durch eine Bemerkung vom Platz<lb/> aus. Ein Redner donnerte in die Versammlung hinein: Ist Jemand in diesem<lb/> Saal, der die Theilung Polens nicht für ein schmähliches Unrecht hält? Alles<lb/> schwieg, nur von einem Platze aus hörte man in ruhigem und gleichgiltigem Tone:<lb/> Ich — es war Jacoby. — sein erstes eigentliches Auftreten war zur Zeit der<lb/> Wahlen. Der constitutionelle Club hatte es unternommen, Kandidaten zur Depu-<lb/> tirtenwcchl in Vorschlag zu bringen. Jacobi bewarb sich um die Unterstützung<lb/> des Clubs. Er hielt eine kurze Rede, in der er unter Andern sagte, er Halle die<lb/> constitutionelle Verfassung für die zeitgemäßeste, obschon ihn bei dem Worte Re¬<lb/> publik gerade keine Gänsehaut überlaufe; man müsse sich über von jetzt an gewöh¬<lb/> nen, mit gewissen Worten einen andern Sinn zu verbinden, z. B. mit dem Worte<lb/> Ordnung; das hätten die früheren Regierungen stets den Liberalen vorgehalten:<lb/> ihr werdet um die Ordnung und Ruhe kommen; ja, fügte er hinzu, um die Ord¬<lb/> nung und Ruhe der frühere» Zeit sind wir gekommen und sollen wir kommen,<lb/> denn das war eine Kirchhofsruhe, von jetzt an ist Ordnung und Ruhe nicht mehr<lb/> denkbar ohne freie Bewegung der Geister. — Seine Gegner benutzten diese Stellen,<lb/> um ihn in den Ruf eines Republikaners zu bringen und zu dem Borwurf, er habe<lb/> die heiligsten Begriffe frech verhöhnt. Er bekämpfte aber eben nur die Unter--<lb/> drücknng der geistigen Freiheit unter dem alten Regime, und war nicht so kurz¬<lb/> sichtig, um nicht zu sehen, daß auch die äußere Physiognomie der Gesellschaft eine<lb/> bewegtere sein müsse, wenn die Schranken der individuellen geistigen Freiheit fallen<lb/> sollten. Gerade aus diesen Punkt kommt er oft zurück; er faßt die Freiheit von<lb/> dem Standpunkt aus, von dem sie für den Maun der Wissenschaft das meiste<lb/> Interesse hat; man soll die Menschen nicht hindern, ihre Ueberzeugungen zu haben,<lb/> sie auszusprechen und sür sie zu wirken. Er scheint die Gefahren, die ans einer<lb/> unbeschränkten derartigen Freiheit hervorgehen, da er sich ihrer unzweifelhaft be¬<lb/> wußt ist, entweder nicht zu fürchten, oder für ein nothwendiges Uebel zu halten.<lb/> Er geht aber offenbar dabei von einer sehr idealen Auffassung aus; was ihm als<lb/> Frivolüät ausgelegt wurde, ist gerade der edelste, der echt humane Zug, der durch<lb/> seine politische Anschauung durchgeht. — Jacobi erlangte damals wenigstens eine<lb/> Art von Erfolg. Den heftigen Angriffen, die Crelinger und andere Königsberger<lb/> gegen die Redlichkeit seines Charakters richteten, der Aufregung, die dadurch im<lb/> constitutionellen Club entstand, ist vorzugsweise das so plötzliche Sinken dieses<lb/> ^lubs zuzuschreiben. Theils wollte nach den so leidenschaftlichen und heftigen<lb/> Sitzungen, die die Jacobi'sche Angelegenheit hervorgerufen hatte, der trockene Ver¬<lb/> lauf der folgenden Debatten nicht mehr zusagen, theils war eine persönliche Ver¬<lb/> stimmung eingetreten, die das Ausscheiden Creliugers und vieler andern Mitglieder</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0183]
beitraten, weil es ihnen dort nicht fein genug war. Zu welcher dieser drei Klassen
Jacobi gehört hat, der von Anfang an ein regelmäßiger Besucher der Club-Sitzun-
gen war, wissen wir nicht. Er hielt sich indeß lange Zeit hindurch passiv; zum
erstenmale beteiligte er sich bei der Polendebattc durch eine Bemerkung vom Platz
aus. Ein Redner donnerte in die Versammlung hinein: Ist Jemand in diesem
Saal, der die Theilung Polens nicht für ein schmähliches Unrecht hält? Alles
schwieg, nur von einem Platze aus hörte man in ruhigem und gleichgiltigem Tone:
Ich — es war Jacoby. — sein erstes eigentliches Auftreten war zur Zeit der
Wahlen. Der constitutionelle Club hatte es unternommen, Kandidaten zur Depu-
tirtenwcchl in Vorschlag zu bringen. Jacobi bewarb sich um die Unterstützung
des Clubs. Er hielt eine kurze Rede, in der er unter Andern sagte, er Halle die
constitutionelle Verfassung für die zeitgemäßeste, obschon ihn bei dem Worte Re¬
publik gerade keine Gänsehaut überlaufe; man müsse sich über von jetzt an gewöh¬
nen, mit gewissen Worten einen andern Sinn zu verbinden, z. B. mit dem Worte
Ordnung; das hätten die früheren Regierungen stets den Liberalen vorgehalten:
ihr werdet um die Ordnung und Ruhe kommen; ja, fügte er hinzu, um die Ord¬
nung und Ruhe der frühere» Zeit sind wir gekommen und sollen wir kommen,
denn das war eine Kirchhofsruhe, von jetzt an ist Ordnung und Ruhe nicht mehr
denkbar ohne freie Bewegung der Geister. — Seine Gegner benutzten diese Stellen,
um ihn in den Ruf eines Republikaners zu bringen und zu dem Borwurf, er habe
die heiligsten Begriffe frech verhöhnt. Er bekämpfte aber eben nur die Unter--
drücknng der geistigen Freiheit unter dem alten Regime, und war nicht so kurz¬
sichtig, um nicht zu sehen, daß auch die äußere Physiognomie der Gesellschaft eine
bewegtere sein müsse, wenn die Schranken der individuellen geistigen Freiheit fallen
sollten. Gerade aus diesen Punkt kommt er oft zurück; er faßt die Freiheit von
dem Standpunkt aus, von dem sie für den Maun der Wissenschaft das meiste
Interesse hat; man soll die Menschen nicht hindern, ihre Ueberzeugungen zu haben,
sie auszusprechen und sür sie zu wirken. Er scheint die Gefahren, die ans einer
unbeschränkten derartigen Freiheit hervorgehen, da er sich ihrer unzweifelhaft be¬
wußt ist, entweder nicht zu fürchten, oder für ein nothwendiges Uebel zu halten.
Er geht aber offenbar dabei von einer sehr idealen Auffassung aus; was ihm als
Frivolüät ausgelegt wurde, ist gerade der edelste, der echt humane Zug, der durch
seine politische Anschauung durchgeht. — Jacobi erlangte damals wenigstens eine
Art von Erfolg. Den heftigen Angriffen, die Crelinger und andere Königsberger
gegen die Redlichkeit seines Charakters richteten, der Aufregung, die dadurch im
constitutionellen Club entstand, ist vorzugsweise das so plötzliche Sinken dieses
^lubs zuzuschreiben. Theils wollte nach den so leidenschaftlichen und heftigen
Sitzungen, die die Jacobi'sche Angelegenheit hervorgerufen hatte, der trockene Ver¬
lauf der folgenden Debatten nicht mehr zusagen, theils war eine persönliche Ver¬
stimmung eingetreten, die das Ausscheiden Creliugers und vieler andern Mitglieder
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |