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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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wiesen. Er ist unpopulär. In Prag wird der Kaiser Ferdinand benutzt zu De¬
monstrationen gegen den neuen Monarchen. Sein Geburtsfest wurde mit ausge¬
zeichneter Pracht gefeiert, man ruft so oft als möglich: Hoch Ferdinand! man
besingt ihn, blos um zu zeigen, daß man den neuen Kaiser nicht mag. Es ist
zu bezweifeln, ob in Wien Franz Joseph I. jene Popularität genießen wird, die
Ferdinand bis zu den Octobertagcn genoß.

Die Gesetze, welche dem Ministerium wunderbar leicht ans der Feder zu
fließen schienen, haben bereits alle ihre Beurtheilung gefunden. Das Gesetz über
die Geschwornengerichte soll mit Nächstem erscheinen. Einige indiscrete Mitthei¬
lungen über dasselbe haben bereits in mehreren Journalen vor der Zeit sehr be-
achtenswerthe Betrachtungen und zugleich eiuen Kampf zwischen der Ostdeutschen
Post und dem Lloyd, welche zwei Journale Tag für Tag mit einander anbinden,
hervorgerufen. Die Ostdeutsche Post meinte, der veröffentlichte Entwurf sei blos
eine Mystifikation. Leider ist dem nicht so. Das Ministerium Schwarzenberg ver¬
stand es, die freie Gemeinde so zu ordnen, daß man mit Schmerzen die Zeiten
der gestrengen Herren Verwalter und hochmögenden Bürgermeister zurückwünsche,
und es wird ihm ein Leichtes sein, das Schwnrgerichtswesen so einzurichten, daß
man Jene glücklich preisen wird, die noch den alten Kriminalgerichten in die
Hände fielen.

Heute ging Fürst Windischgrätz nach Prag ab; man sagt, er wird das
Gouvernement übernehmen. Stratimirovic und Knicanin sollten (nach dem Lloyd)
den ungarischen General Perzcel auf dem rechten Dvnannfer geschlagen haben.
Ist der Sieg in der That so bedeutend, wie ihn der Lloyd schildert so dürfte
, sich die Lage der Kaiserlichen etwas bessern.




Porträts der Berliner Universität.



2. Jacobi.

Jacobi erzählte kürzlich, wenn er Wohnungen miethen gehe, werde er im¬
mer gefragt, ob er ein Verwandter des berühmten Jacobi sei. Unter dem berühmten
Jacobi versteht Berlin nämlich den "Feind des Hauses Hohenzollerndem das
Volk von Berlin in den Novembertagen einen solennen Fackelzug brachte. Unser
Jacobi ist nur der unbekannte Professor der Mathematik, der sich glücklich fühlen
mag, eiuen Namensvetter vou berühmtem Namen zu besitzen.

Jacobi ist 1804 in Potsdam geboren. Er schwankte längere Zeit, ob er sich
der Mathematik vorzugsweise widmen solle und beschäftigte sich viel mit philvso-


wiesen. Er ist unpopulär. In Prag wird der Kaiser Ferdinand benutzt zu De¬
monstrationen gegen den neuen Monarchen. Sein Geburtsfest wurde mit ausge¬
zeichneter Pracht gefeiert, man ruft so oft als möglich: Hoch Ferdinand! man
besingt ihn, blos um zu zeigen, daß man den neuen Kaiser nicht mag. Es ist
zu bezweifeln, ob in Wien Franz Joseph I. jene Popularität genießen wird, die
Ferdinand bis zu den Octobertagcn genoß.

Die Gesetze, welche dem Ministerium wunderbar leicht ans der Feder zu
fließen schienen, haben bereits alle ihre Beurtheilung gefunden. Das Gesetz über
die Geschwornengerichte soll mit Nächstem erscheinen. Einige indiscrete Mitthei¬
lungen über dasselbe haben bereits in mehreren Journalen vor der Zeit sehr be-
achtenswerthe Betrachtungen und zugleich eiuen Kampf zwischen der Ostdeutschen
Post und dem Lloyd, welche zwei Journale Tag für Tag mit einander anbinden,
hervorgerufen. Die Ostdeutsche Post meinte, der veröffentlichte Entwurf sei blos
eine Mystifikation. Leider ist dem nicht so. Das Ministerium Schwarzenberg ver¬
stand es, die freie Gemeinde so zu ordnen, daß man mit Schmerzen die Zeiten
der gestrengen Herren Verwalter und hochmögenden Bürgermeister zurückwünsche,
und es wird ihm ein Leichtes sein, das Schwnrgerichtswesen so einzurichten, daß
man Jene glücklich preisen wird, die noch den alten Kriminalgerichten in die
Hände fielen.

Heute ging Fürst Windischgrätz nach Prag ab; man sagt, er wird das
Gouvernement übernehmen. Stratimirovic und Knicanin sollten (nach dem Lloyd)
den ungarischen General Perzcel auf dem rechten Dvnannfer geschlagen haben.
Ist der Sieg in der That so bedeutend, wie ihn der Lloyd schildert so dürfte
, sich die Lage der Kaiserlichen etwas bessern.




Porträts der Berliner Universität.



2. Jacobi.

Jacobi erzählte kürzlich, wenn er Wohnungen miethen gehe, werde er im¬
mer gefragt, ob er ein Verwandter des berühmten Jacobi sei. Unter dem berühmten
Jacobi versteht Berlin nämlich den „Feind des Hauses Hohenzollerndem das
Volk von Berlin in den Novembertagen einen solennen Fackelzug brachte. Unser
Jacobi ist nur der unbekannte Professor der Mathematik, der sich glücklich fühlen
mag, eiuen Namensvetter vou berühmtem Namen zu besitzen.

Jacobi ist 1804 in Potsdam geboren. Er schwankte längere Zeit, ob er sich
der Mathematik vorzugsweise widmen solle und beschäftigte sich viel mit philvso-


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[0180] wiesen. Er ist unpopulär. In Prag wird der Kaiser Ferdinand benutzt zu De¬ monstrationen gegen den neuen Monarchen. Sein Geburtsfest wurde mit ausge¬ zeichneter Pracht gefeiert, man ruft so oft als möglich: Hoch Ferdinand! man besingt ihn, blos um zu zeigen, daß man den neuen Kaiser nicht mag. Es ist zu bezweifeln, ob in Wien Franz Joseph I. jene Popularität genießen wird, die Ferdinand bis zu den Octobertagcn genoß. Die Gesetze, welche dem Ministerium wunderbar leicht ans der Feder zu fließen schienen, haben bereits alle ihre Beurtheilung gefunden. Das Gesetz über die Geschwornengerichte soll mit Nächstem erscheinen. Einige indiscrete Mitthei¬ lungen über dasselbe haben bereits in mehreren Journalen vor der Zeit sehr be- achtenswerthe Betrachtungen und zugleich eiuen Kampf zwischen der Ostdeutschen Post und dem Lloyd, welche zwei Journale Tag für Tag mit einander anbinden, hervorgerufen. Die Ostdeutsche Post meinte, der veröffentlichte Entwurf sei blos eine Mystifikation. Leider ist dem nicht so. Das Ministerium Schwarzenberg ver¬ stand es, die freie Gemeinde so zu ordnen, daß man mit Schmerzen die Zeiten der gestrengen Herren Verwalter und hochmögenden Bürgermeister zurückwünsche, und es wird ihm ein Leichtes sein, das Schwnrgerichtswesen so einzurichten, daß man Jene glücklich preisen wird, die noch den alten Kriminalgerichten in die Hände fielen. Heute ging Fürst Windischgrätz nach Prag ab; man sagt, er wird das Gouvernement übernehmen. Stratimirovic und Knicanin sollten (nach dem Lloyd) den ungarischen General Perzcel auf dem rechten Dvnannfer geschlagen haben. Ist der Sieg in der That so bedeutend, wie ihn der Lloyd schildert so dürfte , sich die Lage der Kaiserlichen etwas bessern. Porträts der Berliner Universität. 2. Jacobi. Jacobi erzählte kürzlich, wenn er Wohnungen miethen gehe, werde er im¬ mer gefragt, ob er ein Verwandter des berühmten Jacobi sei. Unter dem berühmten Jacobi versteht Berlin nämlich den „Feind des Hauses Hohenzollerndem das Volk von Berlin in den Novembertagen einen solennen Fackelzug brachte. Unser Jacobi ist nur der unbekannte Professor der Mathematik, der sich glücklich fühlen mag, eiuen Namensvetter vou berühmtem Namen zu besitzen. Jacobi ist 1804 in Potsdam geboren. Er schwankte längere Zeit, ob er sich der Mathematik vorzugsweise widmen solle und beschäftigte sich viel mit philvso-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/180>, abgerufen am 15.01.2025.