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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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einer Dübarry beugt, wenigstens eben so entschieden zurückweisen, als die unbe¬
dingte Geltung dessen, was die Menge will. Es hilft uns nicht, wenn die mo¬
dernen Legitimisten fromm genug sind, das Recht, dem sie abgöttisch huldigen,
von dem Schöpfer Himmels und der Erden herzuleiten; eine Firma gibt die
andere, die Demokraten berufen sich auf die Natur, und es werden sich licht-
freundliche Pastoren genug unter ihnen finden, welche diese Natur ins Transcen¬
dente hinüberschillern lassen. So lange die Herleitung der fürstlichen Souveränität
von dem unmittelbaren Willen Gottes eine bloße Versicherung bleibt, können wir
sie dahingestellt sein lassen, da uns über das Detail nichts Näheres bekannt ist.
Wir halten uns an das Menschliche; uns ist das Recht kein überirdisches Gut, kein
Granitfels, an dem die Brandung der Revolution sich bricht, denn es steht gar
nicht außerhalb der übrigen Geistesfunctioncn. Es ist die Form und das Maaß,
welche den menschlichen Geist vom Thier unterscheiden. Schon wenn die Kinder
mit einander spielen, finden sie für ihr Spiel eine Form und ein Gesetz; die
Willkür sträubt sich dagegen, und das Gesetz findet bessere Geltung, wenn eS
ihnen durch die Tradition älterer Knaben octroyirt ist. Die Gewalt der Fürsten
ging aus der physischen Ueberlegenheit hervor; sie wurde ihnen nicht vom Volk
octroyirt, wie es Hobbes und die ganze Schule der Naturrechtslehrer behauptet
haben, und was Gott betrifft, so ist seine Hand wenigstens nicht überall darin
sichtbar gewesen. Aber die fürstliche Gewalt gab dem menschlichen Sinn für Ord¬
nung, Form und Konsistenz einen bestimmten Halt; sie befestigte sich, indem sie
sich beschränkte; sie erhielt einen sittlichen Inhalt, indem sie aufhörte, mit der
Wucht einer eisernen Naturnothwendigkeit auf dem Nacken der Menschen zu lasten.
Wir sind Royalisten, nicht ans Verehrung vor dem göttlichen Recht der Könige,
sondern weil wir in der Monarchie einen sichern Leitfaden für die politische Ent¬
wickelung der Völker sehen. Wir sind nicht Royalisten -l tont ,>rix, wir schwär¬
men z. B. nicht mit Stahl sur die deutschen Duodezmonarchien, wir würden sie
sammt und sonders mediatisiren, ohne nach ihrem göttlichen Ursprung zu fragen,
zu Gunsten einer mächtigen Centralgewalt, wenn K möglich wird, ohne die natür¬
liche Entwickelung des Volks auf eine gefährliche Weise zu unterbrechen. Da wir
aber einen solchen Weg noch nicht sehen, ziehn wir die "Vereinbarung" dem Decretireu
vor, und glauben, daß die Gemeinsamkeit der Interesse" endlich die Spaltung
der Leidenschaften überwinden wird, ohne daß man zu Donner und Blitz grei¬
fen darf.

Sie aber, lieber Freund, mögen bei Ihren Lesern die Kühnheit entschuldigen,
Mit welcher ich ihnen mitten nnter den Portraits der ersten Kammer, über welche
wir uns vereinbart hatten, einen Excurs über die Volkssouveränität octroyire;
ich verspreche dafür in den nächsten Briefen, welche die Statistik unserer Pairs
vollenden, sollen, den gesetzlichen Weg strenger einzuhalten. Leben Sie wohl.




einer Dübarry beugt, wenigstens eben so entschieden zurückweisen, als die unbe¬
dingte Geltung dessen, was die Menge will. Es hilft uns nicht, wenn die mo¬
dernen Legitimisten fromm genug sind, das Recht, dem sie abgöttisch huldigen,
von dem Schöpfer Himmels und der Erden herzuleiten; eine Firma gibt die
andere, die Demokraten berufen sich auf die Natur, und es werden sich licht-
freundliche Pastoren genug unter ihnen finden, welche diese Natur ins Transcen¬
dente hinüberschillern lassen. So lange die Herleitung der fürstlichen Souveränität
von dem unmittelbaren Willen Gottes eine bloße Versicherung bleibt, können wir
sie dahingestellt sein lassen, da uns über das Detail nichts Näheres bekannt ist.
Wir halten uns an das Menschliche; uns ist das Recht kein überirdisches Gut, kein
Granitfels, an dem die Brandung der Revolution sich bricht, denn es steht gar
nicht außerhalb der übrigen Geistesfunctioncn. Es ist die Form und das Maaß,
welche den menschlichen Geist vom Thier unterscheiden. Schon wenn die Kinder
mit einander spielen, finden sie für ihr Spiel eine Form und ein Gesetz; die
Willkür sträubt sich dagegen, und das Gesetz findet bessere Geltung, wenn eS
ihnen durch die Tradition älterer Knaben octroyirt ist. Die Gewalt der Fürsten
ging aus der physischen Ueberlegenheit hervor; sie wurde ihnen nicht vom Volk
octroyirt, wie es Hobbes und die ganze Schule der Naturrechtslehrer behauptet
haben, und was Gott betrifft, so ist seine Hand wenigstens nicht überall darin
sichtbar gewesen. Aber die fürstliche Gewalt gab dem menschlichen Sinn für Ord¬
nung, Form und Konsistenz einen bestimmten Halt; sie befestigte sich, indem sie
sich beschränkte; sie erhielt einen sittlichen Inhalt, indem sie aufhörte, mit der
Wucht einer eisernen Naturnothwendigkeit auf dem Nacken der Menschen zu lasten.
Wir sind Royalisten, nicht ans Verehrung vor dem göttlichen Recht der Könige,
sondern weil wir in der Monarchie einen sichern Leitfaden für die politische Ent¬
wickelung der Völker sehen. Wir sind nicht Royalisten -l tont ,>rix, wir schwär¬
men z. B. nicht mit Stahl sur die deutschen Duodezmonarchien, wir würden sie
sammt und sonders mediatisiren, ohne nach ihrem göttlichen Ursprung zu fragen,
zu Gunsten einer mächtigen Centralgewalt, wenn K möglich wird, ohne die natür¬
liche Entwickelung des Volks auf eine gefährliche Weise zu unterbrechen. Da wir
aber einen solchen Weg noch nicht sehen, ziehn wir die „Vereinbarung" dem Decretireu
vor, und glauben, daß die Gemeinsamkeit der Interesse» endlich die Spaltung
der Leidenschaften überwinden wird, ohne daß man zu Donner und Blitz grei¬
fen darf.

Sie aber, lieber Freund, mögen bei Ihren Lesern die Kühnheit entschuldigen,
Mit welcher ich ihnen mitten nnter den Portraits der ersten Kammer, über welche
wir uns vereinbart hatten, einen Excurs über die Volkssouveränität octroyire;
ich verspreche dafür in den nächsten Briefen, welche die Statistik unserer Pairs
vollenden, sollen, den gesetzlichen Weg strenger einzuhalten. Leben Sie wohl.




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[0017] einer Dübarry beugt, wenigstens eben so entschieden zurückweisen, als die unbe¬ dingte Geltung dessen, was die Menge will. Es hilft uns nicht, wenn die mo¬ dernen Legitimisten fromm genug sind, das Recht, dem sie abgöttisch huldigen, von dem Schöpfer Himmels und der Erden herzuleiten; eine Firma gibt die andere, die Demokraten berufen sich auf die Natur, und es werden sich licht- freundliche Pastoren genug unter ihnen finden, welche diese Natur ins Transcen¬ dente hinüberschillern lassen. So lange die Herleitung der fürstlichen Souveränität von dem unmittelbaren Willen Gottes eine bloße Versicherung bleibt, können wir sie dahingestellt sein lassen, da uns über das Detail nichts Näheres bekannt ist. Wir halten uns an das Menschliche; uns ist das Recht kein überirdisches Gut, kein Granitfels, an dem die Brandung der Revolution sich bricht, denn es steht gar nicht außerhalb der übrigen Geistesfunctioncn. Es ist die Form und das Maaß, welche den menschlichen Geist vom Thier unterscheiden. Schon wenn die Kinder mit einander spielen, finden sie für ihr Spiel eine Form und ein Gesetz; die Willkür sträubt sich dagegen, und das Gesetz findet bessere Geltung, wenn eS ihnen durch die Tradition älterer Knaben octroyirt ist. Die Gewalt der Fürsten ging aus der physischen Ueberlegenheit hervor; sie wurde ihnen nicht vom Volk octroyirt, wie es Hobbes und die ganze Schule der Naturrechtslehrer behauptet haben, und was Gott betrifft, so ist seine Hand wenigstens nicht überall darin sichtbar gewesen. Aber die fürstliche Gewalt gab dem menschlichen Sinn für Ord¬ nung, Form und Konsistenz einen bestimmten Halt; sie befestigte sich, indem sie sich beschränkte; sie erhielt einen sittlichen Inhalt, indem sie aufhörte, mit der Wucht einer eisernen Naturnothwendigkeit auf dem Nacken der Menschen zu lasten. Wir sind Royalisten, nicht ans Verehrung vor dem göttlichen Recht der Könige, sondern weil wir in der Monarchie einen sichern Leitfaden für die politische Ent¬ wickelung der Völker sehen. Wir sind nicht Royalisten -l tont ,>rix, wir schwär¬ men z. B. nicht mit Stahl sur die deutschen Duodezmonarchien, wir würden sie sammt und sonders mediatisiren, ohne nach ihrem göttlichen Ursprung zu fragen, zu Gunsten einer mächtigen Centralgewalt, wenn K möglich wird, ohne die natür¬ liche Entwickelung des Volks auf eine gefährliche Weise zu unterbrechen. Da wir aber einen solchen Weg noch nicht sehen, ziehn wir die „Vereinbarung" dem Decretireu vor, und glauben, daß die Gemeinsamkeit der Interesse» endlich die Spaltung der Leidenschaften überwinden wird, ohne daß man zu Donner und Blitz grei¬ fen darf. Sie aber, lieber Freund, mögen bei Ihren Lesern die Kühnheit entschuldigen, Mit welcher ich ihnen mitten nnter den Portraits der ersten Kammer, über welche wir uns vereinbart hatten, einen Excurs über die Volkssouveränität octroyire; ich verspreche dafür in den nächsten Briefen, welche die Statistik unserer Pairs vollenden, sollen, den gesetzlichen Weg strenger einzuhalten. Leben Sie wohl.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/17>, abgerufen am 15.01.2025.