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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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des Einen von der des Andern zu unterscheiden. Und wie Sprache und Hand¬
schrift, so wußte er auch alle übrigen Eigenthümlichkeiten seines Gebieters auss
Täuschendste nachzuahmen, was letztern natürlich ganz besonders schmeichelte, denn
ein eitler Mensch sieht sich gern im Spiegel, und Gras Stadion ist uicht ganz
ohne Eitelkeit.

Man behauptet, wirkliche Freundschaft sei dem Grafen von jeher fremd ge¬
wesen, und er Pflege die Menschen uur zu schätzen nach Maßgabe des Nutzens
oder Vergnügens, das sie ihm gewähren. Gewiß ist, daß er leine Ahnung von
dem hat, was man deutsches Gemüth nennt; ebenso fehlt ihm bei großer Hart¬
näckigkeit doch die Selbständigkeit des Charakters. Solchergestalt konnte sich
leicht ein seltsames Verhältniß zu Oettl entwickeln, wobei Stadion die Form, und
Oettl das Wesen der Herrschaft ausübt.

In neuester Zeit, wo die Stellung des Ministers eine schwierigere und be¬
denklichere geworden und sein und seines "Schatten" Verstand nicht mehr aus¬
reicht, haben sich andere Einflüsse bei ihm geltend zu machen gewußt -- doch
darüber ruht noch ein Schleier, den ich nicht lüften darf. . .

Mit seiner Statthalterschaft im Küstenlande, dessen Bewohner ihn mit tief¬
gefühlten Bedauern scheiden sahen, endet anch der Ruhm, den Graf Stadion sich
im Staatsdienste erworben. Denn wenn das Unerhörte geschehen, und der Ol-
mützer Kabinctsplan (der wahrlich nicht Stations Kopfe entsprungen) triumphiren
sollte üoer die Einheitsbestrebungen Deutschlands, -- durch einen solchen Sieg
der rohen Gewalt über die Cultur, des Al'solntismns über die Freiheit, würden
die Sieger sich selbst am meisten brandmarken.

Mit dem Wirken des Grafen als Gouverneur von Galizien, beginnt die Un¬
glücksperiode seines Lebens. Seit jener Zeit schwankte und tappte er von einem
Irrthume und Mißgriffe zum andern. Seine Anhänger preisen den Muth und
die Geistesgegenwart, welche er zu verschiedenen Malen während der Unruhen in
Lemberg bewiesen haben soll. Ich will beides uicht in Abrede stellen; aber zu
einem Staatsmanne unserer Zeit gehören noch ganz andere Eigenschaften als Muth
und Geistesgegenwart, die man unter Kosaken und Sarcssanern auch findet.

Die Art und Weise, wie Stadion die N"he in Gallien herzustellen suchte,
war im Grunde nichts, als eine Fortsetzung des Metternich'schen Systems. Denn
wie Metternich die Einheit Oestreichs nur durch den Haß, die Eifersucht der Völ¬
kerschaften untereinander zu wahren wußte, so fand Stadion zur Beruhigung Ga-
liziens auch kein anderes Mittel, als durch die "Erfindung" der Rnthenen das
Land in zwei feindliche Heerlager zu scheiden. Was soll man aber von der staats¬
männischen Befähigung eines Mannes de>ekelt, der die Haupttriebfedern der Um¬
sturzgelüste in Oestreich noch künstlich vermehrt, blos um einem augenblicklichen
Bedrängniß abzuhelfen, ohne der traurigen Folgen zu gedenken, die daraus er¬
wachsen müssen. Um streng das gefährliche Experiment zu verauschaulichen, wei-


des Einen von der des Andern zu unterscheiden. Und wie Sprache und Hand¬
schrift, so wußte er auch alle übrigen Eigenthümlichkeiten seines Gebieters auss
Täuschendste nachzuahmen, was letztern natürlich ganz besonders schmeichelte, denn
ein eitler Mensch sieht sich gern im Spiegel, und Gras Stadion ist uicht ganz
ohne Eitelkeit.

Man behauptet, wirkliche Freundschaft sei dem Grafen von jeher fremd ge¬
wesen, und er Pflege die Menschen uur zu schätzen nach Maßgabe des Nutzens
oder Vergnügens, das sie ihm gewähren. Gewiß ist, daß er leine Ahnung von
dem hat, was man deutsches Gemüth nennt; ebenso fehlt ihm bei großer Hart¬
näckigkeit doch die Selbständigkeit des Charakters. Solchergestalt konnte sich
leicht ein seltsames Verhältniß zu Oettl entwickeln, wobei Stadion die Form, und
Oettl das Wesen der Herrschaft ausübt.

In neuester Zeit, wo die Stellung des Ministers eine schwierigere und be¬
denklichere geworden und sein und seines „Schatten" Verstand nicht mehr aus¬
reicht, haben sich andere Einflüsse bei ihm geltend zu machen gewußt — doch
darüber ruht noch ein Schleier, den ich nicht lüften darf. . .

Mit seiner Statthalterschaft im Küstenlande, dessen Bewohner ihn mit tief¬
gefühlten Bedauern scheiden sahen, endet anch der Ruhm, den Graf Stadion sich
im Staatsdienste erworben. Denn wenn das Unerhörte geschehen, und der Ol-
mützer Kabinctsplan (der wahrlich nicht Stations Kopfe entsprungen) triumphiren
sollte üoer die Einheitsbestrebungen Deutschlands, — durch einen solchen Sieg
der rohen Gewalt über die Cultur, des Al'solntismns über die Freiheit, würden
die Sieger sich selbst am meisten brandmarken.

Mit dem Wirken des Grafen als Gouverneur von Galizien, beginnt die Un¬
glücksperiode seines Lebens. Seit jener Zeit schwankte und tappte er von einem
Irrthume und Mißgriffe zum andern. Seine Anhänger preisen den Muth und
die Geistesgegenwart, welche er zu verschiedenen Malen während der Unruhen in
Lemberg bewiesen haben soll. Ich will beides uicht in Abrede stellen; aber zu
einem Staatsmanne unserer Zeit gehören noch ganz andere Eigenschaften als Muth
und Geistesgegenwart, die man unter Kosaken und Sarcssanern auch findet.

Die Art und Weise, wie Stadion die N»he in Gallien herzustellen suchte,
war im Grunde nichts, als eine Fortsetzung des Metternich'schen Systems. Denn
wie Metternich die Einheit Oestreichs nur durch den Haß, die Eifersucht der Völ¬
kerschaften untereinander zu wahren wußte, so fand Stadion zur Beruhigung Ga-
liziens auch kein anderes Mittel, als durch die „Erfindung" der Rnthenen das
Land in zwei feindliche Heerlager zu scheiden. Was soll man aber von der staats¬
männischen Befähigung eines Mannes de>ekelt, der die Haupttriebfedern der Um¬
sturzgelüste in Oestreich noch künstlich vermehrt, blos um einem augenblicklichen
Bedrängniß abzuhelfen, ohne der traurigen Folgen zu gedenken, die daraus er¬
wachsen müssen. Um streng das gefährliche Experiment zu verauschaulichen, wei-


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[0165] des Einen von der des Andern zu unterscheiden. Und wie Sprache und Hand¬ schrift, so wußte er auch alle übrigen Eigenthümlichkeiten seines Gebieters auss Täuschendste nachzuahmen, was letztern natürlich ganz besonders schmeichelte, denn ein eitler Mensch sieht sich gern im Spiegel, und Gras Stadion ist uicht ganz ohne Eitelkeit. Man behauptet, wirkliche Freundschaft sei dem Grafen von jeher fremd ge¬ wesen, und er Pflege die Menschen uur zu schätzen nach Maßgabe des Nutzens oder Vergnügens, das sie ihm gewähren. Gewiß ist, daß er leine Ahnung von dem hat, was man deutsches Gemüth nennt; ebenso fehlt ihm bei großer Hart¬ näckigkeit doch die Selbständigkeit des Charakters. Solchergestalt konnte sich leicht ein seltsames Verhältniß zu Oettl entwickeln, wobei Stadion die Form, und Oettl das Wesen der Herrschaft ausübt. In neuester Zeit, wo die Stellung des Ministers eine schwierigere und be¬ denklichere geworden und sein und seines „Schatten" Verstand nicht mehr aus¬ reicht, haben sich andere Einflüsse bei ihm geltend zu machen gewußt — doch darüber ruht noch ein Schleier, den ich nicht lüften darf. . . Mit seiner Statthalterschaft im Küstenlande, dessen Bewohner ihn mit tief¬ gefühlten Bedauern scheiden sahen, endet anch der Ruhm, den Graf Stadion sich im Staatsdienste erworben. Denn wenn das Unerhörte geschehen, und der Ol- mützer Kabinctsplan (der wahrlich nicht Stations Kopfe entsprungen) triumphiren sollte üoer die Einheitsbestrebungen Deutschlands, — durch einen solchen Sieg der rohen Gewalt über die Cultur, des Al'solntismns über die Freiheit, würden die Sieger sich selbst am meisten brandmarken. Mit dem Wirken des Grafen als Gouverneur von Galizien, beginnt die Un¬ glücksperiode seines Lebens. Seit jener Zeit schwankte und tappte er von einem Irrthume und Mißgriffe zum andern. Seine Anhänger preisen den Muth und die Geistesgegenwart, welche er zu verschiedenen Malen während der Unruhen in Lemberg bewiesen haben soll. Ich will beides uicht in Abrede stellen; aber zu einem Staatsmanne unserer Zeit gehören noch ganz andere Eigenschaften als Muth und Geistesgegenwart, die man unter Kosaken und Sarcssanern auch findet. Die Art und Weise, wie Stadion die N»he in Gallien herzustellen suchte, war im Grunde nichts, als eine Fortsetzung des Metternich'schen Systems. Denn wie Metternich die Einheit Oestreichs nur durch den Haß, die Eifersucht der Völ¬ kerschaften untereinander zu wahren wußte, so fand Stadion zur Beruhigung Ga- liziens auch kein anderes Mittel, als durch die „Erfindung" der Rnthenen das Land in zwei feindliche Heerlager zu scheiden. Was soll man aber von der staats¬ männischen Befähigung eines Mannes de>ekelt, der die Haupttriebfedern der Um¬ sturzgelüste in Oestreich noch künstlich vermehrt, blos um einem augenblicklichen Bedrängniß abzuhelfen, ohne der traurigen Folgen zu gedenken, die daraus er¬ wachsen müssen. Um streng das gefährliche Experiment zu verauschaulichen, wei-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/165>, abgerufen am 15.01.2025.