Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.Es leuchtet ein, daß von diesen Leuten, selbst bei dem Einschmuggeln der Worin bestand nun aber die Freisinnigkeit des Grafen Stadion, in deren Der gute Metternich machte dem Grafen Stadion zu wiederholten Malen Was Wunder, wenn nach solchen Vorgängen die Triestiner den Grafen In Triest lebt bekanntlich kein Adel, weil diese Kaste des Müssiggangs unter 21*
Es leuchtet ein, daß von diesen Leuten, selbst bei dem Einschmuggeln der Worin bestand nun aber die Freisinnigkeit des Grafen Stadion, in deren Der gute Metternich machte dem Grafen Stadion zu wiederholten Malen Was Wunder, wenn nach solchen Vorgängen die Triestiner den Grafen In Triest lebt bekanntlich kein Adel, weil diese Kaste des Müssiggangs unter 21*
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Es leuchtet ein, daß von diesen Leuten, selbst bei dem Einschmuggeln der
radikalsten Bücher und Ideen, keine Gefahr zu fürchten ist. Dazu kommt noch,
daß sich in Freihafen, wie Triest und Odessa, überhaupt keine so strenge Absper¬
rung bewerkstelligen läßt, wie in Binnenstädten. Denn jene reichen Handelshäuser,
welche in fortwährendem Verkehr mit der ganzen gebildeten Welt stehen, haben
tausend Mittel und Wege, sich das heimlich zu verschaffen, was ihnen offen ver¬
boten wird.
Worin bestand nun aber die Freisinnigkeit des Grafen Stadion, in deren
Folge er von den Triestiner Nabobs so hoch gepriesen wurde, daß sein Name
durch alle Zeitungen und Lande ging? Er erlaubte den guten Leuten, offen und
am hellen Tage im Lesesaal des Tergestenm „die Grenzboten" zu lesen, eine da¬
mals bekanntlich im ganzen Kaiserstaat stark verpönte Lectüre, daran sich die
Fortschrittsmänner von Wien und den übrigen k. k. Städten nur im verschlossenen
Kämmerlein und bei nächtlicher Lampe zu erquicken wagten.
Der gute Metternich machte dem Grafen Stadion zu wiederholten Malen
ernste Vorstellungen über die sündhafte Lectüre, ja er ließ sogar die Grenzboten
auch in Triest verbieten, aber Graf Stadion — der, zu seiner Ehre sei es ge¬
sagt, mit Metternich niemals befreundet war — wicdersetzte sich, und alle Nabobs
erhoben sich für ihn, und — die Grenzboten wurden fvrtgelesen! Ja, das Un¬
erhörte geschah: die Weserzeitung, welche selbst in Preußen verboten wurde, fand
ihren Weg ins Tergestenm von Triest!... Ein Banquier gab mir triumphirend
ein Exemplar davon zu lesen, als ich mich zu jener Zeit, zum Gebrauch der
Seebäder in Triest aufhielt.
Was Wunder, wenn nach solchen Vorgängen die Triestiner den Grafen
Stadion in den Himmel erhoben, wenn Stimmen in gewissen Zeitungen hoffnungs¬
voll ausriefen: „Was würde aus Oestreich werden, wenn dieser Mann an der
Spitze der Geschäfte stände!"
In Triest lebt bekanntlich kein Adel, weil diese Kaste des Müssiggangs unter
den geschäftigen Gcldmännern sich wenig heimisch sühlen würde. Eben so wenig
ist dort ein gedeihlicher Boden für Kunst, Literatur und Wissenschaft, deren Ver¬
treter dort etwa angesehen werben, wie bei uns Seiltänzer und Kunstreiter. Der
Werth des Menschen wird in Triest nur nach seinem Einkommen bestimmt.
Graf Stadion würde daher eine ganz isolirte Stellung eingenommen haben, wenn
er sich nicht in Verkehr mit den Geldnristokraten der Stadt gesetzt hätte. Dieser
Verkehr mußte um so lebhafter werden, je mehr der Graf, als unverheiratheter
Mann, gesellige Bedürfnisse fühlte. Und bekannt ist, daß die Geldaristvkraten,
besonders wenn ein „von" vor ihrem Namen steht, den Umgang mit einem hoch¬
geborenen Grafen wohl zu würdigen wissen. Die Triestiner machten keine Aus-
nahme von dieser Regel, und sie hatten um so weniger Ursache dazu, als ihnen
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