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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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ruchlosen Nonnen, welche Bertram aus der Hölle heraufbeschwört, um seinen
Sohn in das Netz des Bösen zu locken, sich erst als Irrwische darstellen, ehe sie
das berühmte Ballet tanzen. Die Bauern scheinen derselben Ansicht zu sein, denn
sie entfliehen, sich kreuzend, so schnell sie ihre Füße tragen wollen.

Und siehe da! quer durch die Lüfte schwebt ein liebenswürdiges Wesen, im
Balletcostüm mit ziemlich großen Schmetterlingsflügeln; sie schwebt auf und ab,
hernieder und herauf, steht bald auf einem Bein, bald auf deu Zehen; es hängen
einige Aepfel auf deu Sträuchen, sie schwingt sich auf einem Schwungbret so
lange, bis sie einen uach dem andern hascht. Darauf winkt sie mit ihrem Lilien¬
stengel, oder was sie sonst in der Hand hält, nud von alle" Seite" treten ühu-
liche Figuren aus dem Gebüsch, die in harmlosen Vergnügen mit einander allerlei
Tänze aufführen. Endlich tritt die erste -- muthmaßlich die Königin dieser bis
dahin immer noch zweideutigen Wesen -- an Gisela's Grab, wiegt den Zweig
hin und her, und siehe! Gisela selbst steigt aus dem Grabe auf, mit ein paar
Schmetterlingsflügeln am Nacken, die, sobald sie der Zauberstab berührt, mit
großer Lebhaftigkeit anfangen zu flattern. Was wir vor uns sehn, sind Wily's
d. h. Geister früh verstorbener Bräute, die in der Mitternachtstnnde auf dem
Kirchhof tanzen, wie Titania nud ihre Elfen. Es muß das dem Menschen nur
gesagt werde". Dem Anschein nach lieblich und ohne Bosheit, haben sie doch
einen kleinen Teufel in sich, das zeigt sich sogleich. Jener zweite, verschmähte
Liebhaber tritt ein, der seinen Nebenbuhler denuncirt und dadurch zuerst Veran¬
lassung zum Tode Gisela's gegeben hatte; sogleich umschwirren ihn die Wily's,
schlingen magische Kreise um seiue Füße nud schleppen ihn um das Theater herum;
jedesmal, so wie er am Grabe ankommt, hält ihm die Königin mit drohender
Gebärde ihren Scepter entgegen, bis er zuletzt darüber den Verstand verliert und
stirbt. Dann entfernen sich die Wilu's, und der Prinz, jetzt in Prinzcncostnm,
tanzt auf der Bühne, er will am Grabe seiner Geliebten weinen und tanzen.
Plötzlich lächelt ihm aus dem Gebüsch Gisela's freundlicher Kopf entgegen, dann
wieder von der andern Seite, rechts, links, oben, unten, sie ist überall. Zuerst
erstarrt und entsetzt, wird er bald vergnügt und tanzt mit ihr auf das Zierlichste,
wie er es gethan, als sie noch lebte. Alles würde ans das Trefflichste ablaufen,
da kommen die strenger gesinnten Wily's zurück und wollen nun mit dem Prinzen
dasselbe Experiment machen, das ihnen bei seinem Nebenbuhler auf eine so un¬
heimliche Weise gelungen ist. Aber die Liebe überwindet, selbst im Tode; Gise¬
la's mit Schmetterlingsflügeln ausgestatteter Geist stellt sich schützend vor den Ge¬
liebten, und als noch einiges Handgemenge entsteht, donnert die Glocke ein mäch¬
tiges Eins, die Wily's erblassen, sinken zusammen, und über den Kirchhof breitet
sich ""heimliche Stille aus. Auch Gisela's Geist stirbt zum zweiten Mal, in
Blumen wird sie gebettet, und noch lange zucken ihre Arme verlangend aus dem
Gesträuch hervor. Darauf kommt der legitime Schwiegervater mit seiner Tochter,


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ruchlosen Nonnen, welche Bertram aus der Hölle heraufbeschwört, um seinen
Sohn in das Netz des Bösen zu locken, sich erst als Irrwische darstellen, ehe sie
das berühmte Ballet tanzen. Die Bauern scheinen derselben Ansicht zu sein, denn
sie entfliehen, sich kreuzend, so schnell sie ihre Füße tragen wollen.

Und siehe da! quer durch die Lüfte schwebt ein liebenswürdiges Wesen, im
Balletcostüm mit ziemlich großen Schmetterlingsflügeln; sie schwebt auf und ab,
hernieder und herauf, steht bald auf einem Bein, bald auf deu Zehen; es hängen
einige Aepfel auf deu Sträuchen, sie schwingt sich auf einem Schwungbret so
lange, bis sie einen uach dem andern hascht. Darauf winkt sie mit ihrem Lilien¬
stengel, oder was sie sonst in der Hand hält, nud von alle» Seite» treten ühu-
liche Figuren aus dem Gebüsch, die in harmlosen Vergnügen mit einander allerlei
Tänze aufführen. Endlich tritt die erste — muthmaßlich die Königin dieser bis
dahin immer noch zweideutigen Wesen — an Gisela's Grab, wiegt den Zweig
hin und her, und siehe! Gisela selbst steigt aus dem Grabe auf, mit ein paar
Schmetterlingsflügeln am Nacken, die, sobald sie der Zauberstab berührt, mit
großer Lebhaftigkeit anfangen zu flattern. Was wir vor uns sehn, sind Wily's
d. h. Geister früh verstorbener Bräute, die in der Mitternachtstnnde auf dem
Kirchhof tanzen, wie Titania nud ihre Elfen. Es muß das dem Menschen nur
gesagt werde». Dem Anschein nach lieblich und ohne Bosheit, haben sie doch
einen kleinen Teufel in sich, das zeigt sich sogleich. Jener zweite, verschmähte
Liebhaber tritt ein, der seinen Nebenbuhler denuncirt und dadurch zuerst Veran¬
lassung zum Tode Gisela's gegeben hatte; sogleich umschwirren ihn die Wily's,
schlingen magische Kreise um seiue Füße nud schleppen ihn um das Theater herum;
jedesmal, so wie er am Grabe ankommt, hält ihm die Königin mit drohender
Gebärde ihren Scepter entgegen, bis er zuletzt darüber den Verstand verliert und
stirbt. Dann entfernen sich die Wilu's, und der Prinz, jetzt in Prinzcncostnm,
tanzt auf der Bühne, er will am Grabe seiner Geliebten weinen und tanzen.
Plötzlich lächelt ihm aus dem Gebüsch Gisela's freundlicher Kopf entgegen, dann
wieder von der andern Seite, rechts, links, oben, unten, sie ist überall. Zuerst
erstarrt und entsetzt, wird er bald vergnügt und tanzt mit ihr auf das Zierlichste,
wie er es gethan, als sie noch lebte. Alles würde ans das Trefflichste ablaufen,
da kommen die strenger gesinnten Wily's zurück und wollen nun mit dem Prinzen
dasselbe Experiment machen, das ihnen bei seinem Nebenbuhler auf eine so un¬
heimliche Weise gelungen ist. Aber die Liebe überwindet, selbst im Tode; Gise¬
la's mit Schmetterlingsflügeln ausgestatteter Geist stellt sich schützend vor den Ge¬
liebten, und als noch einiges Handgemenge entsteht, donnert die Glocke ein mäch¬
tiges Eins, die Wily's erblassen, sinken zusammen, und über den Kirchhof breitet
sich »»heimliche Stille aus. Auch Gisela's Geist stirbt zum zweiten Mal, in
Blumen wird sie gebettet, und noch lange zucken ihre Arme verlangend aus dem
Gesträuch hervor. Darauf kommt der legitime Schwiegervater mit seiner Tochter,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/155>, abgerufen am 15.01.2025.