Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.ein Localgemälde, wo der schlanke General mit der Lieutncmtsfigur und dem Bilder a n s H a n" b n r g. "Haben Sie schon die deutsche Flotte gesehen?" Diese Frage brachte mich
ein Localgemälde, wo der schlanke General mit der Lieutncmtsfigur und dem Bilder a n s H a n» b n r g. „Haben Sie schon die deutsche Flotte gesehen?" Diese Frage brachte mich
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0133" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278643"/> <p xml:id="ID_396" prev="#ID_395"> ein Localgemälde, wo der schlanke General mit der Lieutncmtsfigur und dem<lb/> eisgrauen Kopfe, der beste Reiter der Armee, mit seinem Pferde über die unru¬<lb/> higen Köpfe mit einem kühnen Satze hinwegspringt, als sie ihm nicht Platz machen<lb/> wollten. Damals wurde er, angeblich wegen zu scharfen Auftretens in dieser<lb/> Angelegenheit, nach Stettin versetzt.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Bilder a n s H a n» b n r g.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_397" next="#ID_398"> „Haben Sie schon die deutsche Flotte gesehen?" Diese Frage brachte mich<lb/> fast zur Verzweiflung, denn sie ging wie eine fixe Idee durch alle Gespräche meiner<lb/> Bekannten hindurch, die hierher kamen. Ich zuckte die Achseln, schüttelte mit dem<lb/> Kopfe, endlich wurde ich grob; auch das half nichts. Da faßte ich einen kühnen<lb/> Entschluß. Hat Columbus Amerika entdeckt, so wirst du auch die deutsche Flotte<lb/> auffinden können, so dachte ich bei mir selbst, und gerüstet, als wollte ich wie<lb/> Capitain Roß eine Südpolexpedition unternehmen, ging ich hinab zum Hafen,<lb/> und bestieg mit einem kräftigen Secmannsfluche die bereitstehende Jolle. Jedes<lb/> Schiff an dem ich vorbeifuhr, sah ich scharf darauf an, ob es nicht etwa die deutsche<lb/> Flotte wäre — vergebens. Endlich, endlich sah ich mit leibhaften Augen die<lb/> Kriegsflagge des Reichs deutscher Nation vor mir, schwarz-roth-gelb — mit dem<lb/> Reichsadler im gelben Felde; der Adler schwarz, mit roth angeschlagener Zunge,<lb/> Und überhaupt alles so bis auf das Haar, wie es die verfassunggebende National¬<lb/> versammlung in Frankfurt beschlossen. Die Flagge wehte so stattlich, der Adler<lb/> streckte so kriegerisch die Zunge heraus, ich freute mich doch herzlich in meinem<lb/> Gemüthe. Es steckt in diesen heraldischen Bestien ein gewisser nichtswürdiger<lb/> Zauber, sie machen Einem das Herz schneller schlage», die kleinen romantischen<lb/> Posse»! Von der Flagge schweiften meine Blicke sofort »ach dem Schiffe, daS<lb/> sann in Verbindung zu stehen schien. Sonderbar, murnielte ich leise — es laut<lb/> ^ sagen wagte ich nicht, Angesichts einer hcrvorglvtzeiidcn Kanone — die Flagge<lb/> ^ so neu, so groß, so regelrecht ausgeführt, und das Schiff so alt, so klein, so —.<lb/> wahrscheinlich hat man zuerst die Flagge angefertigt und hinterher zu derselben<lb/> ^» Schiff ausgesucht — und unwillkürlich fiel mir Blumauers travestirte Aeneide<lb/> ein:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_2" type="poem"> <l> Man ließ für hunderttausend Mann<lb/> Montirungsstücke schneidern,<lb/> Und warb darauf Soldaten an<lb/> Die paßten zu den Kleidern.</l> </lg> </quote><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0133]
ein Localgemälde, wo der schlanke General mit der Lieutncmtsfigur und dem
eisgrauen Kopfe, der beste Reiter der Armee, mit seinem Pferde über die unru¬
higen Köpfe mit einem kühnen Satze hinwegspringt, als sie ihm nicht Platz machen
wollten. Damals wurde er, angeblich wegen zu scharfen Auftretens in dieser
Angelegenheit, nach Stettin versetzt.
Bilder a n s H a n» b n r g.
„Haben Sie schon die deutsche Flotte gesehen?" Diese Frage brachte mich
fast zur Verzweiflung, denn sie ging wie eine fixe Idee durch alle Gespräche meiner
Bekannten hindurch, die hierher kamen. Ich zuckte die Achseln, schüttelte mit dem
Kopfe, endlich wurde ich grob; auch das half nichts. Da faßte ich einen kühnen
Entschluß. Hat Columbus Amerika entdeckt, so wirst du auch die deutsche Flotte
auffinden können, so dachte ich bei mir selbst, und gerüstet, als wollte ich wie
Capitain Roß eine Südpolexpedition unternehmen, ging ich hinab zum Hafen,
und bestieg mit einem kräftigen Secmannsfluche die bereitstehende Jolle. Jedes
Schiff an dem ich vorbeifuhr, sah ich scharf darauf an, ob es nicht etwa die deutsche
Flotte wäre — vergebens. Endlich, endlich sah ich mit leibhaften Augen die
Kriegsflagge des Reichs deutscher Nation vor mir, schwarz-roth-gelb — mit dem
Reichsadler im gelben Felde; der Adler schwarz, mit roth angeschlagener Zunge,
Und überhaupt alles so bis auf das Haar, wie es die verfassunggebende National¬
versammlung in Frankfurt beschlossen. Die Flagge wehte so stattlich, der Adler
streckte so kriegerisch die Zunge heraus, ich freute mich doch herzlich in meinem
Gemüthe. Es steckt in diesen heraldischen Bestien ein gewisser nichtswürdiger
Zauber, sie machen Einem das Herz schneller schlage», die kleinen romantischen
Posse»! Von der Flagge schweiften meine Blicke sofort »ach dem Schiffe, daS
sann in Verbindung zu stehen schien. Sonderbar, murnielte ich leise — es laut
^ sagen wagte ich nicht, Angesichts einer hcrvorglvtzeiidcn Kanone — die Flagge
^ so neu, so groß, so regelrecht ausgeführt, und das Schiff so alt, so klein, so —.
wahrscheinlich hat man zuerst die Flagge angefertigt und hinterher zu derselben
^» Schiff ausgesucht — und unwillkürlich fiel mir Blumauers travestirte Aeneide
ein:
Man ließ für hunderttausend Mann
Montirungsstücke schneidern,
Und warb darauf Soldaten an
Die paßten zu den Kleidern.
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