Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Rothen in der tiefsten Seele zuwider, aber sein Charakter war nach der Revolu-
tion derselbe geblieben. Er stieß nur deswegen jenen politischen Cancan mit dem
Fuße von sich, weil in demselben eben so gar kein Ansatzpunkt für seine gro߬
artigen Pläne lag, ohne zu bedenken, und darin liegt sein staatsmännischer Fehler,
daß eine solche Kraft benutzt werden mußte. Er dcsavonirte die Revolution, die
Barrikadenkämpfe, weil sie so gar nicht in sein Bild von einem großen in sich
geschlossenen, nach Außen mächtigen Deutschland hineinpaßten, und doch hätte er
nicht übersehen dürfen, daß bis zu dessen Verwirklichung noch viele Gassen gründ¬
lich gereinigt werden mußten, wenn nicht alsbald wieder der alte Schmutz sie ver¬
stopfen sollte., Die "Deutsche Zeitung" war nicht uur zu nobel, um selbst noch
zu fegen, nachdem der erste Koth weggeräumt war, sondern auch, um überhaupt
das schmutzige Handwerk von Andern betreiben zu lassen und sie traute zu viel
ohne allen Grund plötzlich den -- Fürsten. Daß eine derartige Disposition der¬
selben von den Diplomaten schlau benutzt wurde, ließ sich erwarten. Der ganze
alte Klunker der frühern Zeit hing sich ihr nach und nach an die Ferse, suchte
sich mit dem Handschuh ihres guten Namens die Kastanien aus dein Feuer zu
holen, und als sie diesen Pöbel mit der Aristokratie der Ehrlichkeit abschüttelte,
als Gervinus der Frankfurter Rechten eine bittere Wahrheit über die andere
sagte -- fiel sie ein Opfer der Intrigue. Ohne Wissen und Willen ihres Re¬
dacteur (!" et>"zf, der sich in Italien befand, verkaufte der Buchhändler Friedrich
Bassermann, ihr eben nicht sehr betriebsamer Verleger, ans Rücksicht für "die
leidenden Actionäre," die sich nie beschwert hatten, das Blatt an die Weidmänni¬
sche Buchhandlung. Ja, der Unterstaatssecretär vergaß sich so weit, an Gervinus
zu schreiben, "daß es ihn reue, jemals einen Kreuzer an die "Deutsche Zeitung"
X ... gesetzt zu haben."







Es wird gar nicht gehörig anerkannt, daß unsere alte Stadt zu den deut¬
schen Stadtschönhciten gehört wie Nürnberg, Danzig, Bern u. s. w. Unser Rath,
Haus ist der schönste geschnittene Stein germanischer Banart und die Steinrosen
an unsern Kirchen, die reich verzierten Giebel unsrer alten Häuser sind Reize,
die Physiognomie unsrer Stadt in den Augen aller poetischen Archäologen
""ziehend machen müssen. Ihren besten Moment für Maler bietet sie dar,
wenn die Spaziergänger heimkehren und auf dem Goldgrund des Abendhimmels
sich die Arabesken der Giebel in durchsichtigen Bogenwindungen abzeichnen, die


Rothen in der tiefsten Seele zuwider, aber sein Charakter war nach der Revolu-
tion derselbe geblieben. Er stieß nur deswegen jenen politischen Cancan mit dem
Fuße von sich, weil in demselben eben so gar kein Ansatzpunkt für seine gro߬
artigen Pläne lag, ohne zu bedenken, und darin liegt sein staatsmännischer Fehler,
daß eine solche Kraft benutzt werden mußte. Er dcsavonirte die Revolution, die
Barrikadenkämpfe, weil sie so gar nicht in sein Bild von einem großen in sich
geschlossenen, nach Außen mächtigen Deutschland hineinpaßten, und doch hätte er
nicht übersehen dürfen, daß bis zu dessen Verwirklichung noch viele Gassen gründ¬
lich gereinigt werden mußten, wenn nicht alsbald wieder der alte Schmutz sie ver¬
stopfen sollte., Die „Deutsche Zeitung" war nicht uur zu nobel, um selbst noch
zu fegen, nachdem der erste Koth weggeräumt war, sondern auch, um überhaupt
das schmutzige Handwerk von Andern betreiben zu lassen und sie traute zu viel
ohne allen Grund plötzlich den — Fürsten. Daß eine derartige Disposition der¬
selben von den Diplomaten schlau benutzt wurde, ließ sich erwarten. Der ganze
alte Klunker der frühern Zeit hing sich ihr nach und nach an die Ferse, suchte
sich mit dem Handschuh ihres guten Namens die Kastanien aus dein Feuer zu
holen, und als sie diesen Pöbel mit der Aristokratie der Ehrlichkeit abschüttelte,
als Gervinus der Frankfurter Rechten eine bittere Wahrheit über die andere
sagte — fiel sie ein Opfer der Intrigue. Ohne Wissen und Willen ihres Re¬
dacteur (!» et>«zf, der sich in Italien befand, verkaufte der Buchhändler Friedrich
Bassermann, ihr eben nicht sehr betriebsamer Verleger, ans Rücksicht für „die
leidenden Actionäre," die sich nie beschwert hatten, das Blatt an die Weidmänni¬
sche Buchhandlung. Ja, der Unterstaatssecretär vergaß sich so weit, an Gervinus
zu schreiben, „daß es ihn reue, jemals einen Kreuzer an die „Deutsche Zeitung"
X ... gesetzt zu haben."







Es wird gar nicht gehörig anerkannt, daß unsere alte Stadt zu den deut¬
schen Stadtschönhciten gehört wie Nürnberg, Danzig, Bern u. s. w. Unser Rath,
Haus ist der schönste geschnittene Stein germanischer Banart und die Steinrosen
an unsern Kirchen, die reich verzierten Giebel unsrer alten Häuser sind Reize,
die Physiognomie unsrer Stadt in den Augen aller poetischen Archäologen
""ziehend machen müssen. Ihren besten Moment für Maler bietet sie dar,
wenn die Spaziergänger heimkehren und auf dem Goldgrund des Abendhimmels
sich die Arabesken der Giebel in durchsichtigen Bogenwindungen abzeichnen, die


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0127" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278637"/>
            <p xml:id="ID_388" prev="#ID_387"> Rothen in der tiefsten Seele zuwider, aber sein Charakter war nach der Revolu-<lb/>
tion derselbe geblieben. Er stieß nur deswegen jenen politischen Cancan mit dem<lb/>
Fuße von sich, weil in demselben eben so gar kein Ansatzpunkt für seine gro߬<lb/>
artigen Pläne lag, ohne zu bedenken, und darin liegt sein staatsmännischer Fehler,<lb/>
daß eine solche Kraft benutzt werden mußte. Er dcsavonirte die Revolution, die<lb/>
Barrikadenkämpfe, weil sie so gar nicht in sein Bild von einem großen in sich<lb/>
geschlossenen, nach Außen mächtigen Deutschland hineinpaßten, und doch hätte er<lb/>
nicht übersehen dürfen, daß bis zu dessen Verwirklichung noch viele Gassen gründ¬<lb/>
lich gereinigt werden mußten, wenn nicht alsbald wieder der alte Schmutz sie ver¬<lb/>
stopfen sollte., Die &#x201E;Deutsche Zeitung" war nicht uur zu nobel, um selbst noch<lb/>
zu fegen, nachdem der erste Koth weggeräumt war, sondern auch, um überhaupt<lb/>
das schmutzige Handwerk von Andern betreiben zu lassen und sie traute zu viel<lb/>
ohne allen Grund plötzlich den &#x2014; Fürsten. Daß eine derartige Disposition der¬<lb/>
selben von den Diplomaten schlau benutzt wurde, ließ sich erwarten. Der ganze<lb/>
alte Klunker der frühern Zeit hing sich ihr nach und nach an die Ferse, suchte<lb/>
sich mit dem Handschuh ihres guten Namens die Kastanien aus dein Feuer zu<lb/>
holen, und als sie diesen Pöbel mit der Aristokratie der Ehrlichkeit abschüttelte,<lb/>
als Gervinus der Frankfurter Rechten eine bittere Wahrheit über die andere<lb/>
sagte &#x2014; fiel sie ein Opfer der Intrigue. Ohne Wissen und Willen ihres Re¬<lb/>
dacteur (!» et&gt;«zf, der sich in Italien befand, verkaufte der Buchhändler Friedrich<lb/>
Bassermann, ihr eben nicht sehr betriebsamer Verleger, ans Rücksicht für &#x201E;die<lb/>
leidenden Actionäre," die sich nie beschwert hatten, das Blatt an die Weidmänni¬<lb/>
sche Buchhandlung. Ja, der Unterstaatssecretär vergaß sich so weit, an Gervinus<lb/>
zu schreiben, &#x201E;daß es ihn reue, jemals einen Kreuzer an die &#x201E;Deutsche Zeitung"<lb/><note type="byline"> X ...</note> gesetzt zu haben." </p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> </head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p xml:id="ID_389" next="#ID_390"> Es wird gar nicht gehörig anerkannt, daß unsere alte Stadt zu den deut¬<lb/>
schen Stadtschönhciten gehört wie Nürnberg, Danzig, Bern u. s. w. Unser Rath,<lb/>
Haus ist der schönste geschnittene Stein germanischer Banart und die Steinrosen<lb/>
an unsern Kirchen, die reich verzierten Giebel unsrer alten Häuser sind Reize,<lb/>
die Physiognomie unsrer Stadt in den Augen aller poetischen Archäologen<lb/>
""ziehend machen müssen. Ihren besten Moment für Maler bietet sie dar,<lb/>
wenn die Spaziergänger heimkehren und auf dem Goldgrund des Abendhimmels<lb/>
sich die Arabesken der Giebel in durchsichtigen Bogenwindungen abzeichnen, die</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0127] Rothen in der tiefsten Seele zuwider, aber sein Charakter war nach der Revolu- tion derselbe geblieben. Er stieß nur deswegen jenen politischen Cancan mit dem Fuße von sich, weil in demselben eben so gar kein Ansatzpunkt für seine gro߬ artigen Pläne lag, ohne zu bedenken, und darin liegt sein staatsmännischer Fehler, daß eine solche Kraft benutzt werden mußte. Er dcsavonirte die Revolution, die Barrikadenkämpfe, weil sie so gar nicht in sein Bild von einem großen in sich geschlossenen, nach Außen mächtigen Deutschland hineinpaßten, und doch hätte er nicht übersehen dürfen, daß bis zu dessen Verwirklichung noch viele Gassen gründ¬ lich gereinigt werden mußten, wenn nicht alsbald wieder der alte Schmutz sie ver¬ stopfen sollte., Die „Deutsche Zeitung" war nicht uur zu nobel, um selbst noch zu fegen, nachdem der erste Koth weggeräumt war, sondern auch, um überhaupt das schmutzige Handwerk von Andern betreiben zu lassen und sie traute zu viel ohne allen Grund plötzlich den — Fürsten. Daß eine derartige Disposition der¬ selben von den Diplomaten schlau benutzt wurde, ließ sich erwarten. Der ganze alte Klunker der frühern Zeit hing sich ihr nach und nach an die Ferse, suchte sich mit dem Handschuh ihres guten Namens die Kastanien aus dein Feuer zu holen, und als sie diesen Pöbel mit der Aristokratie der Ehrlichkeit abschüttelte, als Gervinus der Frankfurter Rechten eine bittere Wahrheit über die andere sagte — fiel sie ein Opfer der Intrigue. Ohne Wissen und Willen ihres Re¬ dacteur (!» et>«zf, der sich in Italien befand, verkaufte der Buchhändler Friedrich Bassermann, ihr eben nicht sehr betriebsamer Verleger, ans Rücksicht für „die leidenden Actionäre," die sich nie beschwert hatten, das Blatt an die Weidmänni¬ sche Buchhandlung. Ja, der Unterstaatssecretär vergaß sich so weit, an Gervinus zu schreiben, „daß es ihn reue, jemals einen Kreuzer an die „Deutsche Zeitung" X ... gesetzt zu haben." Es wird gar nicht gehörig anerkannt, daß unsere alte Stadt zu den deut¬ schen Stadtschönhciten gehört wie Nürnberg, Danzig, Bern u. s. w. Unser Rath, Haus ist der schönste geschnittene Stein germanischer Banart und die Steinrosen an unsern Kirchen, die reich verzierten Giebel unsrer alten Häuser sind Reize, die Physiognomie unsrer Stadt in den Augen aller poetischen Archäologen ""ziehend machen müssen. Ihren besten Moment für Maler bietet sie dar, wenn die Spaziergänger heimkehren und auf dem Goldgrund des Abendhimmels sich die Arabesken der Giebel in durchsichtigen Bogenwindungen abzeichnen, die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/127
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/127>, abgerufen am 15.01.2025.