Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.deutschen Literatur geschrieben, hat in seinem einfachen, mir dnrch den bekannten Ob jedoch Gervinus, nachdem seine Pläne für Deutschlands Neugestaltung Aber noch eine zweite Persönlichkeit muß hier berührt werden, welche in je¬ deutschen Literatur geschrieben, hat in seinem einfachen, mir dnrch den bekannten Ob jedoch Gervinus, nachdem seine Pläne für Deutschlands Neugestaltung Aber noch eine zweite Persönlichkeit muß hier berührt werden, welche in je¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0124" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278634"/> <p xml:id="ID_380" prev="#ID_379"> deutschen Literatur geschrieben, hat in seinem einfachen, mir dnrch den bekannten<lb/> wunderschönen Blick in das Neckarthal ausgezeichneten Zimmer keinen Bücherschrank,<lb/> ja im eigentlichen Sinne des Wortes kein Buch, geschweige einen Folianten um<lb/> sich her, jener „Apparat" ist bei ihm nirgends zu entdecken. In solchen großen<lb/> lustigen Räumen kann keine staubige „Schreiberseele" wohnen, von welcher der<lb/> berühmte Rheincorrcspondcnt der Frankfurter „Deutschen Zeitung" spricht; kehrt<lb/> auch Deutschlands alte staubige Zeit zurück, und wühlen unsere Gelehrten wieder<lb/> mit Wollust in Sanscrit und Keilschrift umher — hier kehrt keine Schreiberseele ein.</p><lb/> <p xml:id="ID_381"> Ob jedoch Gervinus, nachdem seine Pläne für Deutschlands Neugestaltung<lb/> gescheitert siud, festhalten wird an der deutsche» Sache, ist eine Frage, die sich<lb/> nicht so schnell mit ja! beantworten läßt. Seine jetzige politische Periode ist wie<lb/> seine literaturhistorische, ein Stufengang seiner eigenen inneren Vollendung. Auf<lb/> seinem Wege zum Ziele, dem harmonischen höchsten Ausbau seines Selbst, mußte<lb/> er, nachdem er die critische ästhetische Zeit des deutschen Bildungsganges in sich<lb/> mit seinem großen Werke beantwortet hatte, auch seinerseits auf die Staatsfragen<lb/> hingewiesen werden, sobald sich die Ansätze zu einer besseren Gestaltung unseres<lb/> öffentlichen Lebens nachhaltig wieder zu zeigen begannen. Sein unmittelbares<lb/> Eingreifen in dieselben ist nichts als ein Act der Reflexion, daß der Mann sei¬<lb/> nem Vaterlande nicht fehlen dürfe, selbstbewußt ausgesprochen in dem Programme<lb/> der „Deutschen Zeitung." Persönlichen staatsmännischen Ehrgeiz darf man nicht<lb/> dahinter suchen; pro virili zmitv wollte er wirken; in der richtigen Abschätzung<lb/> seiner Kräfte würde er aber eben so gewiß ein Rcichspvrtefeuille abgelehnt ha¬<lb/> ben, wie er sich weigerte, Gagerns Nachfolger in Darmstadt zu werden. Ob<lb/> Gervinus fortan sich noch die Mühe geben wird, am Stein des Sisyphus zu<lb/> wälzen.....der oben erwähnte Nheincorrcspondent, - sein jetziges Journa¬<lb/> listenzeichen — meinte zwar vorigen Winter einmal, daß dein Allscheine nach uur<lb/> eine Republik die Hindernisse der deutschen Einheit beseitigen könne; aber Gervi¬<lb/> nus als praktischer Republikaner, Wühler von Profession auf Volksversammlungen<lb/> und Wahlbesprechnngen! Das so eben in ziemlich unausgefüllten Kvntvuren um-<lb/> rissene Charakterbild von Gervinus ist zum innern Verständniß der zwei ersten<lb/> Jahrgänge der „Deutschen Zeitung" durchaus nöthig. Ob dasselbe überall ähn¬<lb/> lich ist, kann nur von den nächsten Freunden des Betheiligten entschieden werden;<lb/> dem ferner Stehenden ist nach und nach dieser Eindruck aus einem leidenschaftlichen<lb/> Hasse erwachsen, den zuerst die hohe, vornehm ruhige abgeschlossene Natur in ihm<lb/> hervorgerufen hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_382" next="#ID_383"> Aber noch eine zweite Persönlichkeit muß hier berührt werden, welche in je¬<lb/> nes Blatt auch einen Theil ihrer Wesenheit abgelagert hat. Während Höslen,<lb/> Mathy und hie und da auch Mittermayer an der Zeitung gleich jedem an¬<lb/> dern Korrespondenten arbeiteten, erhielt sie nämlich durch Hauffer eine zweite<lb/> scharf ausgeprägte Richtung, gleichsam die Ergänzung der Gervinus'schen Jndi-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0124]
deutschen Literatur geschrieben, hat in seinem einfachen, mir dnrch den bekannten
wunderschönen Blick in das Neckarthal ausgezeichneten Zimmer keinen Bücherschrank,
ja im eigentlichen Sinne des Wortes kein Buch, geschweige einen Folianten um
sich her, jener „Apparat" ist bei ihm nirgends zu entdecken. In solchen großen
lustigen Räumen kann keine staubige „Schreiberseele" wohnen, von welcher der
berühmte Rheincorrcspondcnt der Frankfurter „Deutschen Zeitung" spricht; kehrt
auch Deutschlands alte staubige Zeit zurück, und wühlen unsere Gelehrten wieder
mit Wollust in Sanscrit und Keilschrift umher — hier kehrt keine Schreiberseele ein.
Ob jedoch Gervinus, nachdem seine Pläne für Deutschlands Neugestaltung
gescheitert siud, festhalten wird an der deutsche» Sache, ist eine Frage, die sich
nicht so schnell mit ja! beantworten läßt. Seine jetzige politische Periode ist wie
seine literaturhistorische, ein Stufengang seiner eigenen inneren Vollendung. Auf
seinem Wege zum Ziele, dem harmonischen höchsten Ausbau seines Selbst, mußte
er, nachdem er die critische ästhetische Zeit des deutschen Bildungsganges in sich
mit seinem großen Werke beantwortet hatte, auch seinerseits auf die Staatsfragen
hingewiesen werden, sobald sich die Ansätze zu einer besseren Gestaltung unseres
öffentlichen Lebens nachhaltig wieder zu zeigen begannen. Sein unmittelbares
Eingreifen in dieselben ist nichts als ein Act der Reflexion, daß der Mann sei¬
nem Vaterlande nicht fehlen dürfe, selbstbewußt ausgesprochen in dem Programme
der „Deutschen Zeitung." Persönlichen staatsmännischen Ehrgeiz darf man nicht
dahinter suchen; pro virili zmitv wollte er wirken; in der richtigen Abschätzung
seiner Kräfte würde er aber eben so gewiß ein Rcichspvrtefeuille abgelehnt ha¬
ben, wie er sich weigerte, Gagerns Nachfolger in Darmstadt zu werden. Ob
Gervinus fortan sich noch die Mühe geben wird, am Stein des Sisyphus zu
wälzen.....der oben erwähnte Nheincorrcspondent, - sein jetziges Journa¬
listenzeichen — meinte zwar vorigen Winter einmal, daß dein Allscheine nach uur
eine Republik die Hindernisse der deutschen Einheit beseitigen könne; aber Gervi¬
nus als praktischer Republikaner, Wühler von Profession auf Volksversammlungen
und Wahlbesprechnngen! Das so eben in ziemlich unausgefüllten Kvntvuren um-
rissene Charakterbild von Gervinus ist zum innern Verständniß der zwei ersten
Jahrgänge der „Deutschen Zeitung" durchaus nöthig. Ob dasselbe überall ähn¬
lich ist, kann nur von den nächsten Freunden des Betheiligten entschieden werden;
dem ferner Stehenden ist nach und nach dieser Eindruck aus einem leidenschaftlichen
Hasse erwachsen, den zuerst die hohe, vornehm ruhige abgeschlossene Natur in ihm
hervorgerufen hatte.
Aber noch eine zweite Persönlichkeit muß hier berührt werden, welche in je¬
nes Blatt auch einen Theil ihrer Wesenheit abgelagert hat. Während Höslen,
Mathy und hie und da auch Mittermayer an der Zeitung gleich jedem an¬
dern Korrespondenten arbeiteten, erhielt sie nämlich durch Hauffer eine zweite
scharf ausgeprägte Richtung, gleichsam die Ergänzung der Gervinus'schen Jndi-
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