Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.der Gerechten mit dem Bewußtsein, daß man-den Tag nicht verloren hat. -- Der leiseste Versuch der anständigerm Blätter in irgend einer untergeordne¬ der Gerechten mit dem Bewußtsein, daß man-den Tag nicht verloren hat. — Der leiseste Versuch der anständigerm Blätter in irgend einer untergeordne¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0114" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278624"/> <p xml:id="ID_350" prev="#ID_349"> der Gerechten mit dem Bewußtsein, daß man-den Tag nicht verloren hat. —<lb/> Sie glauben, ich übertreibe? Ach nein, es ist bittrer Ernst; die Leute, die<lb/> ein vernünftiges, liberales Oestreich wollen, sind jetzt mehr terrorisirt, als sie es<lb/> jemals in den Octobertagcn waren; wenn Sie die Wiener offiziellen Blätter, von<lb/> denen man doch mindestens eine gewisse verständige Sophistik verlangen könnte,<lb/> lesen, so werden Sie eine schwache Ahnung von der bestialischer Rohheit habe»,<lb/> die gegenwärtig hier das große Wort sührt. Ein Beispiel von vielen möge ge¬<lb/> nügen; ein hiesiges Blatt, ich glaube, es war die Ostdeutsche Post, hatte leise<lb/> anzudeuten gewagt, daß jetzt die Zeit der Versöhnung gekommen sein dürste; kaum<lb/> hört dies der Lloyd oder vielmehr dessen gegenwärtiger factischer Redacteur, War¬<lb/> rens, ein Abenteurer, dessen groteske Sprünge und Grimassen ungemein belusti¬<lb/> gend wären, wenn er der Hanswurst und nicht die rechte Hand des Ministeriums<lb/> wäre, so stürzt er wüthend daraus los, diese blutgierigen, wüthenden Radi¬<lb/> kalen; sie wagen sogar Versöhnung,,zu predigen! den Ultraschaudblättern wie<lb/> Geißel u. s. w. die Sie wohl schwerlich zu Gesichte bekamen, ist das aber noch<lb/> gar nicht stark genug und sie klagen hänfig genng den Lloyd und die Wiener<lb/> Zeitung eiuer verdächtigen Hinneigung zu subversive» Tendenzen an!</p><lb/> <p xml:id="ID_351" next="#ID_352"> Der leiseste Versuch der anständigerm Blätter in irgend einer untergeordne¬<lb/> ten Frage eine schüchterne Opposition zu machen, ruft in diesen Kreisen natürlich<lb/> sogleich eine sehr entrüstete Anfrage an Gott, ob er keine rächenden Bu^e, und eine<lb/> sehr ehrfurchtsvolle an Melden, ob er keine Polizeidiener und Soldaten habe, her¬<lb/> vor. Sie können sich denken, daß die letztere Anfrage in der Regel mehr Erfolg<lb/> hat; es ist ein tragikomischer Anblick, den Leiden der armen Redacteure zuzusehen,<lb/> die aber neun Zehntel der Tagesereignisse gar nicht besprechen dürfen und es bei<lb/> dem zehnten Zehntel nnr auf die Gefahr hin thun können, ihr Blatt confiscire<lb/> zu sehen und selber eingesteckt zu werde»; Saphir bemerkte neulich sehr treffend,<lb/> als de» Exminister von Schwarzer, den Redacteur der Allgemeinen Östreichischen<lb/> Zeitung dies Schicksal wegen eines Artikels traf, der die Ueberschrift führte:<lb/> „Der Wahrheit eine Gasse" es müsse jetzt nicht mehr heißen „der Wahrheit eine<lb/> Gasse" sondern „Der Wahrheit ein Loch." Glauben Sie z. B., daß irgend<lb/> ein hiesiges Blatt es sich erlauben durste, die Erklärung, die von Goldmark in<lb/> den Grenzboten (wenn ich nicht irre, auch in andern Journalen?) abgegeben wurde,<lb/> so ruhig und gemäßigt sie auch gehalten war, z» veröffentlichen. Eine Haussu-<lb/> chung zur Ermittlung einer Konspiration, die Europa in Brand stecken will, wäre<lb/> wahrscheinlich die nächste, aber nicht die unangenehmste Folge davon. Daß nebst<lb/> einigen andern Blättern anch die Grenzboten neuerdings mit dem Interdict belegt<lb/> worden sind, wenigstens „auf hiesigem Platze" wie sich die Wiener Zeitung in<lb/> solchen Fällen auszudrücken pflegt, wissen Sie wohl schon; die Bücherballen wer¬<lb/> den zufolge neuster hoher Verordnung immer erst von einem bewaffneten Polizei-<lb/> beamten geprüft, der alles Anstößige daraus entfernt; eine traditionelle Vorliebe</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0114]
der Gerechten mit dem Bewußtsein, daß man-den Tag nicht verloren hat. —
Sie glauben, ich übertreibe? Ach nein, es ist bittrer Ernst; die Leute, die
ein vernünftiges, liberales Oestreich wollen, sind jetzt mehr terrorisirt, als sie es
jemals in den Octobertagcn waren; wenn Sie die Wiener offiziellen Blätter, von
denen man doch mindestens eine gewisse verständige Sophistik verlangen könnte,
lesen, so werden Sie eine schwache Ahnung von der bestialischer Rohheit habe»,
die gegenwärtig hier das große Wort sührt. Ein Beispiel von vielen möge ge¬
nügen; ein hiesiges Blatt, ich glaube, es war die Ostdeutsche Post, hatte leise
anzudeuten gewagt, daß jetzt die Zeit der Versöhnung gekommen sein dürste; kaum
hört dies der Lloyd oder vielmehr dessen gegenwärtiger factischer Redacteur, War¬
rens, ein Abenteurer, dessen groteske Sprünge und Grimassen ungemein belusti¬
gend wären, wenn er der Hanswurst und nicht die rechte Hand des Ministeriums
wäre, so stürzt er wüthend daraus los, diese blutgierigen, wüthenden Radi¬
kalen; sie wagen sogar Versöhnung,,zu predigen! den Ultraschaudblättern wie
Geißel u. s. w. die Sie wohl schwerlich zu Gesichte bekamen, ist das aber noch
gar nicht stark genug und sie klagen hänfig genng den Lloyd und die Wiener
Zeitung eiuer verdächtigen Hinneigung zu subversive» Tendenzen an!
Der leiseste Versuch der anständigerm Blätter in irgend einer untergeordne¬
ten Frage eine schüchterne Opposition zu machen, ruft in diesen Kreisen natürlich
sogleich eine sehr entrüstete Anfrage an Gott, ob er keine rächenden Bu^e, und eine
sehr ehrfurchtsvolle an Melden, ob er keine Polizeidiener und Soldaten habe, her¬
vor. Sie können sich denken, daß die letztere Anfrage in der Regel mehr Erfolg
hat; es ist ein tragikomischer Anblick, den Leiden der armen Redacteure zuzusehen,
die aber neun Zehntel der Tagesereignisse gar nicht besprechen dürfen und es bei
dem zehnten Zehntel nnr auf die Gefahr hin thun können, ihr Blatt confiscire
zu sehen und selber eingesteckt zu werde»; Saphir bemerkte neulich sehr treffend,
als de» Exminister von Schwarzer, den Redacteur der Allgemeinen Östreichischen
Zeitung dies Schicksal wegen eines Artikels traf, der die Ueberschrift führte:
„Der Wahrheit eine Gasse" es müsse jetzt nicht mehr heißen „der Wahrheit eine
Gasse" sondern „Der Wahrheit ein Loch." Glauben Sie z. B., daß irgend
ein hiesiges Blatt es sich erlauben durste, die Erklärung, die von Goldmark in
den Grenzboten (wenn ich nicht irre, auch in andern Journalen?) abgegeben wurde,
so ruhig und gemäßigt sie auch gehalten war, z» veröffentlichen. Eine Haussu-
chung zur Ermittlung einer Konspiration, die Europa in Brand stecken will, wäre
wahrscheinlich die nächste, aber nicht die unangenehmste Folge davon. Daß nebst
einigen andern Blättern anch die Grenzboten neuerdings mit dem Interdict belegt
worden sind, wenigstens „auf hiesigem Platze" wie sich die Wiener Zeitung in
solchen Fällen auszudrücken pflegt, wissen Sie wohl schon; die Bücherballen wer¬
den zufolge neuster hoher Verordnung immer erst von einem bewaffneten Polizei-
beamten geprüft, der alles Anstößige daraus entfernt; eine traditionelle Vorliebe
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