Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.vorigen Jahr außer einigen vertrockneten Lorbeerreisern uns Deutschen wenig mehr Es wäre sehr undeutsch, wenn wir an diesen Glücksfall nicht einige philoso¬ 14*
vorigen Jahr außer einigen vertrockneten Lorbeerreisern uns Deutschen wenig mehr Es wäre sehr undeutsch, wenn wir an diesen Glücksfall nicht einige philoso¬ 14*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0111" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278621"/> <p xml:id="ID_344" prev="#ID_343"> vorigen Jahr außer einigen vertrockneten Lorbeerreisern uns Deutschen wenig mehr<lb/> als Aerger und Scham gebracht.</p><lb/> <p xml:id="ID_345" next="#ID_346"> Es wäre sehr undeutsch, wenn wir an diesen Glücksfall nicht einige philoso¬<lb/> phische Betrachtungen knüpfen wollten. Vorläufig nur zwei. Die erste betrifft<lb/> den. dänischen Krieg überhaupt. Er ist ein echtes Kind der Revolution von 1848,<lb/> den Kabinetten und Ruheliebenden lästig, den Soldaten und der Masse des Volks<lb/> ein ehrenvoller, patriotischer Kampf. Wie auch der Nechtspnnkt desselben schwe¬<lb/> ben möge, es kommt jetzt gar nicht mehr darauf an. DaS Schwer ist aus der<lb/> Scheide geflogen, unsere Brüder stehen im feindlichen Feuer, ein Schelm, wer<lb/> jetzt noch daran nackete und seine Hand feige vom Kampfe zurückzieht. Möglich,<lb/> daß er ungelegen kam, sehr wahrscheinlich, daß er uns mehr Opfer kostet, als<lb/> dänische Kugeln sich holen können, das Alles darf jetzt nicht mehr bedacht werden.<lb/> Die deutsche Ehre steht auf dem Spiel, er ist das letzte Terrain, auf welchem<lb/> der Idealismus unserer Nation sich behauptet, wir sind uns selbst schuldig ihn<lb/> wacker durchzuführen, ehrenvoll zu beenden. Fluch dem Feigen, welcher uns dnrch<lb/> einen schlechten Frieden des letzten Gebiet unseres Selbstgefühls nehmen wollte.<lb/> Wohl wissen wir, daß unsere Regierungen zum Theil schon so weit gekommen<lb/> sind, in dein Auflehnen der Schleswig-Hvlsteiner nur eine Empörung meuterischer<lb/> Unterthanen zu sehn; wir werden den Kampf trotzdem für einen nationalen halten<lb/> und im schlimmsten Fall uns erinnern, daß wir die Macht haben, die Regierun¬<lb/> gen in unsere Ueberzeugungen zu zwingen. National aber ist der Kampf nicht<lb/> deswegen, weil wir ein altes verbrieftes Necht deutscher Brüder vertreten, denn<lb/> es wäre möglich, daß dies alte Necht ein Unrecht gegen neue Staatenbildung<lb/> wäre; auch nicht, allein deshalb, weil der Enthusiasmus des Volkes daran hängt,<lb/> unsere Flvttcntränme, unsere Vereiuiguugswünsche; sondern deshalb, weil mir<lb/> Dänemarks gegenwärtige Stellung zu Deutschland nicht mehr ertragen können.<lb/> Wir müssen eine Ablösung des Sundzolls durchsetzen, wir dürfen keine undeutsche<lb/> Politik über unsere Nordküsten regieren lassen. Als Friedrich der Große Schle¬<lb/> sien eroberte, frug er den Teufel nach dem Nechtspnnkt, sein Rechtsboden war<lb/> schlecht und doch war sein Necht gut; er brauchte Schlesien, um ein Preußen zu<lb/> schaffen. Jetzt ist die Zeit der KönigSerobernngen vorüber, die Regenten sind<lb/> conservativ geworden, weil sie ihren Rechtsgrund gegen die übermüthigen Wo¬<lb/> gen der Revolution zu vertheidigen haben; die schaffende Kraft lebt jetzt in den<lb/> Völkern, und wo sie zwcckvoll und tüchtig sich kundgibt, soll man ihr dienen.<lb/> Wohl, dieser Krieg hat ein verständiges Ziel, er kann nützlich werden für unsre<lb/> Entwicklung und deshalb sollen wir an ihm hängen. Und noch aus einem an¬<lb/> dern Grunde. Die Unfähigkeit des preußischen Cabinets hat die Concentration<lb/> Deutschlands in klägliche Frage gestellt; die Souveräne mit ihren desparaten Wün¬<lb/> schen und Launen sind dnrch seine Erklärung und die politische Unreife ihrer respec-<lb/> tiven Kammern wieder privilegirt, Alles was wir seit einem Jahr mit Geld,</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 14*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0111]
vorigen Jahr außer einigen vertrockneten Lorbeerreisern uns Deutschen wenig mehr
als Aerger und Scham gebracht.
Es wäre sehr undeutsch, wenn wir an diesen Glücksfall nicht einige philoso¬
phische Betrachtungen knüpfen wollten. Vorläufig nur zwei. Die erste betrifft
den. dänischen Krieg überhaupt. Er ist ein echtes Kind der Revolution von 1848,
den Kabinetten und Ruheliebenden lästig, den Soldaten und der Masse des Volks
ein ehrenvoller, patriotischer Kampf. Wie auch der Nechtspnnkt desselben schwe¬
ben möge, es kommt jetzt gar nicht mehr darauf an. DaS Schwer ist aus der
Scheide geflogen, unsere Brüder stehen im feindlichen Feuer, ein Schelm, wer
jetzt noch daran nackete und seine Hand feige vom Kampfe zurückzieht. Möglich,
daß er ungelegen kam, sehr wahrscheinlich, daß er uns mehr Opfer kostet, als
dänische Kugeln sich holen können, das Alles darf jetzt nicht mehr bedacht werden.
Die deutsche Ehre steht auf dem Spiel, er ist das letzte Terrain, auf welchem
der Idealismus unserer Nation sich behauptet, wir sind uns selbst schuldig ihn
wacker durchzuführen, ehrenvoll zu beenden. Fluch dem Feigen, welcher uns dnrch
einen schlechten Frieden des letzten Gebiet unseres Selbstgefühls nehmen wollte.
Wohl wissen wir, daß unsere Regierungen zum Theil schon so weit gekommen
sind, in dein Auflehnen der Schleswig-Hvlsteiner nur eine Empörung meuterischer
Unterthanen zu sehn; wir werden den Kampf trotzdem für einen nationalen halten
und im schlimmsten Fall uns erinnern, daß wir die Macht haben, die Regierun¬
gen in unsere Ueberzeugungen zu zwingen. National aber ist der Kampf nicht
deswegen, weil wir ein altes verbrieftes Necht deutscher Brüder vertreten, denn
es wäre möglich, daß dies alte Necht ein Unrecht gegen neue Staatenbildung
wäre; auch nicht, allein deshalb, weil der Enthusiasmus des Volkes daran hängt,
unsere Flvttcntränme, unsere Vereiuiguugswünsche; sondern deshalb, weil mir
Dänemarks gegenwärtige Stellung zu Deutschland nicht mehr ertragen können.
Wir müssen eine Ablösung des Sundzolls durchsetzen, wir dürfen keine undeutsche
Politik über unsere Nordküsten regieren lassen. Als Friedrich der Große Schle¬
sien eroberte, frug er den Teufel nach dem Nechtspnnkt, sein Rechtsboden war
schlecht und doch war sein Necht gut; er brauchte Schlesien, um ein Preußen zu
schaffen. Jetzt ist die Zeit der KönigSerobernngen vorüber, die Regenten sind
conservativ geworden, weil sie ihren Rechtsgrund gegen die übermüthigen Wo¬
gen der Revolution zu vertheidigen haben; die schaffende Kraft lebt jetzt in den
Völkern, und wo sie zwcckvoll und tüchtig sich kundgibt, soll man ihr dienen.
Wohl, dieser Krieg hat ein verständiges Ziel, er kann nützlich werden für unsre
Entwicklung und deshalb sollen wir an ihm hängen. Und noch aus einem an¬
dern Grunde. Die Unfähigkeit des preußischen Cabinets hat die Concentration
Deutschlands in klägliche Frage gestellt; die Souveräne mit ihren desparaten Wün¬
schen und Launen sind dnrch seine Erklärung und die politische Unreife ihrer respec-
tiven Kammern wieder privilegirt, Alles was wir seit einem Jahr mit Geld,
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