Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.seinen radicalen Sohn, einen jener vielen Assessoren, welche die Lorbeeren Wal- 13*
seinen radicalen Sohn, einen jener vielen Assessoren, welche die Lorbeeren Wal- 13*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0103" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278613"/> <p xml:id="ID_322" prev="#ID_321" next="#ID_323"> seinen radicalen Sohn, einen jener vielen Assessoren, welche die Lorbeeren Wal-<lb/> deck's nicht schlafen lassen, zum Gegner und trug nnr mit der Mehrheit einer<lb/> einzigen Stimme in der Wahlschlacht den Sieg davon. Um dein Sohne die un¬<lb/> entschiedenen Gemüther nicht zur Bearbeitung anheimzugeben, machte der Vater<lb/> denselben zum Schriftführer, was übrigens nicht hinderte, daß der Sohn gleich<lb/> bei der nächsten Abstimmung Wahlmann wurde. Der politische Tact der berliner<lb/> Urwähler erröthete sogar nicht, einen heruntergekommene» und früher um Geld<lb/> gehörten Possenreißer, den Inhaber einer „vergnüglichen" Weinhandlung in der<lb/> Jüdenstraße, zum Wahlmann zu machen, weil er in einer Vorversammlnng gegen<lb/> den conservativen Kandidaten, der die Verfassung als ein Gnadengeschenk des<lb/> Königs ohne Weiteres annehmen wollte, mit der Bemerkung auftrat, der Herr<lb/> sei aus der Versammlung auszuweisen, da das Wahlgesetz ausdrücklich sage, Al¬<lb/> mosenempfänger seien uicht wahlberechtigt." Den „Enthüllungen" der reac-<lb/> tionären Partei feste der Berliner Volkswitz im Kladderadatsch eine allerliebste<lb/> Persiflage entgegen. „Die Knrfürstenbrücke ist abzubrechen. Der Kurfürst wird<lb/> auf das Losungswort „Grimma" nach dem Königstädtischen Theater<lb/> sprengen und dort zur Belebung des Volksgeistes sofort die Posse: „Einen Jux<lb/> will er sich machen" aufführen lassen. Die Brennmaterialien liegen bei dem<lb/> Schauspieler (beliebten Komiker) und französischen Emissär l'Arronge. Im Lake<lb/> kr-,,!,«!-»!« ist anzufangen: !24 Gläser Josty und 87 Beefsteaks werden<lb/> beim Heranrücken des Militärs von der K. demokratischen Section ans dasselbe<lb/> geschleudert. Während die Soldaten mit der Forträumung beschäftigt sind, wer¬<lb/> den im Hause Ur. 14 zwei Booten Grog angebrannt. Hier sind gemauerte Vvr-<lb/> sichtsbarricaden zu bauen. Hanpipunct, wichtigster Punct der Streitmacht im Gcun-<lb/> brinns. Das Weißbier liegt im Keller. Hier ist nnr Bürgerwehr zu ver¬<lb/> wenden. Passiver Angriff. Bei dem Fleischhändler im Hause findet man vergif¬<lb/> tetes Schweinefleisch. Der Commandeur ist ein Jude. — Zeituughalle: Haupt-<lb/> festung. Hier werden 2<» Bummler erscheine». Dem Losungswort: Pumpen Sie<lb/> mir 8 Groschen! ist sofort Gehorsam zu leisten. Barrikade am Schinkcupkatz.<lb/> In C-U'v ?V>>)«-,-to ist einem Herrn auf das Wort: Haben Sie keine Cigarre<lb/> bei sich? zu trauen. Die Kellnerinnen sind zu berücksichtigen. Widersetzlichkeit<lb/> wird mit dem Tode bestraft." Von Interesse sind anch die Wahlreden der radi¬<lb/> calen Candivaten: Assessor Jung, der trotz seiner geringen Popularität durch<lb/> Intriguen und zum Theil anch durch die Capricen des Zufalls gewählt worden<lb/> ist, Advocat Volkmar, ein rheinischer Jurist mit blos juristischem Verstände in.<lb/> der Politik; Assessor Paalzow (der Verfasser ertheilt ihm meines Wissens mit<lb/> Unrecht den Adel), gleich dem Vorigen eifriger Mitarbeiter an der Nationalzeitimg,<lb/> der wahrscheinlich bei den Nachwahlen berücksichtigt werden wird, falls Heinrich<lb/> Simon, wie zu erwarten steht, sein Mandat niederlegt; serner Herr Lehrends,<lb/> dem ich übrigens das Zeugniß ausstelle» kann, daß er in ganz Berlin, so weit</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 13*</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0103]
seinen radicalen Sohn, einen jener vielen Assessoren, welche die Lorbeeren Wal-
deck's nicht schlafen lassen, zum Gegner und trug nnr mit der Mehrheit einer
einzigen Stimme in der Wahlschlacht den Sieg davon. Um dein Sohne die un¬
entschiedenen Gemüther nicht zur Bearbeitung anheimzugeben, machte der Vater
denselben zum Schriftführer, was übrigens nicht hinderte, daß der Sohn gleich
bei der nächsten Abstimmung Wahlmann wurde. Der politische Tact der berliner
Urwähler erröthete sogar nicht, einen heruntergekommene» und früher um Geld
gehörten Possenreißer, den Inhaber einer „vergnüglichen" Weinhandlung in der
Jüdenstraße, zum Wahlmann zu machen, weil er in einer Vorversammlnng gegen
den conservativen Kandidaten, der die Verfassung als ein Gnadengeschenk des
Königs ohne Weiteres annehmen wollte, mit der Bemerkung auftrat, der Herr
sei aus der Versammlung auszuweisen, da das Wahlgesetz ausdrücklich sage, Al¬
mosenempfänger seien uicht wahlberechtigt." Den „Enthüllungen" der reac-
tionären Partei feste der Berliner Volkswitz im Kladderadatsch eine allerliebste
Persiflage entgegen. „Die Knrfürstenbrücke ist abzubrechen. Der Kurfürst wird
auf das Losungswort „Grimma" nach dem Königstädtischen Theater
sprengen und dort zur Belebung des Volksgeistes sofort die Posse: „Einen Jux
will er sich machen" aufführen lassen. Die Brennmaterialien liegen bei dem
Schauspieler (beliebten Komiker) und französischen Emissär l'Arronge. Im Lake
kr-,,!,«!-»!« ist anzufangen: !24 Gläser Josty und 87 Beefsteaks werden
beim Heranrücken des Militärs von der K. demokratischen Section ans dasselbe
geschleudert. Während die Soldaten mit der Forträumung beschäftigt sind, wer¬
den im Hause Ur. 14 zwei Booten Grog angebrannt. Hier sind gemauerte Vvr-
sichtsbarricaden zu bauen. Hanpipunct, wichtigster Punct der Streitmacht im Gcun-
brinns. Das Weißbier liegt im Keller. Hier ist nnr Bürgerwehr zu ver¬
wenden. Passiver Angriff. Bei dem Fleischhändler im Hause findet man vergif¬
tetes Schweinefleisch. Der Commandeur ist ein Jude. — Zeituughalle: Haupt-
festung. Hier werden 2<» Bummler erscheine». Dem Losungswort: Pumpen Sie
mir 8 Groschen! ist sofort Gehorsam zu leisten. Barrikade am Schinkcupkatz.
In C-U'v ?V>>)«-,-to ist einem Herrn auf das Wort: Haben Sie keine Cigarre
bei sich? zu trauen. Die Kellnerinnen sind zu berücksichtigen. Widersetzlichkeit
wird mit dem Tode bestraft." Von Interesse sind anch die Wahlreden der radi¬
calen Candivaten: Assessor Jung, der trotz seiner geringen Popularität durch
Intriguen und zum Theil anch durch die Capricen des Zufalls gewählt worden
ist, Advocat Volkmar, ein rheinischer Jurist mit blos juristischem Verstände in.
der Politik; Assessor Paalzow (der Verfasser ertheilt ihm meines Wissens mit
Unrecht den Adel), gleich dem Vorigen eifriger Mitarbeiter an der Nationalzeitimg,
der wahrscheinlich bei den Nachwahlen berücksichtigt werden wird, falls Heinrich
Simon, wie zu erwarten steht, sein Mandat niederlegt; serner Herr Lehrends,
dem ich übrigens das Zeugniß ausstelle» kann, daß er in ganz Berlin, so weit
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