Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.die Nationalversammlungen deö Jahres 1848 gelangte. Die grauenhaften und die Nationalversammlungen deö Jahres 1848 gelangte. Die grauenhaften und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0102" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278612"/> <p xml:id="ID_321" prev="#ID_320" next="#ID_322"> die Nationalversammlungen deö Jahres 1848 gelangte. Die grauenhaften und<lb/> selbst in der Bewegung der höchsten Ideen der Menschheit doch so wenig erhe¬<lb/> benden Erschütterungen dieses Jahres haben ihren verhängnißvollen Knotenpunkt<lb/> in dem materiellen Proletariat, für dessen Ausgleichung und Pacificirnng auch<lb/> alle Kräfte der Gesellschaft und des Staates nach Möglichkeit aufzubieten sind.<lb/> Dahingegen wird man den geistigen Proletariern nie und nirgend eine Exi¬<lb/> stenzberechtigung zugestehen können, weil man am allerwenigsten auf einen mit<lb/> Selbstbewußtsein ausgesprochenen Jdecubauterult die Freiheit eines gebildeten und<lb/> geistig begabten Volkes zu gründen im Stande sein wird. Unsere geistigen Pro¬<lb/> letarier wollten zugleich gern mit aller Absicht die Barbaren spielen, weil ihnen<lb/> der Geist immer noch als ein aristokratisches und göttliches Element verdächtig war,<lb/> so daß es sich nicht selten um eine künstliche Bestialisirung der „Errungenschaf¬<lb/> ten" handelte. Ein Theil der Verschuldung ist den Ministerien zuzuwälzen, welche<lb/> sich stets gescheut haben, die Grundrechte der Nationalversammlung auf eine ent¬<lb/> scheidende Weise zur Erörterung zu bringen. Nicht minder aber war es die Na¬<lb/> tionalversammlung selbst, welche es vom Beginn ihres Zusammeutretcns an sür<lb/> gefährlich oder nicht der Klugheit angemessen hielt, sich über ihre eigentliche prin¬<lb/> cipielle Stellung und über ihr Rechtsverhältniß zur Krone und zur Regierung<lb/> offen zu erklären. Es pflanzte sich dadurch mehr und mehr eine innere Lüge in<lb/> der Versammlung fort, welche ihrem Vertrauen bei allen Parteien deö Landes<lb/> schadete und sie, statt zu einer die Revolution gesetzlich überwindenden Versamm¬<lb/> lung, vielmehr zu einer mit der Revolution experimentirenden und dilettirenden<lb/> Freischaar machte. Bei jedem Gesetz, welches nach seinem Hervorgehen aus der<lb/> Fabrik der Parteien nicht unmittelbar darauf die Sanction der Krone empfing,<lb/> ward der immer zudringlicher sich ausdrückende Anspruch eines Konvents erhoben,<lb/> der sofort mit seiner höchsten Ungnade und mit den guten Freunden da draußen<lb/> drohte, wenn nicht Alles nach Befehl der hohen Versammlung vollzogen würde."<lb/> Ebenso scharf geht es gegen die unsittlichen Mittel der entgegengesetzten Seite her,<lb/> die berüchtigten „Enthüllungen", die «it-'indem-it temuoi-is des Herrn Professor<lb/> Heinrich Leo, welcher die ganze Schuld der Revolution den alten Constitutionellen<lb/> in die Schuhe schiebt, den „Verein zur Wahrung der Interessen der Provinzen"<lb/> über das sogenannte Jnnkerparlament, die Kreuzzeitung u. s. w. Aus den Wahl-<lb/> scencn theilen wir einige interessante Züge mit. „Das Wahllocal, in welchem ich<lb/> meiner Bürgerpflicht zu genügen hatte, war eine Kneipe und glich so ziemlich<lb/> einer Räuberhöhle. Der Tabacksqualm war zum Ersticken und die Bier- und<lb/> Schnapsgerüche thaten das klebrige. An der Wand hingen dunkelgeschwärzt die<lb/> Portraits der königlichen Familie, diese Erbstücke in den Hütten der Armen. Die<lb/> Namen der radikalen Candidaten gingen ohne Kampf aus der Wahlurne hervor.<lb/> Im nebenan liegenden District erlag Oberbürgermeister Naunyn einem<lb/> radikalen Schneider. Unter den Linden hatte ein conservativer Geheimeratl)</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0102]
die Nationalversammlungen deö Jahres 1848 gelangte. Die grauenhaften und
selbst in der Bewegung der höchsten Ideen der Menschheit doch so wenig erhe¬
benden Erschütterungen dieses Jahres haben ihren verhängnißvollen Knotenpunkt
in dem materiellen Proletariat, für dessen Ausgleichung und Pacificirnng auch
alle Kräfte der Gesellschaft und des Staates nach Möglichkeit aufzubieten sind.
Dahingegen wird man den geistigen Proletariern nie und nirgend eine Exi¬
stenzberechtigung zugestehen können, weil man am allerwenigsten auf einen mit
Selbstbewußtsein ausgesprochenen Jdecubauterult die Freiheit eines gebildeten und
geistig begabten Volkes zu gründen im Stande sein wird. Unsere geistigen Pro¬
letarier wollten zugleich gern mit aller Absicht die Barbaren spielen, weil ihnen
der Geist immer noch als ein aristokratisches und göttliches Element verdächtig war,
so daß es sich nicht selten um eine künstliche Bestialisirung der „Errungenschaf¬
ten" handelte. Ein Theil der Verschuldung ist den Ministerien zuzuwälzen, welche
sich stets gescheut haben, die Grundrechte der Nationalversammlung auf eine ent¬
scheidende Weise zur Erörterung zu bringen. Nicht minder aber war es die Na¬
tionalversammlung selbst, welche es vom Beginn ihres Zusammeutretcns an sür
gefährlich oder nicht der Klugheit angemessen hielt, sich über ihre eigentliche prin¬
cipielle Stellung und über ihr Rechtsverhältniß zur Krone und zur Regierung
offen zu erklären. Es pflanzte sich dadurch mehr und mehr eine innere Lüge in
der Versammlung fort, welche ihrem Vertrauen bei allen Parteien deö Landes
schadete und sie, statt zu einer die Revolution gesetzlich überwindenden Versamm¬
lung, vielmehr zu einer mit der Revolution experimentirenden und dilettirenden
Freischaar machte. Bei jedem Gesetz, welches nach seinem Hervorgehen aus der
Fabrik der Parteien nicht unmittelbar darauf die Sanction der Krone empfing,
ward der immer zudringlicher sich ausdrückende Anspruch eines Konvents erhoben,
der sofort mit seiner höchsten Ungnade und mit den guten Freunden da draußen
drohte, wenn nicht Alles nach Befehl der hohen Versammlung vollzogen würde."
Ebenso scharf geht es gegen die unsittlichen Mittel der entgegengesetzten Seite her,
die berüchtigten „Enthüllungen", die «it-'indem-it temuoi-is des Herrn Professor
Heinrich Leo, welcher die ganze Schuld der Revolution den alten Constitutionellen
in die Schuhe schiebt, den „Verein zur Wahrung der Interessen der Provinzen"
über das sogenannte Jnnkerparlament, die Kreuzzeitung u. s. w. Aus den Wahl-
scencn theilen wir einige interessante Züge mit. „Das Wahllocal, in welchem ich
meiner Bürgerpflicht zu genügen hatte, war eine Kneipe und glich so ziemlich
einer Räuberhöhle. Der Tabacksqualm war zum Ersticken und die Bier- und
Schnapsgerüche thaten das klebrige. An der Wand hingen dunkelgeschwärzt die
Portraits der königlichen Familie, diese Erbstücke in den Hütten der Armen. Die
Namen der radikalen Candidaten gingen ohne Kampf aus der Wahlurne hervor.
Im nebenan liegenden District erlag Oberbürgermeister Naunyn einem
radikalen Schneider. Unter den Linden hatte ein conservativer Geheimeratl)
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