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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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wußte nichts davon, auch die des Innern und der Finanzen nichts. Indeß können
wir schon jetzt beurtheilen, daß es kaum in der Macht Preußens gestanden hätte,
dem schlestschen Handel und Verkehr die gewünschten Vortheile zu sichern, und
ferner, daß durch die Folgen der Krakauer Revolution, durch die Verwüstung
und Verarmung Galiziens wenigstens für eine Reihe von Jahren vortheilhafte
Handelsbeziehungen unmöglich geworden wären. Oestreich aber hatte das größte
Interesse, seine Zolllinicn über Kraken hinauszurücken und dasselbe von Schlesien
abzusperren, nicht nur, weil das widerspenstige Krakau dadurch zu einer Provin-
zialstadt herabgedrückt wurde, sondern noch mehr, um die große Waarenstraße für
seinen Osten von Hamburg und Breslau fort nach Trieft und Wien zu verlegen.
Vieles hätte es auf's Spiel setzen müssen, um dieses Ziel zu erreiche". Für Schlesien
aber waren die Folgen sehr traurig. Seine besten Märkte hat es verloren, sein
Verkehr mit dem Ausland hängt jetzt allein von den Conjnncturen Englands
und dessen momentaner Schwäche in irgend einem Ein- oder Ausfuhrartikel ab.
Selbst eine sehr unwahrscheinliche Veränderung der östreichischen Zollgcsetze, welche
die Schlagbäume zwischen Böhmen und Schlesien niederwürfe, würde Schlesien
nicht viel helfen, denn Böhmen ist ein Concurrent, kein Abnehmer für Schlesien.
Wenn unter solchen Umständen der Breslauer Kaufmann noch Thätigkeit und
Selbstgefühl zeigt, so muß doch er zumeist die Empfindung haben, daß das Lebens¬
mark aus den Gliedern seiner Provinz schwindet, und die Zukunft nicht fern ist,
wo das Gefühl dieses Unglücks allgemein und sehr sichtbar werden wird.

So liegt ein großes Land, so schön, so reich wie irgend eines in Deutschland
uuter dem Bann dunkler Gewalten, und nur eines kann sein Geschick ändern, die
Ueberzeugung, daß es kein Unglück gibt, welches nicht durch Manneskraft und
Mannesmuth besiegt werden kann: aber freilich muß diese Ueberzeugung erst zur
That werden und dem Lande schaffen, woran es keinen Ueberfluß hat, Männer.




Ottfried
von Carl O n ez Ko w.



Das vorige Neujahr brachte uns den Wullenweber, ein politisches Stück voll
weiter patriotischer Tendenzen. Es brachte das Lied "Schleswig-Holstein mcer-
nmschlungen" auf die Bühne, in einer Zeit, wo unsere Politik noch in die Däm¬
merung der Wünsche und Ahnungen versenkt war. Es konnte nicht fehlen, daß
dieser Somnambulismus unserer politischen Sehnsucht auch auf den Inhalt des
Stücks einwirkte: der Hauptheld, der mit den prophetischen Worten: "Ein freier
Sund für alles freie Denken, ein freier Paß sür'S ganze freie Deutschland," seinen


Brenzboten. I. !84S. 12

wußte nichts davon, auch die des Innern und der Finanzen nichts. Indeß können
wir schon jetzt beurtheilen, daß es kaum in der Macht Preußens gestanden hätte,
dem schlestschen Handel und Verkehr die gewünschten Vortheile zu sichern, und
ferner, daß durch die Folgen der Krakauer Revolution, durch die Verwüstung
und Verarmung Galiziens wenigstens für eine Reihe von Jahren vortheilhafte
Handelsbeziehungen unmöglich geworden wären. Oestreich aber hatte das größte
Interesse, seine Zolllinicn über Kraken hinauszurücken und dasselbe von Schlesien
abzusperren, nicht nur, weil das widerspenstige Krakau dadurch zu einer Provin-
zialstadt herabgedrückt wurde, sondern noch mehr, um die große Waarenstraße für
seinen Osten von Hamburg und Breslau fort nach Trieft und Wien zu verlegen.
Vieles hätte es auf's Spiel setzen müssen, um dieses Ziel zu erreiche». Für Schlesien
aber waren die Folgen sehr traurig. Seine besten Märkte hat es verloren, sein
Verkehr mit dem Ausland hängt jetzt allein von den Conjnncturen Englands
und dessen momentaner Schwäche in irgend einem Ein- oder Ausfuhrartikel ab.
Selbst eine sehr unwahrscheinliche Veränderung der östreichischen Zollgcsetze, welche
die Schlagbäume zwischen Böhmen und Schlesien niederwürfe, würde Schlesien
nicht viel helfen, denn Böhmen ist ein Concurrent, kein Abnehmer für Schlesien.
Wenn unter solchen Umständen der Breslauer Kaufmann noch Thätigkeit und
Selbstgefühl zeigt, so muß doch er zumeist die Empfindung haben, daß das Lebens¬
mark aus den Gliedern seiner Provinz schwindet, und die Zukunft nicht fern ist,
wo das Gefühl dieses Unglücks allgemein und sehr sichtbar werden wird.

So liegt ein großes Land, so schön, so reich wie irgend eines in Deutschland
uuter dem Bann dunkler Gewalten, und nur eines kann sein Geschick ändern, die
Ueberzeugung, daß es kein Unglück gibt, welches nicht durch Manneskraft und
Mannesmuth besiegt werden kann: aber freilich muß diese Ueberzeugung erst zur
That werden und dem Lande schaffen, woran es keinen Ueberfluß hat, Männer.




Ottfried
von Carl O n ez Ko w.



Das vorige Neujahr brachte uns den Wullenweber, ein politisches Stück voll
weiter patriotischer Tendenzen. Es brachte das Lied „Schleswig-Holstein mcer-
nmschlungen" auf die Bühne, in einer Zeit, wo unsere Politik noch in die Däm¬
merung der Wünsche und Ahnungen versenkt war. Es konnte nicht fehlen, daß
dieser Somnambulismus unserer politischen Sehnsucht auch auf den Inhalt des
Stücks einwirkte: der Hauptheld, der mit den prophetischen Worten: „Ein freier
Sund für alles freie Denken, ein freier Paß sür'S ganze freie Deutschland," seinen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/97>, abgerufen am 22.12.2024.