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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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von Steinkohlen in colossaler Ausdehnung, ein unendlicher Reichthum an Eisen¬
erzen und das Zinkerz, der bis vor kurzem so werthvolle Galmeig lockten den Ver¬
mögenden zu vortheilhaftem Bergbau. Aus diesen Bvdcnkräften entwickelte sich
die Industrie vorzüglich "ach drei Richtungen, in Hüttenwerken, der Tuchbereitung
und der Leinwandiudustrie mit ihrem jüngern Schmarotzergewächs, der Baumwollen¬
fabrikation. In Oberschlesien pochte der Eisenhammer, sprühte der Hochofen aus
den dunklen Föhrenwäldern, an den Gebirgsbächen bleichten die weißen Linnen,
um die kleinen Städte an den Bergen und auf der polnische" Seite zog sich ein
wunderlicher Kreis von Tuchrahmen, welche von dem herrschenden Blau ab mit
allen Farben eines Malerkastens bezogen waren. In den geöffneten Thälern aber
und dem weiten Flachland erhoben sich aus dem grünen Feld die stattlichen Farmer
der ritterlichen Gutsbesitzer und die Strohhütten und neuen Ziegelhäuser der
Bauerndörfer. Im Grundbesitz herrschte die größte Mannigfaltigkeit, Fürstenthü-
mer, große Majorate, Gütercomplcxc, welche mehrere Kreise umfaßten, und wieder
in andern Kreisen eine Zertheilung des Bodens bis in die kleinste Morgenzahl;
und darnach auch unter den Gutsbesitzern die größte Verschiedenheit in Stand und
Wohlstand. JmAllgemeiuen bildeten die Rittergutsbesitzer den wohlhabendsten und am
meisten beneideten Stand. Sie gehörten zum größten Theil dem Adel an mit
allen Titeln und Abstufungen, welche Deutschland aufzuweisen hat, vom souveränen
Fürsten, welcher auf seinen schlesischen Gütern die Sommermonate ausruhte,
bis zum einfachen Edelmann herab, welcher sich gern Baron nannte; aber fast
in allen "Schlössern" war ein behagliches, oft reiches, ja hie und da elegantes
Leben. Und wenn die zahlreichen Familien der schlesischen Aristokratie in stolzem
Unabhängigkcitsgesühl es vorzogen, den Winter über in Breslau ihren kleinen
Hof zu halten, so brachten sie der Hauptstadt nicht uur die gewöhnlichen Geld¬
vortheile und Verkehr, sondern es entwickelte sich in ihren Kreisen und dem über¬
müthigen Treiben des genießenden Reichthums auch eine Menge von Verhältnissen,
Charakteren, oft wunderlichen und grotesken Figuren, welche bunten Reiz und
Mannigfaltigkeit in das gesellige Leben brachten und dem Beobachter und Psycho¬
logen Stoss zu ernsten und heitern Betrachtungen geben konnten. Jedenfalls er¬
hielt durch die zahlreiche Aristokratie Schlesiens und ihre Anhänglichkeit an die
Provinz das Treiben in derselben viele Abwechslung und einen großartigen An¬
strich, der wenigstens den Fremden beim ersten Eintritt imponirte. In den
Bauernstand und die "kleinen Leute" der Dörfer hatte die vieljährige Thätigkeit
der preußischen Ablösuugscommission Freiheit, ein freilich oft rohes Selbstgefühl
und in den meisten Gegenden glückliche Anfänge von landwirthschaftlicher Streb-
samkeit gebracht. Freilich am wenigsten in Oberschlesien; zum Theil weil dort
der Grundbesitz am meisten in großen Complexcn zusammengeballt war, zum Theil
weil slavische Sprache und slavisches Herkommen dort noch unter dem Landvolk
herrschten.


von Steinkohlen in colossaler Ausdehnung, ein unendlicher Reichthum an Eisen¬
erzen und das Zinkerz, der bis vor kurzem so werthvolle Galmeig lockten den Ver¬
mögenden zu vortheilhaftem Bergbau. Aus diesen Bvdcnkräften entwickelte sich
die Industrie vorzüglich »ach drei Richtungen, in Hüttenwerken, der Tuchbereitung
und der Leinwandiudustrie mit ihrem jüngern Schmarotzergewächs, der Baumwollen¬
fabrikation. In Oberschlesien pochte der Eisenhammer, sprühte der Hochofen aus
den dunklen Föhrenwäldern, an den Gebirgsbächen bleichten die weißen Linnen,
um die kleinen Städte an den Bergen und auf der polnische» Seite zog sich ein
wunderlicher Kreis von Tuchrahmen, welche von dem herrschenden Blau ab mit
allen Farben eines Malerkastens bezogen waren. In den geöffneten Thälern aber
und dem weiten Flachland erhoben sich aus dem grünen Feld die stattlichen Farmer
der ritterlichen Gutsbesitzer und die Strohhütten und neuen Ziegelhäuser der
Bauerndörfer. Im Grundbesitz herrschte die größte Mannigfaltigkeit, Fürstenthü-
mer, große Majorate, Gütercomplcxc, welche mehrere Kreise umfaßten, und wieder
in andern Kreisen eine Zertheilung des Bodens bis in die kleinste Morgenzahl;
und darnach auch unter den Gutsbesitzern die größte Verschiedenheit in Stand und
Wohlstand. JmAllgemeiuen bildeten die Rittergutsbesitzer den wohlhabendsten und am
meisten beneideten Stand. Sie gehörten zum größten Theil dem Adel an mit
allen Titeln und Abstufungen, welche Deutschland aufzuweisen hat, vom souveränen
Fürsten, welcher auf seinen schlesischen Gütern die Sommermonate ausruhte,
bis zum einfachen Edelmann herab, welcher sich gern Baron nannte; aber fast
in allen „Schlössern" war ein behagliches, oft reiches, ja hie und da elegantes
Leben. Und wenn die zahlreichen Familien der schlesischen Aristokratie in stolzem
Unabhängigkcitsgesühl es vorzogen, den Winter über in Breslau ihren kleinen
Hof zu halten, so brachten sie der Hauptstadt nicht uur die gewöhnlichen Geld¬
vortheile und Verkehr, sondern es entwickelte sich in ihren Kreisen und dem über¬
müthigen Treiben des genießenden Reichthums auch eine Menge von Verhältnissen,
Charakteren, oft wunderlichen und grotesken Figuren, welche bunten Reiz und
Mannigfaltigkeit in das gesellige Leben brachten und dem Beobachter und Psycho¬
logen Stoss zu ernsten und heitern Betrachtungen geben konnten. Jedenfalls er¬
hielt durch die zahlreiche Aristokratie Schlesiens und ihre Anhänglichkeit an die
Provinz das Treiben in derselben viele Abwechslung und einen großartigen An¬
strich, der wenigstens den Fremden beim ersten Eintritt imponirte. In den
Bauernstand und die „kleinen Leute" der Dörfer hatte die vieljährige Thätigkeit
der preußischen Ablösuugscommission Freiheit, ein freilich oft rohes Selbstgefühl
und in den meisten Gegenden glückliche Anfänge von landwirthschaftlicher Streb-
samkeit gebracht. Freilich am wenigsten in Oberschlesien; zum Theil weil dort
der Grundbesitz am meisten in großen Complexcn zusammengeballt war, zum Theil
weil slavische Sprache und slavisches Herkommen dort noch unter dem Landvolk
herrschten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/90>, abgerufen am 23.12.2024.