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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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mark, in seiner besten Zeit erster Redner und Präsident der Aula, älter ist, als
seine geringe politische Bildung zu unserm größten Leidwesen uns vermuthen ließe.
Unter den übrigen jungen Leuten finden wir wenige hervorragende Gestalten.
Bieder und ehrlich sehen sie Alle ans und an den guten Rathschlägen, welche sie
den beiden Lieblingen der Aula und Mitgliedern des Sicherheitsausschnsses in
kleinen Negierungssachen ertheilen, ist ihre gute patriotische Gesinnung nicht zu
verkennen. An der gewaltigen Stimme Fischhof's erinnern wir uns wieder an
jenen freudenreichen Tag, wo dieser damals noch ganz unbekannte, muthige Mann
zuerst dem schwankenden Volke das Stichwort der östreichischen Revolution zu¬
rief: "Nieder mit Metternich" und darauf die versammelten Stände in der
Herreugasse zur energischen That mit den Worten aufforderte: "Wer heute nicht
seine Pflicht thut, der gehört in die Kinderstube!"

Wir werden vielleicht ein ander Mal Gelegenheit haben, die beiden Männer,
welche seit den Märztagen bis zum Zusammentritt des Reichstages eine so be¬
deutende Rolle in der Wiener Revolutionsgeschichte gespielt haben, näher zu schil¬
dern. Sie sind beide durch ihre bewährten redlichen Gesinnungen, durch die Mäßi¬
gung, mit welcher sie trotz alles Drängens von Seite der studirenden Jugend
und der Massen ihr moralisches Ansehen benutzt haben, bei allen Parteien geach¬
tet. -- Heute können wir nur deu witzigen Einfällen lauschen, mit welchen
Fischhof seine eigene extemporirte politische Laufbahn ironisirt und uns an den
harmlosen Späßen erfreue", welche die bisherigen Kollegen GoldmarkS, über dessen
gegenwärtige Schulmeisterschaft auf der Aula oder die Ministerialstellen in spo
loslassen. "Ich hoffe, Excellenz werden mich uicht vergesse"." "Ihrer gewohnten
Huld vertraue ich meine gerechte" Ansprüche auf das Uuterstaatösecretariat an --
Und ich als Hofcommissär auf Diäten -- Und mir bitte ich unter allen Bedin¬
gungen eine glänzende Stelle bei Hofe aus -- Und mir eine Pension als Staats¬
rath außer Diensten!" -- "Schon recht, meine lieben Jungen, "entgegnet der
geschmeichelte Goldmark seineu scherzenden Freunden," ich wollt', ich säße wieder
in meiner stillen Kammer und hätte eine Sammlung schöner Präparate vor
nur, anstatt der Rudels wilder Burschen, die wir jetzt in der Aula vernünftig
und nüchtern erhalten sollen!" Ein solcher Nudel wilder Burschen macht sich eben
im Nebenzimmer sehr bemerkbar durch lautes Disputiren, Lachen und Chorus¬
singen. Es sind meist kräftige jugendliche Gestalten, mit demokratischen Bärten,
offenen Hemdkragen, das deutsche Band über das Hemd, und die lange Pfeife
im Mund. Deutsche Studentenlieder werden angestimmt, Kommersche für die näch¬
sten Tage besprochen, Verbrüdern"gsfeste mit Bürgern und Garden, mit den
Studenten der übrigen östreichischen Universitäten und eine Deputation zum
Eiseuuacher Studentenparlament in Anregung gebracht. Mitunter schwingt sich
Einer zur höheren Politik empor und gibt seine entschiedene Ansicht mit den weni¬
gen aber ausdrucksvollen Worten kund: "Niederträchtiger Kerl, Fiquelmont, Schuft,


mark, in seiner besten Zeit erster Redner und Präsident der Aula, älter ist, als
seine geringe politische Bildung zu unserm größten Leidwesen uns vermuthen ließe.
Unter den übrigen jungen Leuten finden wir wenige hervorragende Gestalten.
Bieder und ehrlich sehen sie Alle ans und an den guten Rathschlägen, welche sie
den beiden Lieblingen der Aula und Mitgliedern des Sicherheitsausschnsses in
kleinen Negierungssachen ertheilen, ist ihre gute patriotische Gesinnung nicht zu
verkennen. An der gewaltigen Stimme Fischhof's erinnern wir uns wieder an
jenen freudenreichen Tag, wo dieser damals noch ganz unbekannte, muthige Mann
zuerst dem schwankenden Volke das Stichwort der östreichischen Revolution zu¬
rief: „Nieder mit Metternich" und darauf die versammelten Stände in der
Herreugasse zur energischen That mit den Worten aufforderte: „Wer heute nicht
seine Pflicht thut, der gehört in die Kinderstube!"

Wir werden vielleicht ein ander Mal Gelegenheit haben, die beiden Männer,
welche seit den Märztagen bis zum Zusammentritt des Reichstages eine so be¬
deutende Rolle in der Wiener Revolutionsgeschichte gespielt haben, näher zu schil¬
dern. Sie sind beide durch ihre bewährten redlichen Gesinnungen, durch die Mäßi¬
gung, mit welcher sie trotz alles Drängens von Seite der studirenden Jugend
und der Massen ihr moralisches Ansehen benutzt haben, bei allen Parteien geach¬
tet. — Heute können wir nur deu witzigen Einfällen lauschen, mit welchen
Fischhof seine eigene extemporirte politische Laufbahn ironisirt und uns an den
harmlosen Späßen erfreue», welche die bisherigen Kollegen GoldmarkS, über dessen
gegenwärtige Schulmeisterschaft auf der Aula oder die Ministerialstellen in spo
loslassen. „Ich hoffe, Excellenz werden mich uicht vergesse»." „Ihrer gewohnten
Huld vertraue ich meine gerechte» Ansprüche auf das Uuterstaatösecretariat an —
Und ich als Hofcommissär auf Diäten — Und mir bitte ich unter allen Bedin¬
gungen eine glänzende Stelle bei Hofe aus — Und mir eine Pension als Staats¬
rath außer Diensten!" — „Schon recht, meine lieben Jungen, „entgegnet der
geschmeichelte Goldmark seineu scherzenden Freunden," ich wollt', ich säße wieder
in meiner stillen Kammer und hätte eine Sammlung schöner Präparate vor
nur, anstatt der Rudels wilder Burschen, die wir jetzt in der Aula vernünftig
und nüchtern erhalten sollen!" Ein solcher Nudel wilder Burschen macht sich eben
im Nebenzimmer sehr bemerkbar durch lautes Disputiren, Lachen und Chorus¬
singen. Es sind meist kräftige jugendliche Gestalten, mit demokratischen Bärten,
offenen Hemdkragen, das deutsche Band über das Hemd, und die lange Pfeife
im Mund. Deutsche Studentenlieder werden angestimmt, Kommersche für die näch¬
sten Tage besprochen, Verbrüdern»gsfeste mit Bürgern und Garden, mit den
Studenten der übrigen östreichischen Universitäten und eine Deputation zum
Eiseuuacher Studentenparlament in Anregung gebracht. Mitunter schwingt sich
Einer zur höheren Politik empor und gibt seine entschiedene Ansicht mit den weni¬
gen aber ausdrucksvollen Worten kund: „Niederträchtiger Kerl, Fiquelmont, Schuft,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/78>, abgerufen am 23.07.2024.