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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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beschließt über die Angelegenheiten der Provinzwo die Ausführung der Beschlüsse
nicht durch Kommissare geschehen kann, ist der Gouverneur die ausführende Behörde.
Was aber in das Bereich der Provinzialstände fallen müsse, darüber sind die
Parteimeinungen am meisten verschieden. Und doch gibt es für eine vernünftige
Organisation auch hier bestimmte Anhaltpunkte. Sie liegen in der Gemeinde-
und kleinen BezirkSverfassuug. Immer geht das öffentliche Leben dieser engeren
staatlichen Verbindungen nach zwei Richtungen, sie bedürfen zu ihrem gesunden
Leben einerseits den Zusammenhang mit dem Gesammtstaat, dessen Principien,
dessen Kraft sie in bestimmter Richtung hält und stützt, anderseits fordern sie das
freie Schaffen und Walten im Hauswesen. Dem innern Leben der Gemeinden
entspricht sehr genan das freie Leben, welches sich in der Provinz entwickeln kann.
Bei geregeltem Staatshaushalt dürfen die Provinzialstände nichts mit den Fi¬
nanzen des Staats, der Steuererhebung u. s. w. zu schaffen haben. Die Ge¬
meinden liefern ihre Abgaben, für deren Aufbringung sie verpflichtet sind, in die
kaiserlichen Bezirkskassen, diese in die Provinzialkasse. Dagegen hat der Provinzial-
congreß die Aufgabe, die freien finanziellen Associationen, Kreditinstitute für Grund¬
besitz, Renten- und andere Banken hervorzurufen, durch seine Autorität und seinen
Credit zu stützen und solidarische Verpflichtungen zu decretiren. Die Polizei ist
Staatssache. Die Verfolgung des flüchtigen Verbrechers reicht über die Provinz
hinaus, die Bestimmungen über Fahrgleise, Straßen und Flußverkehr treffen in
jedem Theil des Staates alle reisenden Staatsbürger, die gesetzlichen Bestimmungen
über Heimathsrccht und Freizügigkeit müssen dnrch den ganzen Staat gleich und
auf gleiche Weise durchgesetzt werden. Dagegen hat der Provinzialcongreß das
Recht und die Pflicht, die Armen- und Krankenpflege der Gemeinden zu stützen,
verständige Associationen der arbeitenden Klasse hervorzurufen, die Noth und den
Verfall einzelner Gegenden durch Zusammenwirken der Provinz zu heben und wo
dies unmöglich, die Hilfe und das Eingreifen des Staats zu fordern. -- Der
öffentliche Unterricht ist Staatssache. Für uns ist grade dies vielleicht
der schwierigste Punkt, ungeheuer sind die Hindernisse, unendlich viel ist noch zu
thun. Festhalten aber muß man an dem Grundsatz: die Jugend eines, freien
Staates muß erzogen werden in den Principien des Staats, der Staat muß die
Controle haben über Lehrererziehnng und Schülerbildung, über Schulbücher, Methode
und Disciplin des Unterrichts. Die Bildungsanstalten für Volkslehrer müssen Staats¬
anstalten sein, der Gouverneur der Provinz muß die Aufsicht über Schule" und
Bildungsanstalten haben. Von den Universitäten und gelehrten Schulen versteht
sich dies von selbst. Und glaubt mir, gerade hierin wird das Staatsministerium



*) Ueber die Stellung des Gouverneur" zu dem Provinzialcongrcß und Beider zum Staa¬
tenparlament ist in Ur. 27 des vorigen Jahrgangs der Grenzboten das Nähere ausgeführt.

beschließt über die Angelegenheiten der Provinzwo die Ausführung der Beschlüsse
nicht durch Kommissare geschehen kann, ist der Gouverneur die ausführende Behörde.
Was aber in das Bereich der Provinzialstände fallen müsse, darüber sind die
Parteimeinungen am meisten verschieden. Und doch gibt es für eine vernünftige
Organisation auch hier bestimmte Anhaltpunkte. Sie liegen in der Gemeinde-
und kleinen BezirkSverfassuug. Immer geht das öffentliche Leben dieser engeren
staatlichen Verbindungen nach zwei Richtungen, sie bedürfen zu ihrem gesunden
Leben einerseits den Zusammenhang mit dem Gesammtstaat, dessen Principien,
dessen Kraft sie in bestimmter Richtung hält und stützt, anderseits fordern sie das
freie Schaffen und Walten im Hauswesen. Dem innern Leben der Gemeinden
entspricht sehr genan das freie Leben, welches sich in der Provinz entwickeln kann.
Bei geregeltem Staatshaushalt dürfen die Provinzialstände nichts mit den Fi¬
nanzen des Staats, der Steuererhebung u. s. w. zu schaffen haben. Die Ge¬
meinden liefern ihre Abgaben, für deren Aufbringung sie verpflichtet sind, in die
kaiserlichen Bezirkskassen, diese in die Provinzialkasse. Dagegen hat der Provinzial-
congreß die Aufgabe, die freien finanziellen Associationen, Kreditinstitute für Grund¬
besitz, Renten- und andere Banken hervorzurufen, durch seine Autorität und seinen
Credit zu stützen und solidarische Verpflichtungen zu decretiren. Die Polizei ist
Staatssache. Die Verfolgung des flüchtigen Verbrechers reicht über die Provinz
hinaus, die Bestimmungen über Fahrgleise, Straßen und Flußverkehr treffen in
jedem Theil des Staates alle reisenden Staatsbürger, die gesetzlichen Bestimmungen
über Heimathsrccht und Freizügigkeit müssen dnrch den ganzen Staat gleich und
auf gleiche Weise durchgesetzt werden. Dagegen hat der Provinzialcongreß das
Recht und die Pflicht, die Armen- und Krankenpflege der Gemeinden zu stützen,
verständige Associationen der arbeitenden Klasse hervorzurufen, die Noth und den
Verfall einzelner Gegenden durch Zusammenwirken der Provinz zu heben und wo
dies unmöglich, die Hilfe und das Eingreifen des Staats zu fordern. — Der
öffentliche Unterricht ist Staatssache. Für uns ist grade dies vielleicht
der schwierigste Punkt, ungeheuer sind die Hindernisse, unendlich viel ist noch zu
thun. Festhalten aber muß man an dem Grundsatz: die Jugend eines, freien
Staates muß erzogen werden in den Principien des Staats, der Staat muß die
Controle haben über Lehrererziehnng und Schülerbildung, über Schulbücher, Methode
und Disciplin des Unterrichts. Die Bildungsanstalten für Volkslehrer müssen Staats¬
anstalten sein, der Gouverneur der Provinz muß die Aufsicht über Schule» und
Bildungsanstalten haben. Von den Universitäten und gelehrten Schulen versteht
sich dies von selbst. Und glaubt mir, gerade hierin wird das Staatsministerium



*) Ueber die Stellung des Gouverneur» zu dem Provinzialcongrcß und Beider zum Staa¬
tenparlament ist in Ur. 27 des vorigen Jahrgangs der Grenzboten das Nähere ausgeführt.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/53>, abgerufen am 23.07.2024.