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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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erhalten hatte. Die Politik der Freiheit ist auch die klügste Politik. Mache Deine
Völker stark, damit Dein Kaiser fest werde. Schaffe freie Männer, das heißt zunächst,
schaffe sreie Gemeinden. Freie Gemeinden machen Dir ein freies Volk. Zweierlei aber
gehört unter allen Umständen dazu, eine Gemeinde frei zu machen: Selbstverwal¬
tung ihrer eigenen Angelegenheiten, des gemeinsamen Vermögens und freie Wahl
der Gemeindebeamten. - Oestreich ist nach Stämmen und Völkerschaften getheilt,
das ist gegenwärtig ein Glück, einst mag es ein Unglück werden, weil der Kampf
der Landesvernunft mit principiellen Egoismus dadurch ein sehr hartnäckiger
werden wird. Verstehe ich recht, so hältst Du es jetzt noch für nöthig durch Be¬
freiung und Erhebung der Nationalitäten zu organisiren, Du gedenkst aus Galizien
und einem Theil von Nord-Ungarn ein Ruthenenland zu machen, Dn hast eine,
Wojwodschaft Serbien geschaffen, die schon jetzt ein Magnet wird, welcher stark
nach der Türkei hinüberzieht und sür die Staatenbildung an der Donau verhäng-
nißvoll werden muß; Du wirst das dreiköpfige Siebenbürgen als Provinz Herstellen
und durch alles dies die Möglichkeit schaffen, auch Ungarn in eine Provinzial-
größe umzuformen. War dies Plan, so ist die Ausführung geschickt begonnen,
hat die Geschichte mit Dir gespielt, so hat sie Dir doch wohlwollend in die Hände
gearbeitet. Jedenfalls ist von jetzt ab Oestreich darauf angewiesen, sich ans seinen
unendlich verschiedenen und zahlreichen Nationalitäten zu entwickeln, und wie man
auch diesen Weg der Entwicklung ansehe, er ist eine Thatsache, ans welche man
bauen, nach welcher man die Organisation Oestreichs einrichten muß.

Eine Verfassung, welche sich den verschiedensten Völkern und Bildungsstufen
anzupassen hat, wird ebenso einfach, als elastisch sein müssen; die Schwierigkeit
liegt nicht darin, die Formen sür das abgezogenere Leben des Gesammtsstaats zu
finden: ein Staatenparlament, wie man will, ans zwei Häusern bestehend, darüber
ein verantwortliches Ministerium; Finanzen, Rechtspflege, Heerwesen in diesem
centralisirt, das sind in der Theorie verhältnißmäßig einfache und leichter zu schaf¬
fende Bildungen, bei denen die Tagesförderungen und die Erfahrung anderer
Staaten Halt und Hilfe geben; aber die Verbindung dieses Oberbauch mit dem
Volk selbst, welches zum Theil noch als ungegliederte Masse starrt, ist die ver¬
hängnisvolle Arbeit, welche ebensoviel Constructionstalent als Ausdauer erfordert.

Außer einem freien Gemeindegesetz thut uns zunächst eine staatliche Verbin¬
dung der Gemeinden in kleinen Sphären Noth. Unsere administrativen Einheiten,
Viertel, Kreise, Gouvernements u. s. w. sind in der Regel zu groß, um eine freie
Concentration der gemeinsamen Gemeindeangelegenheiten, als Straßenbau, Armen-
und Krankenpflege, Beförderung der kleinen Ackerbauintercssen u. f. w. zu bewirken,
sie sind nützlicher für die Regierungen, als das Volk. Wo die Anlage zu solchen
kleinen Bezirken vorhanden ist, erscheint sie doch bei uns nicht entwickelt. Die
galizischen "Kreise," welche diesen geforderten Verbindungen der Größe nach
am meisten entsprechen, haben, freilich unter sehr bedauerlichen Verhältnissen,


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erhalten hatte. Die Politik der Freiheit ist auch die klügste Politik. Mache Deine
Völker stark, damit Dein Kaiser fest werde. Schaffe freie Männer, das heißt zunächst,
schaffe sreie Gemeinden. Freie Gemeinden machen Dir ein freies Volk. Zweierlei aber
gehört unter allen Umständen dazu, eine Gemeinde frei zu machen: Selbstverwal¬
tung ihrer eigenen Angelegenheiten, des gemeinsamen Vermögens und freie Wahl
der Gemeindebeamten. - Oestreich ist nach Stämmen und Völkerschaften getheilt,
das ist gegenwärtig ein Glück, einst mag es ein Unglück werden, weil der Kampf
der Landesvernunft mit principiellen Egoismus dadurch ein sehr hartnäckiger
werden wird. Verstehe ich recht, so hältst Du es jetzt noch für nöthig durch Be¬
freiung und Erhebung der Nationalitäten zu organisiren, Du gedenkst aus Galizien
und einem Theil von Nord-Ungarn ein Ruthenenland zu machen, Dn hast eine,
Wojwodschaft Serbien geschaffen, die schon jetzt ein Magnet wird, welcher stark
nach der Türkei hinüberzieht und sür die Staatenbildung an der Donau verhäng-
nißvoll werden muß; Du wirst das dreiköpfige Siebenbürgen als Provinz Herstellen
und durch alles dies die Möglichkeit schaffen, auch Ungarn in eine Provinzial-
größe umzuformen. War dies Plan, so ist die Ausführung geschickt begonnen,
hat die Geschichte mit Dir gespielt, so hat sie Dir doch wohlwollend in die Hände
gearbeitet. Jedenfalls ist von jetzt ab Oestreich darauf angewiesen, sich ans seinen
unendlich verschiedenen und zahlreichen Nationalitäten zu entwickeln, und wie man
auch diesen Weg der Entwicklung ansehe, er ist eine Thatsache, ans welche man
bauen, nach welcher man die Organisation Oestreichs einrichten muß.

Eine Verfassung, welche sich den verschiedensten Völkern und Bildungsstufen
anzupassen hat, wird ebenso einfach, als elastisch sein müssen; die Schwierigkeit
liegt nicht darin, die Formen sür das abgezogenere Leben des Gesammtsstaats zu
finden: ein Staatenparlament, wie man will, ans zwei Häusern bestehend, darüber
ein verantwortliches Ministerium; Finanzen, Rechtspflege, Heerwesen in diesem
centralisirt, das sind in der Theorie verhältnißmäßig einfache und leichter zu schaf¬
fende Bildungen, bei denen die Tagesförderungen und die Erfahrung anderer
Staaten Halt und Hilfe geben; aber die Verbindung dieses Oberbauch mit dem
Volk selbst, welches zum Theil noch als ungegliederte Masse starrt, ist die ver¬
hängnisvolle Arbeit, welche ebensoviel Constructionstalent als Ausdauer erfordert.

Außer einem freien Gemeindegesetz thut uns zunächst eine staatliche Verbin¬
dung der Gemeinden in kleinen Sphären Noth. Unsere administrativen Einheiten,
Viertel, Kreise, Gouvernements u. s. w. sind in der Regel zu groß, um eine freie
Concentration der gemeinsamen Gemeindeangelegenheiten, als Straßenbau, Armen-
und Krankenpflege, Beförderung der kleinen Ackerbauintercssen u. f. w. zu bewirken,
sie sind nützlicher für die Regierungen, als das Volk. Wo die Anlage zu solchen
kleinen Bezirken vorhanden ist, erscheint sie doch bei uns nicht entwickelt. Die
galizischen „Kreise," welche diesen geforderten Verbindungen der Größe nach
am meisten entsprechen, haben, freilich unter sehr bedauerlichen Verhältnissen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/51>, abgerufen am 23.12.2024.