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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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auf der Negotiner Beste eingeschlossen, von aller Hilfe entblößt und ohne Hoffnung
auf Entsatz hielt er sich mit wenigen Getreuen wochenlang. Schon lagen alle
Thürme der Beste in Schutt und Weliko wohnte in den Kellern einer eingestürzten
Warte, wo alles Zinngeräth zu Kugeln umgegossen wurde. Als auch diese Mu¬
nition ausging, ließ er Thaler und Goldstücke ans seiner letzten Karthauue schießen
und wehrte sich löwenkühn mit dem übermenschlichen Muthe eines Verzweifelten
gegen die anstürmenden Türken, bis ihn eine feindliche Kanonenkugel mitten von
einander riß. Noch im Sterben rief Weliko: ,^ol/to so, ur-re^!" (Haltet Euch,
Brüder!) Die moderne serbische Polizei theilt jedoch unsere Freude über die Ro¬
mantik des Heiduckeuwesens uicht. Des gute" Einvernehmens mit den Türken
wegen und noch mehr, weil sie in den Unbändiger nicht mit Unrecht ein gefähr¬
liches, revolutionäres Element erblickt, fahndet sie eifrig nach den kühnen Söhnen
des Gebirges, während das Volk, sie bewundert, aber scheut. Jetzt, wo die Hei¬
ducken an dem Kriege der Serben mit Ungarn Theil nehmen, fand sich die Negie¬
rung veranlaßt, bei ihren Durchzügen ein wenig durch die Finger zu sehen.

Wir sahen der Heiduckenfreischaar nach, sogar das Auditorium des auatolischen
Mährchenerzählers starrte eine Weile mit gereckten Hälsen nach der Strasse. Ein
eisgrauer Muselmann von noch rüstigem Aussehn trat zu uns und fragte, indem
er uns seineu Cibuk uach der Reihe zu einigen Zügen darbot -- im reinsten Ser¬
bisch, das die Türken von Belgrad besser sprechen, als ihre eigene Sprache:
"Jene Bursche ziehn wohl auch hinüber in den Magyarenkneg? Sagt doch bei
Eurem Glauben, was habt ihr mit den Magyaren? womit beleidigten sie Euch,
daß Ihr über die Donau geht und sie todtschlägt?" --

Einer der serbischen Kaufleute erklärte dem Alten in möglichst populärer Weise
die Ursachen des Kampfs zwischen den Ungarn und Serben und malte in etwas
grellen Farben die Versuche Ungarns, das serbische Volk in Syrmien, Banka
und Banat seiner alten Rechte zu berauben und dasselbe gewaltsam zu magyarisi-
ren. Der Türke fuhr nach erhaltener Belehrung grimmig blickend mit der flachen
Hand einigemal über seinen graue" Vollbart und er.pectonrte sich folgendermaßen:
"Recht habt Ihr, so mir Gesetz und Glaube heilig! daß Ihr Euern Brüdern im
Lande der Schwaben zu Hilfe geht. Die Magyaren sind arge Hunde, weil sie
Eltern Brüdern drüben die Sprache, welche von Gott ist, rauben wollen. Der
Teufel mag ihnen dafür die Seele --! Sie sündigen gegen Gott und sein Ge¬
setz. Hätte Gott, der Alles kaun, gewollt, daß die Serben Magyaren sein
sollten, wäre es ihm ein Leichtes gewesen, sie mit magyarische" Zungen zu er¬
schaffen, Gott aber wollte, daß die Serben Serben sein und serbisch reden sollen
und so wird es bleiben und es ist ein 8co^, (ein gutes, gottgefälliges Wert)
Kenn Ihr Euern Brüdern in ihrer gerechten Sache beistehen!"




auf der Negotiner Beste eingeschlossen, von aller Hilfe entblößt und ohne Hoffnung
auf Entsatz hielt er sich mit wenigen Getreuen wochenlang. Schon lagen alle
Thürme der Beste in Schutt und Weliko wohnte in den Kellern einer eingestürzten
Warte, wo alles Zinngeräth zu Kugeln umgegossen wurde. Als auch diese Mu¬
nition ausging, ließ er Thaler und Goldstücke ans seiner letzten Karthauue schießen
und wehrte sich löwenkühn mit dem übermenschlichen Muthe eines Verzweifelten
gegen die anstürmenden Türken, bis ihn eine feindliche Kanonenkugel mitten von
einander riß. Noch im Sterben rief Weliko: ,^ol/to so, ur-re^!" (Haltet Euch,
Brüder!) Die moderne serbische Polizei theilt jedoch unsere Freude über die Ro¬
mantik des Heiduckeuwesens uicht. Des gute» Einvernehmens mit den Türken
wegen und noch mehr, weil sie in den Unbändiger nicht mit Unrecht ein gefähr¬
liches, revolutionäres Element erblickt, fahndet sie eifrig nach den kühnen Söhnen
des Gebirges, während das Volk, sie bewundert, aber scheut. Jetzt, wo die Hei¬
ducken an dem Kriege der Serben mit Ungarn Theil nehmen, fand sich die Negie¬
rung veranlaßt, bei ihren Durchzügen ein wenig durch die Finger zu sehen.

Wir sahen der Heiduckenfreischaar nach, sogar das Auditorium des auatolischen
Mährchenerzählers starrte eine Weile mit gereckten Hälsen nach der Strasse. Ein
eisgrauer Muselmann von noch rüstigem Aussehn trat zu uns und fragte, indem
er uns seineu Cibuk uach der Reihe zu einigen Zügen darbot — im reinsten Ser¬
bisch, das die Türken von Belgrad besser sprechen, als ihre eigene Sprache:
„Jene Bursche ziehn wohl auch hinüber in den Magyarenkneg? Sagt doch bei
Eurem Glauben, was habt ihr mit den Magyaren? womit beleidigten sie Euch,
daß Ihr über die Donau geht und sie todtschlägt?" —

Einer der serbischen Kaufleute erklärte dem Alten in möglichst populärer Weise
die Ursachen des Kampfs zwischen den Ungarn und Serben und malte in etwas
grellen Farben die Versuche Ungarns, das serbische Volk in Syrmien, Banka
und Banat seiner alten Rechte zu berauben und dasselbe gewaltsam zu magyarisi-
ren. Der Türke fuhr nach erhaltener Belehrung grimmig blickend mit der flachen
Hand einigemal über seinen graue» Vollbart und er.pectonrte sich folgendermaßen:
„Recht habt Ihr, so mir Gesetz und Glaube heilig! daß Ihr Euern Brüdern im
Lande der Schwaben zu Hilfe geht. Die Magyaren sind arge Hunde, weil sie
Eltern Brüdern drüben die Sprache, welche von Gott ist, rauben wollen. Der
Teufel mag ihnen dafür die Seele —! Sie sündigen gegen Gott und sein Ge¬
setz. Hätte Gott, der Alles kaun, gewollt, daß die Serben Magyaren sein
sollten, wäre es ihm ein Leichtes gewesen, sie mit magyarische« Zungen zu er¬
schaffen, Gott aber wollte, daß die Serben Serben sein und serbisch reden sollen
und so wird es bleiben und es ist ein 8co^, (ein gutes, gottgefälliges Wert)
Kenn Ihr Euern Brüdern in ihrer gerechten Sache beistehen!"




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/509>, abgerufen am 29.11.2024.