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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Belgrad und die türkische Grenze.

(Schluß.)

Es ist Abend geworden in der Grenzfestung. Auf den Zinnen der Minarets
erscheinen die Jenem's mit Leuchten und singen die Saba, das Abendgebet: Fc-
Iieri -- In -- " -- ^lieu -- ilk ^-- la -- -- "! u. s. w. wobei sie beiläufig
die Hände so zu beiden Seiten des Gesichts halten, wie unsere Straßenjungen,
wenn sie Jemandem einen Esel bohren. Von der Serbenstadt herüber klingt
Trommelwirbel und Hornfanfare: das serbische Militär spielt seinen Zapfenstreich
auf russische Weise. Von den Festungswällen her hört man das erste Anrufen
der Wachen: "Atas! Atas!" Jede folgende Viertelstunde macht der heilige Lo¬
sungsruf "Aias! Aias!" von einem türkischen Posten dem andern zugerufen die
Runde um die Festung.

Beim Abendtisch im Hote! Michals trafen wir zahlreiche Gesellschaft; meist
serbische Offiziere, Kaufleute und Beamte. Die letztere theils in der serbischen
Nationaltracht, die einen Uebergang aus der arvalischen in die türkische bildet,
theils in einem eigenthümlichen Modeanzug, einem Mittelding zwischen Pariser und
Pesther Mode: Pantalons und Gnets und ein schmucker schön verschnürter Attila-
rock, dazu allemal die nationelle rothwollne Kappe (Fez). Zwischen den Tischen
gingen fortwährend türkische Hausirer ab und zu, dieser saftige Granatäpfel aus
Bosnien und köstlich eingesottene Früchte anbietend, jener zierlich in Blei gefaßte
Flintensteine und scharfe Patronen, jede mit zwei dnrch Spiraldrath verbundenen
Kugeln. Die Mehrzahl trug herrliche Waffen zum Verkauf: die Schießwaffen alle
vom größten Kaliber und mit tadellosen Läufen, die Schäftung reich und überaus
künstlich ausgelegt, denn der ärmste Mann in Serbien muß wenigstens schöne
Waffen haben; große Sattelpistolen mit schlanker, filberverzierter Handhabe, wie
sie hier Jedermann zu zweien im Gürtel zu tragen pflegt; damaszirte Trombous
und Musquctons, die bis dreißig Bleikugeln auf einmal aus ihren trichterförmigen
Läufen schleudern können, Flinten von der verschiedensten Gestalt, nach türkischer,
arabischer, arnautischer und montenegrinischer A.re; die letztern sind die schönsten
und von einer merkwürdigen Länge, alle durchweg mit Steinschlössern. Man kennt
hier zwar die Zündhütchen schon lange, hält aber nichts davon, in der Meinung,
sie seien weniger sicher, was allerdings nur bei der anerkannten Trefflichkeit des
türkischen Feuersteins einigermaßen erklärlich ist. Unter den Hieb- und Sto߬
waffen werden die Handzare am meisten gesucht und verhältnißmäßig am theuer¬
sten bezahlt. Es siud dies breite, leichtgekrümmte Damaszenerklingen von der
Länge einer Elle, die Schärfe daran nach innen, die Griffe derselben ohne Stich-
blart oder Bügel, meist von Büsselhorn oder Elfenbein, mit Silber, Korallen,


ArtNjbotm. I, 1549. KZ
Belgrad und die türkische Grenze.

(Schluß.)

Es ist Abend geworden in der Grenzfestung. Auf den Zinnen der Minarets
erscheinen die Jenem's mit Leuchten und singen die Saba, das Abendgebet: Fc-
Iieri — In — » — ^lieu — ilk ^— la — — »! u. s. w. wobei sie beiläufig
die Hände so zu beiden Seiten des Gesichts halten, wie unsere Straßenjungen,
wenn sie Jemandem einen Esel bohren. Von der Serbenstadt herüber klingt
Trommelwirbel und Hornfanfare: das serbische Militär spielt seinen Zapfenstreich
auf russische Weise. Von den Festungswällen her hört man das erste Anrufen
der Wachen: „Atas! Atas!" Jede folgende Viertelstunde macht der heilige Lo¬
sungsruf „Aias! Aias!" von einem türkischen Posten dem andern zugerufen die
Runde um die Festung.

Beim Abendtisch im Hote! Michals trafen wir zahlreiche Gesellschaft; meist
serbische Offiziere, Kaufleute und Beamte. Die letztere theils in der serbischen
Nationaltracht, die einen Uebergang aus der arvalischen in die türkische bildet,
theils in einem eigenthümlichen Modeanzug, einem Mittelding zwischen Pariser und
Pesther Mode: Pantalons und Gnets und ein schmucker schön verschnürter Attila-
rock, dazu allemal die nationelle rothwollne Kappe (Fez). Zwischen den Tischen
gingen fortwährend türkische Hausirer ab und zu, dieser saftige Granatäpfel aus
Bosnien und köstlich eingesottene Früchte anbietend, jener zierlich in Blei gefaßte
Flintensteine und scharfe Patronen, jede mit zwei dnrch Spiraldrath verbundenen
Kugeln. Die Mehrzahl trug herrliche Waffen zum Verkauf: die Schießwaffen alle
vom größten Kaliber und mit tadellosen Läufen, die Schäftung reich und überaus
künstlich ausgelegt, denn der ärmste Mann in Serbien muß wenigstens schöne
Waffen haben; große Sattelpistolen mit schlanker, filberverzierter Handhabe, wie
sie hier Jedermann zu zweien im Gürtel zu tragen pflegt; damaszirte Trombous
und Musquctons, die bis dreißig Bleikugeln auf einmal aus ihren trichterförmigen
Läufen schleudern können, Flinten von der verschiedensten Gestalt, nach türkischer,
arabischer, arnautischer und montenegrinischer A.re; die letztern sind die schönsten
und von einer merkwürdigen Länge, alle durchweg mit Steinschlössern. Man kennt
hier zwar die Zündhütchen schon lange, hält aber nichts davon, in der Meinung,
sie seien weniger sicher, was allerdings nur bei der anerkannten Trefflichkeit des
türkischen Feuersteins einigermaßen erklärlich ist. Unter den Hieb- und Sto߬
waffen werden die Handzare am meisten gesucht und verhältnißmäßig am theuer¬
sten bezahlt. Es siud dies breite, leichtgekrümmte Damaszenerklingen von der
Länge einer Elle, die Schärfe daran nach innen, die Griffe derselben ohne Stich-
blart oder Bügel, meist von Büsselhorn oder Elfenbein, mit Silber, Korallen,


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[0505] Belgrad und die türkische Grenze. (Schluß.) Es ist Abend geworden in der Grenzfestung. Auf den Zinnen der Minarets erscheinen die Jenem's mit Leuchten und singen die Saba, das Abendgebet: Fc- Iieri — In — » — ^lieu — ilk ^— la — — »! u. s. w. wobei sie beiläufig die Hände so zu beiden Seiten des Gesichts halten, wie unsere Straßenjungen, wenn sie Jemandem einen Esel bohren. Von der Serbenstadt herüber klingt Trommelwirbel und Hornfanfare: das serbische Militär spielt seinen Zapfenstreich auf russische Weise. Von den Festungswällen her hört man das erste Anrufen der Wachen: „Atas! Atas!" Jede folgende Viertelstunde macht der heilige Lo¬ sungsruf „Aias! Aias!" von einem türkischen Posten dem andern zugerufen die Runde um die Festung. Beim Abendtisch im Hote! Michals trafen wir zahlreiche Gesellschaft; meist serbische Offiziere, Kaufleute und Beamte. Die letztere theils in der serbischen Nationaltracht, die einen Uebergang aus der arvalischen in die türkische bildet, theils in einem eigenthümlichen Modeanzug, einem Mittelding zwischen Pariser und Pesther Mode: Pantalons und Gnets und ein schmucker schön verschnürter Attila- rock, dazu allemal die nationelle rothwollne Kappe (Fez). Zwischen den Tischen gingen fortwährend türkische Hausirer ab und zu, dieser saftige Granatäpfel aus Bosnien und köstlich eingesottene Früchte anbietend, jener zierlich in Blei gefaßte Flintensteine und scharfe Patronen, jede mit zwei dnrch Spiraldrath verbundenen Kugeln. Die Mehrzahl trug herrliche Waffen zum Verkauf: die Schießwaffen alle vom größten Kaliber und mit tadellosen Läufen, die Schäftung reich und überaus künstlich ausgelegt, denn der ärmste Mann in Serbien muß wenigstens schöne Waffen haben; große Sattelpistolen mit schlanker, filberverzierter Handhabe, wie sie hier Jedermann zu zweien im Gürtel zu tragen pflegt; damaszirte Trombous und Musquctons, die bis dreißig Bleikugeln auf einmal aus ihren trichterförmigen Läufen schleudern können, Flinten von der verschiedensten Gestalt, nach türkischer, arabischer, arnautischer und montenegrinischer A.re; die letztern sind die schönsten und von einer merkwürdigen Länge, alle durchweg mit Steinschlössern. Man kennt hier zwar die Zündhütchen schon lange, hält aber nichts davon, in der Meinung, sie seien weniger sicher, was allerdings nur bei der anerkannten Trefflichkeit des türkischen Feuersteins einigermaßen erklärlich ist. Unter den Hieb- und Sto߬ waffen werden die Handzare am meisten gesucht und verhältnißmäßig am theuer¬ sten bezahlt. Es siud dies breite, leichtgekrümmte Damaszenerklingen von der Länge einer Elle, die Schärfe daran nach innen, die Griffe derselben ohne Stich- blart oder Bügel, meist von Büsselhorn oder Elfenbein, mit Silber, Korallen, ArtNjbotm. I, 1549. KZ

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/505>, abgerufen am 28.11.2024.