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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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heißnngen genährt hatte. Man hatte -- das kann Niemand leugnen -- den Polen
etwas versprochen, was man nicht halten konnte, nicht halten durste, wenn man
nicht ein himmelschreiendes Verbrechen an den Rechten der deutschen Brüder, an
der Existenz des eignen Staats begehen wollte. Damals freilich, in der Hitze
der Straßenpolitik, kam es wenig darauf an, ob mau nicht ohne Weiteres die
Fahne der Revolution auch gegen den russischen Koloß führen sollte. Endlich die
finanziellen Schwierigkeiten, verbunden mit der unleugbaren Nothwendigkeit, den
Staat bei der Hebung der untern Volksklassen und bei der Lösung der feudalen
Ueberreste mehr zu betheiligen, als es bis dahin hatte geschehen können, und zwar
bei einer Theuerung des Geldes, die gerade durch die Revolution hervorgebracht
war. Was waren dies alles für gefährliche Waffen gegen die Negierung!

Man muß gestehen, daß die Regierung bei diesen Fragen noch Glück genug
hatte. Der dänische Krieg dient" dazu, der Armee, gegen welche die Revolution
vorzugsweise gerichtet war, in der öffentlichen Meinung wieder einen gewissen
Boden zu gewinnen. Die Polen discreditirten sich sehr rasch durch die Ma߬
losigkeit ihrer Ansprüche, und die Deutsche" der Provinz , zeigten mehr Energie,
als man hätte erwarten sollen. In Hansemann endlich besaß das Ministerium
eiuen Meister in der Kunst, unter schwierigen Umständen Geld zu schaffen. Selbst
die deutsche Frage, obgleich ans ihr die schwierigsten Verwicklungen hervorgingen,
gestaltete sich günstiger für Preußen theils durch die republikanischen und commu-
nistischen Gährungen, denen gegenüber die Nationalversammlung eben so conser-
vativ sein mußte, als sie gegen die- Regierungen revolutionär aufgetreten war,
theils durch die immer deutlicher hervortretende Abneigung Oestreichs, sich in dem
Sinn der Paulskirche an Deutschlands Wiedergeburt zu betheiligen.

- Wie verhielt sich uuter diesen Umständen die Nationalversammlung?

Es bildeten sich sehr bald zwei scharf getrennte Parteien, die conservative und
die demokratische. Die Letztere - nnter Waldeck's Führung -- ging von folgen¬
den Gesichtspunkten aus. Sie sah deu Feind ihrer Richtung viel weniger in der
Monarchie, als im Beamtenthum, dem Heer und der Aristokratie. Diese zu
brechen, war ihr die constitutionelle Sache Mittel, nicht Zweck. Sie verlangte
die Urwähler, das-Einkammersystem und die Volksbewaffnung nicht als Princip
-- wenigstens war ihr das Princip Nebensache -- sondern um der Demokratie
die Gewalt in die Hände zu spielen. Weit dringender aber lag ihr die Abschaf¬
fung aller, im alten System großgewordenen Beamten, aller Offiziere, des Adels
mit seinen Vorrechten und seinem Namen, so wie die Verwandlung des Heeres
in eine Volkswehr, der Bureaukratie in Gemeindebeamten und des Eigenthums¬
rechts in eine fluctnirende StaatSbcstimmnug zu Gunsten sämmtlicher Staatsbürger
am Herzen. Das letzte sieht wie eine Verdächtigung ans, ich möchte aber wissen,
wie man die Abschaffung der Neallasten ohne Entschädigung, die radicale Auge-


heißnngen genährt hatte. Man hatte — das kann Niemand leugnen — den Polen
etwas versprochen, was man nicht halten konnte, nicht halten durste, wenn man
nicht ein himmelschreiendes Verbrechen an den Rechten der deutschen Brüder, an
der Existenz des eignen Staats begehen wollte. Damals freilich, in der Hitze
der Straßenpolitik, kam es wenig darauf an, ob mau nicht ohne Weiteres die
Fahne der Revolution auch gegen den russischen Koloß führen sollte. Endlich die
finanziellen Schwierigkeiten, verbunden mit der unleugbaren Nothwendigkeit, den
Staat bei der Hebung der untern Volksklassen und bei der Lösung der feudalen
Ueberreste mehr zu betheiligen, als es bis dahin hatte geschehen können, und zwar
bei einer Theuerung des Geldes, die gerade durch die Revolution hervorgebracht
war. Was waren dies alles für gefährliche Waffen gegen die Negierung!

Man muß gestehen, daß die Regierung bei diesen Fragen noch Glück genug
hatte. Der dänische Krieg dient« dazu, der Armee, gegen welche die Revolution
vorzugsweise gerichtet war, in der öffentlichen Meinung wieder einen gewissen
Boden zu gewinnen. Die Polen discreditirten sich sehr rasch durch die Ma߬
losigkeit ihrer Ansprüche, und die Deutsche» der Provinz , zeigten mehr Energie,
als man hätte erwarten sollen. In Hansemann endlich besaß das Ministerium
eiuen Meister in der Kunst, unter schwierigen Umständen Geld zu schaffen. Selbst
die deutsche Frage, obgleich ans ihr die schwierigsten Verwicklungen hervorgingen,
gestaltete sich günstiger für Preußen theils durch die republikanischen und commu-
nistischen Gährungen, denen gegenüber die Nationalversammlung eben so conser-
vativ sein mußte, als sie gegen die- Regierungen revolutionär aufgetreten war,
theils durch die immer deutlicher hervortretende Abneigung Oestreichs, sich in dem
Sinn der Paulskirche an Deutschlands Wiedergeburt zu betheiligen.

- Wie verhielt sich uuter diesen Umständen die Nationalversammlung?

Es bildeten sich sehr bald zwei scharf getrennte Parteien, die conservative und
die demokratische. Die Letztere - nnter Waldeck's Führung — ging von folgen¬
den Gesichtspunkten aus. Sie sah deu Feind ihrer Richtung viel weniger in der
Monarchie, als im Beamtenthum, dem Heer und der Aristokratie. Diese zu
brechen, war ihr die constitutionelle Sache Mittel, nicht Zweck. Sie verlangte
die Urwähler, das-Einkammersystem und die Volksbewaffnung nicht als Princip
— wenigstens war ihr das Princip Nebensache — sondern um der Demokratie
die Gewalt in die Hände zu spielen. Weit dringender aber lag ihr die Abschaf¬
fung aller, im alten System großgewordenen Beamten, aller Offiziere, des Adels
mit seinen Vorrechten und seinem Namen, so wie die Verwandlung des Heeres
in eine Volkswehr, der Bureaukratie in Gemeindebeamten und des Eigenthums¬
rechts in eine fluctnirende StaatSbcstimmnug zu Gunsten sämmtlicher Staatsbürger
am Herzen. Das letzte sieht wie eine Verdächtigung ans, ich möchte aber wissen,
wie man die Abschaffung der Neallasten ohne Entschädigung, die radicale Auge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/493>, abgerufen am 23.07.2024.