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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Präsident der Depuiirtenkammer ist Lo uis Drucker. Die rothe Republik ist ein¬
geführt, Held ist Cabinetspräsident und Finanzminister. Er legt seine communisti-
schen Gesetzentwürfe der Kammer vor, in welcher zwar im Anfang die Börsen-
speculanten eine heftige Opposition erheben, weil mit Abschaffung des Gelbes
auch die Papiere fallen müssen, aber durch einige Kanonen, die auf die Kammer
gerichtet sind, wird die Freiheit der Debatte soweit aufrecht erhalten, daß mit
Ausnahme eines einzigen Punktes der ganze Finanzentwurf einstimmig angenom¬
men wird. Als das souveraine Volk der Rehberger draußen hört, daß noch ein
Punkt fehlt, dringt es in das Local ein und stellt dnrch seine Prügel die all¬
gemeine Ordnung und Harmonie her. -- Held wird auf seinen Schultern im
Triumph herausgetragen. An zeitgemäßen Couplets, an Hieben nach beiden Sei¬
ten hin, fehlte es nicht; Adam Rührei als idealer Zuschauer macht den Chorus,
der die Bilder des Wachsfigurencabinets erklärt.

Im dritten Act -- der wohl ganz dem Französischen entlehnt ist -- tritt das
neue Gesetz in Kraft. Von Staatswegen ist allen Bürgern das Recht der Arbeit
garantirt. In Folge dessen wird Herr Rührei, der eben in einem nothwendigen
Geschäft nach der Spandauer Straße gehen will, von einem Droschkenkutscher ge¬
packt und nach Charlottenburg gefahren, weil die Droschke Beschäftigung haben
muß. Ein unbeschäftigter Glaser dringt in sein Haus und schlägt ihm die Fenster
ein, um neues Glas einsetzen zu können; ein paar Eckensteher räumen seiue Mö¬
beln aus, weil sie gerade nichts zu tragen haben; acht Putzmacherinnen bringen
seiner Frau neue Kleider, ein Tapezierer mißt ihm die Tapeten ab n. s. w.
Höchst ergötzlich. Der Schluß, wie alle Geld haben wollen, ist oj"el^ buffa.

Im folgenden Act ist die rothe Republik schon so weit gediehen, daß nur
rothe Kleider getragen werden dürfen. Der Unterschied der Geschlechter hat auf¬
gehört, auch in der Tracht, das Geld ist abgeschafft. Adam Rührei kommt mit
einem großen kupfernen Kessel, seiner einzigen Münzsorte, auf dem Kopfe, sich
Fleisch zur Suppe anzukaufen. Für eiuen ausgestopften. Affen kauft er von Vater
Karbe, dem Conditor, einen Windbeutel; er bekommt darauf einen Waschtisch her¬
aus. Er sagt, ob er für diese Geldsorte uicht auch deu entsprechenden Beutel erhalten
kann. Einige unvorsichtige Aeußerungen, in denen er von "mein" und "dein" spricht,
machen ihm des Eigenthums verdächtig; wegen dieses Majestätsverbrechens gegen die
Souveränität des Volks wird er durch den Staatsanwalt auf Leib und Leben ange¬
klagt, und endlich mit Einsparung ins Irrenhaus begnadigt. Nachdem Held auf diese
Weise das Maaß seiner Willkürlichkeiten erfüllt hat, wacht er im fünften Acte auf;
seine Placate haben keine Wirkung gehabt, er muß das Zimmer verlassen, weil
er keine Miethe zahlen kann, und Herr Rührei schließt mit einigen ironischen
Lobsprüchen aus den Belagerungszustand das Stück, das in seiner Anlage komisch
genug ist, um Jeden zu dem Wunsch zu bringen, es wäre besser ausgeführt.

Da ich einmal in die Regionen des Schauspiels gekommen bin, will ich Sie


Präsident der Depuiirtenkammer ist Lo uis Drucker. Die rothe Republik ist ein¬
geführt, Held ist Cabinetspräsident und Finanzminister. Er legt seine communisti-
schen Gesetzentwürfe der Kammer vor, in welcher zwar im Anfang die Börsen-
speculanten eine heftige Opposition erheben, weil mit Abschaffung des Gelbes
auch die Papiere fallen müssen, aber durch einige Kanonen, die auf die Kammer
gerichtet sind, wird die Freiheit der Debatte soweit aufrecht erhalten, daß mit
Ausnahme eines einzigen Punktes der ganze Finanzentwurf einstimmig angenom¬
men wird. Als das souveraine Volk der Rehberger draußen hört, daß noch ein
Punkt fehlt, dringt es in das Local ein und stellt dnrch seine Prügel die all¬
gemeine Ordnung und Harmonie her. — Held wird auf seinen Schultern im
Triumph herausgetragen. An zeitgemäßen Couplets, an Hieben nach beiden Sei¬
ten hin, fehlte es nicht; Adam Rührei als idealer Zuschauer macht den Chorus,
der die Bilder des Wachsfigurencabinets erklärt.

Im dritten Act — der wohl ganz dem Französischen entlehnt ist — tritt das
neue Gesetz in Kraft. Von Staatswegen ist allen Bürgern das Recht der Arbeit
garantirt. In Folge dessen wird Herr Rührei, der eben in einem nothwendigen
Geschäft nach der Spandauer Straße gehen will, von einem Droschkenkutscher ge¬
packt und nach Charlottenburg gefahren, weil die Droschke Beschäftigung haben
muß. Ein unbeschäftigter Glaser dringt in sein Haus und schlägt ihm die Fenster
ein, um neues Glas einsetzen zu können; ein paar Eckensteher räumen seiue Mö¬
beln aus, weil sie gerade nichts zu tragen haben; acht Putzmacherinnen bringen
seiner Frau neue Kleider, ein Tapezierer mißt ihm die Tapeten ab n. s. w.
Höchst ergötzlich. Der Schluß, wie alle Geld haben wollen, ist oj»el^ buffa.

Im folgenden Act ist die rothe Republik schon so weit gediehen, daß nur
rothe Kleider getragen werden dürfen. Der Unterschied der Geschlechter hat auf¬
gehört, auch in der Tracht, das Geld ist abgeschafft. Adam Rührei kommt mit
einem großen kupfernen Kessel, seiner einzigen Münzsorte, auf dem Kopfe, sich
Fleisch zur Suppe anzukaufen. Für eiuen ausgestopften. Affen kauft er von Vater
Karbe, dem Conditor, einen Windbeutel; er bekommt darauf einen Waschtisch her¬
aus. Er sagt, ob er für diese Geldsorte uicht auch deu entsprechenden Beutel erhalten
kann. Einige unvorsichtige Aeußerungen, in denen er von „mein" und „dein" spricht,
machen ihm des Eigenthums verdächtig; wegen dieses Majestätsverbrechens gegen die
Souveränität des Volks wird er durch den Staatsanwalt auf Leib und Leben ange¬
klagt, und endlich mit Einsparung ins Irrenhaus begnadigt. Nachdem Held auf diese
Weise das Maaß seiner Willkürlichkeiten erfüllt hat, wacht er im fünften Acte auf;
seine Placate haben keine Wirkung gehabt, er muß das Zimmer verlassen, weil
er keine Miethe zahlen kann, und Herr Rührei schließt mit einigen ironischen
Lobsprüchen aus den Belagerungszustand das Stück, das in seiner Anlage komisch
genug ist, um Jeden zu dem Wunsch zu bringen, es wäre besser ausgeführt.

Da ich einmal in die Regionen des Schauspiels gekommen bin, will ich Sie


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[0476] Präsident der Depuiirtenkammer ist Lo uis Drucker. Die rothe Republik ist ein¬ geführt, Held ist Cabinetspräsident und Finanzminister. Er legt seine communisti- schen Gesetzentwürfe der Kammer vor, in welcher zwar im Anfang die Börsen- speculanten eine heftige Opposition erheben, weil mit Abschaffung des Gelbes auch die Papiere fallen müssen, aber durch einige Kanonen, die auf die Kammer gerichtet sind, wird die Freiheit der Debatte soweit aufrecht erhalten, daß mit Ausnahme eines einzigen Punktes der ganze Finanzentwurf einstimmig angenom¬ men wird. Als das souveraine Volk der Rehberger draußen hört, daß noch ein Punkt fehlt, dringt es in das Local ein und stellt dnrch seine Prügel die all¬ gemeine Ordnung und Harmonie her. — Held wird auf seinen Schultern im Triumph herausgetragen. An zeitgemäßen Couplets, an Hieben nach beiden Sei¬ ten hin, fehlte es nicht; Adam Rührei als idealer Zuschauer macht den Chorus, der die Bilder des Wachsfigurencabinets erklärt. Im dritten Act — der wohl ganz dem Französischen entlehnt ist — tritt das neue Gesetz in Kraft. Von Staatswegen ist allen Bürgern das Recht der Arbeit garantirt. In Folge dessen wird Herr Rührei, der eben in einem nothwendigen Geschäft nach der Spandauer Straße gehen will, von einem Droschkenkutscher ge¬ packt und nach Charlottenburg gefahren, weil die Droschke Beschäftigung haben muß. Ein unbeschäftigter Glaser dringt in sein Haus und schlägt ihm die Fenster ein, um neues Glas einsetzen zu können; ein paar Eckensteher räumen seiue Mö¬ beln aus, weil sie gerade nichts zu tragen haben; acht Putzmacherinnen bringen seiner Frau neue Kleider, ein Tapezierer mißt ihm die Tapeten ab n. s. w. Höchst ergötzlich. Der Schluß, wie alle Geld haben wollen, ist oj»el^ buffa. Im folgenden Act ist die rothe Republik schon so weit gediehen, daß nur rothe Kleider getragen werden dürfen. Der Unterschied der Geschlechter hat auf¬ gehört, auch in der Tracht, das Geld ist abgeschafft. Adam Rührei kommt mit einem großen kupfernen Kessel, seiner einzigen Münzsorte, auf dem Kopfe, sich Fleisch zur Suppe anzukaufen. Für eiuen ausgestopften. Affen kauft er von Vater Karbe, dem Conditor, einen Windbeutel; er bekommt darauf einen Waschtisch her¬ aus. Er sagt, ob er für diese Geldsorte uicht auch deu entsprechenden Beutel erhalten kann. Einige unvorsichtige Aeußerungen, in denen er von „mein" und „dein" spricht, machen ihm des Eigenthums verdächtig; wegen dieses Majestätsverbrechens gegen die Souveränität des Volks wird er durch den Staatsanwalt auf Leib und Leben ange¬ klagt, und endlich mit Einsparung ins Irrenhaus begnadigt. Nachdem Held auf diese Weise das Maaß seiner Willkürlichkeiten erfüllt hat, wacht er im fünften Acte auf; seine Placate haben keine Wirkung gehabt, er muß das Zimmer verlassen, weil er keine Miethe zahlen kann, und Herr Rührei schließt mit einigen ironischen Lobsprüchen aus den Belagerungszustand das Stück, das in seiner Anlage komisch genug ist, um Jeden zu dem Wunsch zu bringen, es wäre besser ausgeführt. Da ich einmal in die Regionen des Schauspiels gekommen bin, will ich Sie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/476>, abgerufen am 25.11.2024.