Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

so frei sind. Die Mittel und Wege dazu werden immer höchst sinnreich erfunden.
In ihrer weiten Hülle auf der Straße gesehen und anderswo wird nur sehr
wenigen Kühnen das Glück! -- machen die Türkinnen, besonders die Ärmeren
Belgrads, keinen günstigen Eindruck, eher einen peinlichen. Selbst das Myste¬
riöse der ersten Erscheinung geht bald durch den hüpfenden und huschender Gang
ganz verloren. Was man vom Gesicht scheu kann, ist blos die Partie von der
halben Stirn bis zum Mund. Die Wangen werden stark geschminkt und mit etli¬
chen sternförmigen Schönpflästerchen beklebt, Einige malen sich gar statt solcher
iudigoblaue Pünktchen in's Gesicht. Die Nägel an den Fingern siud rothgelb
bemalt. Jede Türkin pflegt sich zu parfnmiren, am liebsten mit Rosenöl, weil
eS riechen soll wie der Athem des großen Propheten Mahomed. Sie lieben es,
Federfächer mit kleinen Rundspiegeln zu tragen. Unter dem Saume des weiten,
dunkelfarbigen Ueberwurfs scheu die Enden seidener Höschen hervor. seidene
Strümpfe und gestickte Schuhe tragen nur die sehr reichen, die übrigen stehen
nackten Fusses in klappernden Pantoffeln. Der Pantoffel spielt unten im Frauen¬
leben eine wichtige Rolle. Verkehrt vor dem Kadi hingesetzt, dient er als Ein¬
leitung einer Ehescheidungsklage, die sehr oft^ vorkommen und sehr wenige Schwie¬
rigkeiten machen. Nur wenn die Frau ehebrecherisch war, verliert sie bei der
Scheidung ihre Mitgift; doch nur wenn sie es mit einem andern Muselmann hielt,
kömmt sie so leichten Kaufes weg; wenn mau sie mit einem Christen ertappt, wird
sie ohne Gnade gehackt. Ein anderes Vorrecht des Pantoffels ist, daß der Mu¬
selmann, wenn er in seiner Hausflur weibliche Pantoffeln stehn sieht, unter keiner
Bedingung die Frauenstube betreten darf, denu eine seiner Weiber hat Besuch.
Mehrere Weiber hat in Belgrad nur äußerst selten Jemand; selbst Bigamie kommt
bei den Belgrader Türken nicht gar häufig vor, die große Mehrzahl vermag kaum
j (Beschluß folgt.) e ein Weib zu ernähren.




Wiener Märztage



Zeichen und Wunder geschehen seit einigen Tagen. Das Volk findet dies
in der Ordnung, es ist ja der heilige Märzmonat angebrochen. Jüngst standen
Hunderte von Menschen den ganzen Nachmittag auf dem Stephansplatz und er¬
schöpften sich in Deutungen einer sonst nicht seltenen Erscheinung. Ein Stoßvogel
war von der Spitze des Münsters herabgefahren und hatte eine Taube gerupft.
Scharfe Augen sahen die Federn im Winde fliegen und lustig flatterte darüber die
schwarzgelbe Fahne, die so riesengroß ist, daß sie den Thurm beinahe verkleinert.


so frei sind. Die Mittel und Wege dazu werden immer höchst sinnreich erfunden.
In ihrer weiten Hülle auf der Straße gesehen und anderswo wird nur sehr
wenigen Kühnen das Glück! — machen die Türkinnen, besonders die Ärmeren
Belgrads, keinen günstigen Eindruck, eher einen peinlichen. Selbst das Myste¬
riöse der ersten Erscheinung geht bald durch den hüpfenden und huschender Gang
ganz verloren. Was man vom Gesicht scheu kann, ist blos die Partie von der
halben Stirn bis zum Mund. Die Wangen werden stark geschminkt und mit etli¬
chen sternförmigen Schönpflästerchen beklebt, Einige malen sich gar statt solcher
iudigoblaue Pünktchen in's Gesicht. Die Nägel an den Fingern siud rothgelb
bemalt. Jede Türkin pflegt sich zu parfnmiren, am liebsten mit Rosenöl, weil
eS riechen soll wie der Athem des großen Propheten Mahomed. Sie lieben es,
Federfächer mit kleinen Rundspiegeln zu tragen. Unter dem Saume des weiten,
dunkelfarbigen Ueberwurfs scheu die Enden seidener Höschen hervor. seidene
Strümpfe und gestickte Schuhe tragen nur die sehr reichen, die übrigen stehen
nackten Fusses in klappernden Pantoffeln. Der Pantoffel spielt unten im Frauen¬
leben eine wichtige Rolle. Verkehrt vor dem Kadi hingesetzt, dient er als Ein¬
leitung einer Ehescheidungsklage, die sehr oft^ vorkommen und sehr wenige Schwie¬
rigkeiten machen. Nur wenn die Frau ehebrecherisch war, verliert sie bei der
Scheidung ihre Mitgift; doch nur wenn sie es mit einem andern Muselmann hielt,
kömmt sie so leichten Kaufes weg; wenn mau sie mit einem Christen ertappt, wird
sie ohne Gnade gehackt. Ein anderes Vorrecht des Pantoffels ist, daß der Mu¬
selmann, wenn er in seiner Hausflur weibliche Pantoffeln stehn sieht, unter keiner
Bedingung die Frauenstube betreten darf, denu eine seiner Weiber hat Besuch.
Mehrere Weiber hat in Belgrad nur äußerst selten Jemand; selbst Bigamie kommt
bei den Belgrader Türken nicht gar häufig vor, die große Mehrzahl vermag kaum
j (Beschluß folgt.) e ein Weib zu ernähren.




Wiener Märztage



Zeichen und Wunder geschehen seit einigen Tagen. Das Volk findet dies
in der Ordnung, es ist ja der heilige Märzmonat angebrochen. Jüngst standen
Hunderte von Menschen den ganzen Nachmittag auf dem Stephansplatz und er¬
schöpften sich in Deutungen einer sonst nicht seltenen Erscheinung. Ein Stoßvogel
war von der Spitze des Münsters herabgefahren und hatte eine Taube gerupft.
Scharfe Augen sahen die Federn im Winde fliegen und lustig flatterte darüber die
schwarzgelbe Fahne, die so riesengroß ist, daß sie den Thurm beinahe verkleinert.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0455" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278443"/>
            <p xml:id="ID_2614" prev="#ID_2613"> so frei sind. Die Mittel und Wege dazu werden immer höchst sinnreich erfunden.<lb/>
In ihrer weiten Hülle auf der Straße gesehen und anderswo wird nur sehr<lb/>
wenigen Kühnen das Glück! &#x2014; machen die Türkinnen, besonders die Ärmeren<lb/>
Belgrads, keinen günstigen Eindruck, eher einen peinlichen. Selbst das Myste¬<lb/>
riöse der ersten Erscheinung geht bald durch den hüpfenden und huschender Gang<lb/>
ganz verloren. Was man vom Gesicht scheu kann, ist blos die Partie von der<lb/>
halben Stirn bis zum Mund. Die Wangen werden stark geschminkt und mit etli¬<lb/>
chen sternförmigen Schönpflästerchen beklebt, Einige malen sich gar statt solcher<lb/>
iudigoblaue Pünktchen in's Gesicht. Die Nägel an den Fingern siud rothgelb<lb/>
bemalt. Jede Türkin pflegt sich zu parfnmiren, am liebsten mit Rosenöl, weil<lb/>
eS riechen soll wie der Athem des großen Propheten Mahomed. Sie lieben es,<lb/>
Federfächer mit kleinen Rundspiegeln zu tragen. Unter dem Saume des weiten,<lb/>
dunkelfarbigen Ueberwurfs scheu die Enden seidener Höschen hervor. seidene<lb/>
Strümpfe und gestickte Schuhe tragen nur die sehr reichen, die übrigen stehen<lb/>
nackten Fusses in klappernden Pantoffeln. Der Pantoffel spielt unten im Frauen¬<lb/>
leben eine wichtige Rolle. Verkehrt vor dem Kadi hingesetzt, dient er als Ein¬<lb/>
leitung einer Ehescheidungsklage, die sehr oft^ vorkommen und sehr wenige Schwie¬<lb/>
rigkeiten machen. Nur wenn die Frau ehebrecherisch war, verliert sie bei der<lb/>
Scheidung ihre Mitgift; doch nur wenn sie es mit einem andern Muselmann hielt,<lb/>
kömmt sie so leichten Kaufes weg; wenn mau sie mit einem Christen ertappt, wird<lb/>
sie ohne Gnade gehackt. Ein anderes Vorrecht des Pantoffels ist, daß der Mu¬<lb/>
selmann, wenn er in seiner Hausflur weibliche Pantoffeln stehn sieht, unter keiner<lb/>
Bedingung die Frauenstube betreten darf, denu eine seiner Weiber hat Besuch.<lb/>
Mehrere Weiber hat in Belgrad nur äußerst selten Jemand; selbst Bigamie kommt<lb/>
bei den Belgrader Türken nicht gar häufig vor, die große Mehrzahl vermag kaum<lb/>
j (Beschluß folgt.) e ein Weib zu ernähren. </p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Wiener Märztage</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p xml:id="ID_2615" next="#ID_2616"> Zeichen und Wunder geschehen seit einigen Tagen. Das Volk findet dies<lb/>
in der Ordnung, es ist ja der heilige Märzmonat angebrochen. Jüngst standen<lb/>
Hunderte von Menschen den ganzen Nachmittag auf dem Stephansplatz und er¬<lb/>
schöpften sich in Deutungen einer sonst nicht seltenen Erscheinung. Ein Stoßvogel<lb/>
war von der Spitze des Münsters herabgefahren und hatte eine Taube gerupft.<lb/>
Scharfe Augen sahen die Federn im Winde fliegen und lustig flatterte darüber die<lb/>
schwarzgelbe Fahne, die so riesengroß ist, daß sie den Thurm beinahe verkleinert.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0455] so frei sind. Die Mittel und Wege dazu werden immer höchst sinnreich erfunden. In ihrer weiten Hülle auf der Straße gesehen und anderswo wird nur sehr wenigen Kühnen das Glück! — machen die Türkinnen, besonders die Ärmeren Belgrads, keinen günstigen Eindruck, eher einen peinlichen. Selbst das Myste¬ riöse der ersten Erscheinung geht bald durch den hüpfenden und huschender Gang ganz verloren. Was man vom Gesicht scheu kann, ist blos die Partie von der halben Stirn bis zum Mund. Die Wangen werden stark geschminkt und mit etli¬ chen sternförmigen Schönpflästerchen beklebt, Einige malen sich gar statt solcher iudigoblaue Pünktchen in's Gesicht. Die Nägel an den Fingern siud rothgelb bemalt. Jede Türkin pflegt sich zu parfnmiren, am liebsten mit Rosenöl, weil eS riechen soll wie der Athem des großen Propheten Mahomed. Sie lieben es, Federfächer mit kleinen Rundspiegeln zu tragen. Unter dem Saume des weiten, dunkelfarbigen Ueberwurfs scheu die Enden seidener Höschen hervor. seidene Strümpfe und gestickte Schuhe tragen nur die sehr reichen, die übrigen stehen nackten Fusses in klappernden Pantoffeln. Der Pantoffel spielt unten im Frauen¬ leben eine wichtige Rolle. Verkehrt vor dem Kadi hingesetzt, dient er als Ein¬ leitung einer Ehescheidungsklage, die sehr oft^ vorkommen und sehr wenige Schwie¬ rigkeiten machen. Nur wenn die Frau ehebrecherisch war, verliert sie bei der Scheidung ihre Mitgift; doch nur wenn sie es mit einem andern Muselmann hielt, kömmt sie so leichten Kaufes weg; wenn mau sie mit einem Christen ertappt, wird sie ohne Gnade gehackt. Ein anderes Vorrecht des Pantoffels ist, daß der Mu¬ selmann, wenn er in seiner Hausflur weibliche Pantoffeln stehn sieht, unter keiner Bedingung die Frauenstube betreten darf, denu eine seiner Weiber hat Besuch. Mehrere Weiber hat in Belgrad nur äußerst selten Jemand; selbst Bigamie kommt bei den Belgrader Türken nicht gar häufig vor, die große Mehrzahl vermag kaum j (Beschluß folgt.) e ein Weib zu ernähren. Wiener Märztage Zeichen und Wunder geschehen seit einigen Tagen. Das Volk findet dies in der Ordnung, es ist ja der heilige Märzmonat angebrochen. Jüngst standen Hunderte von Menschen den ganzen Nachmittag auf dem Stephansplatz und er¬ schöpften sich in Deutungen einer sonst nicht seltenen Erscheinung. Ein Stoßvogel war von der Spitze des Münsters herabgefahren und hatte eine Taube gerupft. Scharfe Augen sahen die Federn im Winde fliegen und lustig flatterte darüber die schwarzgelbe Fahne, die so riesengroß ist, daß sie den Thurm beinahe verkleinert.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/455
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/455>, abgerufen am 22.12.2024.