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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Thor an Kam Georg's Heldenruhm ^). Von den Wällen und aus den zahllosen
Schießlucken starre" wohl bei 300 Kanonen. Das Türkenthum hat sich hier sehr
stark gegen die europäische Civilisation verbarrikadirt!

Ehe wir die Fähre verließen, zeigte uns ein Nuderknccht die Stelle, von
welcher aus vor der türkischen Invasion eine große Brücke Belgrad mit Semlin
verband. "Damals," bemerkte er, "waren bessere Zeiten. Nun, was war, wird
wieder kommen!" --

Beim ersten Thore, das halb von Stein, halb von Holz, und sehr baufällig
ist, sah ich die ersten türkischen Soldaten. Kerle, die man versucht wäre, komisch
zu nennen, wenn sie nicht gar zu erbärmlich aussähen. In ihren nicht eben über¬
mäßig sauber gehaltenen Uniformen nach europäischem Zuschnitt, in den blauen,
roth aufgeschlagenen Spencern und engen Leinwandhöschen sehen sie ganz krumm
und lahm ans, ihre Gesichter sind wüst -- nicht wild -- stumpf und aufgedunsen.
Zu diesem geschmacklosen Anzug macht sich das rothe orientalische Käppchen sehr
sonderbar. Die Offiziere unterscheiden sich von den Gemeinen nur durch ihren
sichelförmigen Schleppsäbel und dnrch einen silbernen Halbmond und Stern, der
wie ein Helmkragen angehängt wird, sonst durch gar nichts, nicht einmal durch
einen sauberer gebürsteten Rock. Das Schuhwerk ist bei der Mannschaft und den
Offizieren im fürchterlichsten Zustande, der Zwischenraum zwischen demselben und
dem Beinkleide läßt allemal den nackten Knöchel sehen.

Belgrad's Straßen haben eine sehr romantische, aber nirgend eine fest aus¬
geprägte Physionomie: orientalisches und occidentalisches Wesen ist hier in einer
schwer zu klärenden Mischung verschwommen wie in keiner andern Stadt. Belgrad
ist nach seiner Bevölkerung in zwei ziemlich gleiche Theile getheilt. Die serbische
Hälfte liegt gegen Abend, an den merkwürdigen Hügel Vracar gelehnt, die türkische
gegen Morgen. Im Leben aber ist es anders, auf der serbischen Seite dämmert
ein schöner, Heller Morgen, bei den Türken Abend, Untergang. Wohl nirgend
fühlt man es so sehr, daß die Osmanen sich überlebt und ihre Rolle in Europa
ausgespielt haben, wie in Belgrad!

Der Stadttheil der Serben hat schöne breite Straßen mit wohlgebauten
Häusern, die durch eine sinnige Verschmelzung des modernen abendländischen Bau¬
stils mit dem morgenländischen gefallen. Die türkischen Straßen sind krumm und
winklich, die Häuser darin baufällig und düster, die kahlen Wände nach der Stra¬
ßenseite gekehrt, die Fenster nach innen, des argusäugig bewachten zarten Geschlech¬
tes wegen. Alles zeugt hier von Schmutz und Elend. Die Türken Belgrad's
haben sich seit den schweren Schlägen, welche sie im serbischen Befreiungskriege



*) Die Türken habe" das Thor, durch welches einst Kara Georg mit seiner serbischen
Schaar siegreich einzog, nach der pactirren Wiederbesetzung der Festung zumauern lassen, gleich¬
sam als sollte diesem steinernen Zeugen ihrer Schande der Mund verstopft werden.

Thor an Kam Georg's Heldenruhm ^). Von den Wällen und aus den zahllosen
Schießlucken starre» wohl bei 300 Kanonen. Das Türkenthum hat sich hier sehr
stark gegen die europäische Civilisation verbarrikadirt!

Ehe wir die Fähre verließen, zeigte uns ein Nuderknccht die Stelle, von
welcher aus vor der türkischen Invasion eine große Brücke Belgrad mit Semlin
verband. „Damals," bemerkte er, „waren bessere Zeiten. Nun, was war, wird
wieder kommen!" —

Beim ersten Thore, das halb von Stein, halb von Holz, und sehr baufällig
ist, sah ich die ersten türkischen Soldaten. Kerle, die man versucht wäre, komisch
zu nennen, wenn sie nicht gar zu erbärmlich aussähen. In ihren nicht eben über¬
mäßig sauber gehaltenen Uniformen nach europäischem Zuschnitt, in den blauen,
roth aufgeschlagenen Spencern und engen Leinwandhöschen sehen sie ganz krumm
und lahm ans, ihre Gesichter sind wüst — nicht wild — stumpf und aufgedunsen.
Zu diesem geschmacklosen Anzug macht sich das rothe orientalische Käppchen sehr
sonderbar. Die Offiziere unterscheiden sich von den Gemeinen nur durch ihren
sichelförmigen Schleppsäbel und dnrch einen silbernen Halbmond und Stern, der
wie ein Helmkragen angehängt wird, sonst durch gar nichts, nicht einmal durch
einen sauberer gebürsteten Rock. Das Schuhwerk ist bei der Mannschaft und den
Offizieren im fürchterlichsten Zustande, der Zwischenraum zwischen demselben und
dem Beinkleide läßt allemal den nackten Knöchel sehen.

Belgrad's Straßen haben eine sehr romantische, aber nirgend eine fest aus¬
geprägte Physionomie: orientalisches und occidentalisches Wesen ist hier in einer
schwer zu klärenden Mischung verschwommen wie in keiner andern Stadt. Belgrad
ist nach seiner Bevölkerung in zwei ziemlich gleiche Theile getheilt. Die serbische
Hälfte liegt gegen Abend, an den merkwürdigen Hügel Vracar gelehnt, die türkische
gegen Morgen. Im Leben aber ist es anders, auf der serbischen Seite dämmert
ein schöner, Heller Morgen, bei den Türken Abend, Untergang. Wohl nirgend
fühlt man es so sehr, daß die Osmanen sich überlebt und ihre Rolle in Europa
ausgespielt haben, wie in Belgrad!

Der Stadttheil der Serben hat schöne breite Straßen mit wohlgebauten
Häusern, die durch eine sinnige Verschmelzung des modernen abendländischen Bau¬
stils mit dem morgenländischen gefallen. Die türkischen Straßen sind krumm und
winklich, die Häuser darin baufällig und düster, die kahlen Wände nach der Stra¬
ßenseite gekehrt, die Fenster nach innen, des argusäugig bewachten zarten Geschlech¬
tes wegen. Alles zeugt hier von Schmutz und Elend. Die Türken Belgrad's
haben sich seit den schweren Schlägen, welche sie im serbischen Befreiungskriege



*) Die Türken habe» das Thor, durch welches einst Kara Georg mit seiner serbischen
Schaar siegreich einzog, nach der pactirren Wiederbesetzung der Festung zumauern lassen, gleich¬
sam als sollte diesem steinernen Zeugen ihrer Schande der Mund verstopft werden.
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[0450] Thor an Kam Georg's Heldenruhm ^). Von den Wällen und aus den zahllosen Schießlucken starre» wohl bei 300 Kanonen. Das Türkenthum hat sich hier sehr stark gegen die europäische Civilisation verbarrikadirt! Ehe wir die Fähre verließen, zeigte uns ein Nuderknccht die Stelle, von welcher aus vor der türkischen Invasion eine große Brücke Belgrad mit Semlin verband. „Damals," bemerkte er, „waren bessere Zeiten. Nun, was war, wird wieder kommen!" — Beim ersten Thore, das halb von Stein, halb von Holz, und sehr baufällig ist, sah ich die ersten türkischen Soldaten. Kerle, die man versucht wäre, komisch zu nennen, wenn sie nicht gar zu erbärmlich aussähen. In ihren nicht eben über¬ mäßig sauber gehaltenen Uniformen nach europäischem Zuschnitt, in den blauen, roth aufgeschlagenen Spencern und engen Leinwandhöschen sehen sie ganz krumm und lahm ans, ihre Gesichter sind wüst — nicht wild — stumpf und aufgedunsen. Zu diesem geschmacklosen Anzug macht sich das rothe orientalische Käppchen sehr sonderbar. Die Offiziere unterscheiden sich von den Gemeinen nur durch ihren sichelförmigen Schleppsäbel und dnrch einen silbernen Halbmond und Stern, der wie ein Helmkragen angehängt wird, sonst durch gar nichts, nicht einmal durch einen sauberer gebürsteten Rock. Das Schuhwerk ist bei der Mannschaft und den Offizieren im fürchterlichsten Zustande, der Zwischenraum zwischen demselben und dem Beinkleide läßt allemal den nackten Knöchel sehen. Belgrad's Straßen haben eine sehr romantische, aber nirgend eine fest aus¬ geprägte Physionomie: orientalisches und occidentalisches Wesen ist hier in einer schwer zu klärenden Mischung verschwommen wie in keiner andern Stadt. Belgrad ist nach seiner Bevölkerung in zwei ziemlich gleiche Theile getheilt. Die serbische Hälfte liegt gegen Abend, an den merkwürdigen Hügel Vracar gelehnt, die türkische gegen Morgen. Im Leben aber ist es anders, auf der serbischen Seite dämmert ein schöner, Heller Morgen, bei den Türken Abend, Untergang. Wohl nirgend fühlt man es so sehr, daß die Osmanen sich überlebt und ihre Rolle in Europa ausgespielt haben, wie in Belgrad! Der Stadttheil der Serben hat schöne breite Straßen mit wohlgebauten Häusern, die durch eine sinnige Verschmelzung des modernen abendländischen Bau¬ stils mit dem morgenländischen gefallen. Die türkischen Straßen sind krumm und winklich, die Häuser darin baufällig und düster, die kahlen Wände nach der Stra¬ ßenseite gekehrt, die Fenster nach innen, des argusäugig bewachten zarten Geschlech¬ tes wegen. Alles zeugt hier von Schmutz und Elend. Die Türken Belgrad's haben sich seit den schweren Schlägen, welche sie im serbischen Befreiungskriege *) Die Türken habe» das Thor, durch welches einst Kara Georg mit seiner serbischen Schaar siegreich einzog, nach der pactirren Wiederbesetzung der Festung zumauern lassen, gleich¬ sam als sollte diesem steinernen Zeugen ihrer Schande der Mund verstopft werden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/450>, abgerufen am 23.12.2024.