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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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und nach Rendsburg abgeliefert. Dort ist ihm der Proceß gemacht und er er¬
schossen worden. Er hatte den Plan unseres Hauptmanns vollständig dem Feind
verrathen und in Folge davon brachte der Stirner das Kanonenboot, welches dessen
Ausführung ganz unmöglich machte.

Am 28. Mai wurden wir nach Flensburg abberufen. Am Tage vor unserm
Marsche sandte Aldosser einen Parlamentär nach dem Kutter und lud die Offiziere
desselben und des Kanonenboots zu einem Wcinpunsch ein. Sie gaben eine sehr
höfliche, aber abschlägige Antwort. Nicht ohne Wehmuth schieden wir von dem
schönen Aufenthalt -- auch Thränen fehlten bei dem Abschied nicht, und wir
nahmen die Erfahrung mit, daß die Däueumädchen den Deutschen im Gründe
gar nicht so böse sind, als es wohl Anfangs zuweilen den Anschein hat.-----

Aroesund ist jetzt ein Trümmerhaufen. Aldosser kehrte mit seiner Freischaar
und einer Batterie 32Pfü"der dahin zurück, bohrte den Hekla in den Grund,
fügte den dänischen Schiffen vielen Schaden zu, konnte aber nicht verhindern, daß
diese, Wrangels Versprechen gar nicht beachtend, die ganzen Gebäude der Besitzung
zusammenschössen. Unter den vielen Opfern, welche die Katastrophe kostete, war
auch die von einer Kugel zerschmetterte Frau Friderici, die Gattin des Wirthes,
der selber, wenige Stunden nach unserm ersten Abmarsch, von den oberhalb ge¬
kanteten Dänen gefangen genommen und als Geißel nach Alsen geschleppt worden
war. Stine und Elfe waren schon vorher plötzlich verschwunden gewesen -- eS
war unheimlich geworden in den einst so heitren Räumen und froh war Jeder¬
mann, als der Sigualist zum letzten Male das Zeichen gab zum Rückzug aus
W. S. Aroesund.




Preußische Vriefe.



Erster Vries.
Physiognomie der zweiten Kammer. -- Die rechte Seite.

Ich könnte damit anfangen, Ihnen eine Episode ans dem Belagerungs¬
zustände zu erzählen, die mich selbst angeht, allein ich ziehe das objective Interesse
vor. Ich habe die zweite Kammer in den vier Sitzungen, die sie bis jetzt gehal¬
ten hat, von Anfang bis zu Ende mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, und bin
im Stande, Ihnen wenigstens über ihr äußerliches Ansehn einen getreuen Bericht
zu liefern. Auf das Aeußerliche beschränke ich mich ausdrücklich, und ich glaube,
es wird nichts schaden, wenn bei der Ueberfülle politischer Raisonnements, die
Ihnen von allen Seiten zuströmen, zur Abwechselung einmal ein einfaches Bild
in Ihren grünen Heften auftaucht.


und nach Rendsburg abgeliefert. Dort ist ihm der Proceß gemacht und er er¬
schossen worden. Er hatte den Plan unseres Hauptmanns vollständig dem Feind
verrathen und in Folge davon brachte der Stirner das Kanonenboot, welches dessen
Ausführung ganz unmöglich machte.

Am 28. Mai wurden wir nach Flensburg abberufen. Am Tage vor unserm
Marsche sandte Aldosser einen Parlamentär nach dem Kutter und lud die Offiziere
desselben und des Kanonenboots zu einem Wcinpunsch ein. Sie gaben eine sehr
höfliche, aber abschlägige Antwort. Nicht ohne Wehmuth schieden wir von dem
schönen Aufenthalt — auch Thränen fehlten bei dem Abschied nicht, und wir
nahmen die Erfahrung mit, daß die Däueumädchen den Deutschen im Gründe
gar nicht so böse sind, als es wohl Anfangs zuweilen den Anschein hat.-----

Aroesund ist jetzt ein Trümmerhaufen. Aldosser kehrte mit seiner Freischaar
und einer Batterie 32Pfü»der dahin zurück, bohrte den Hekla in den Grund,
fügte den dänischen Schiffen vielen Schaden zu, konnte aber nicht verhindern, daß
diese, Wrangels Versprechen gar nicht beachtend, die ganzen Gebäude der Besitzung
zusammenschössen. Unter den vielen Opfern, welche die Katastrophe kostete, war
auch die von einer Kugel zerschmetterte Frau Friderici, die Gattin des Wirthes,
der selber, wenige Stunden nach unserm ersten Abmarsch, von den oberhalb ge¬
kanteten Dänen gefangen genommen und als Geißel nach Alsen geschleppt worden
war. Stine und Elfe waren schon vorher plötzlich verschwunden gewesen — eS
war unheimlich geworden in den einst so heitren Räumen und froh war Jeder¬
mann, als der Sigualist zum letzten Male das Zeichen gab zum Rückzug aus
W. S. Aroesund.




Preußische Vriefe.



Erster Vries.
Physiognomie der zweiten Kammer. — Die rechte Seite.

Ich könnte damit anfangen, Ihnen eine Episode ans dem Belagerungs¬
zustände zu erzählen, die mich selbst angeht, allein ich ziehe das objective Interesse
vor. Ich habe die zweite Kammer in den vier Sitzungen, die sie bis jetzt gehal¬
ten hat, von Anfang bis zu Ende mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, und bin
im Stande, Ihnen wenigstens über ihr äußerliches Ansehn einen getreuen Bericht
zu liefern. Auf das Aeußerliche beschränke ich mich ausdrücklich, und ich glaube,
es wird nichts schaden, wenn bei der Ueberfülle politischer Raisonnements, die
Ihnen von allen Seiten zuströmen, zur Abwechselung einmal ein einfaches Bild
in Ihren grünen Heften auftaucht.


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[0438] und nach Rendsburg abgeliefert. Dort ist ihm der Proceß gemacht und er er¬ schossen worden. Er hatte den Plan unseres Hauptmanns vollständig dem Feind verrathen und in Folge davon brachte der Stirner das Kanonenboot, welches dessen Ausführung ganz unmöglich machte. Am 28. Mai wurden wir nach Flensburg abberufen. Am Tage vor unserm Marsche sandte Aldosser einen Parlamentär nach dem Kutter und lud die Offiziere desselben und des Kanonenboots zu einem Wcinpunsch ein. Sie gaben eine sehr höfliche, aber abschlägige Antwort. Nicht ohne Wehmuth schieden wir von dem schönen Aufenthalt — auch Thränen fehlten bei dem Abschied nicht, und wir nahmen die Erfahrung mit, daß die Däueumädchen den Deutschen im Gründe gar nicht so böse sind, als es wohl Anfangs zuweilen den Anschein hat.----- Aroesund ist jetzt ein Trümmerhaufen. Aldosser kehrte mit seiner Freischaar und einer Batterie 32Pfü»der dahin zurück, bohrte den Hekla in den Grund, fügte den dänischen Schiffen vielen Schaden zu, konnte aber nicht verhindern, daß diese, Wrangels Versprechen gar nicht beachtend, die ganzen Gebäude der Besitzung zusammenschössen. Unter den vielen Opfern, welche die Katastrophe kostete, war auch die von einer Kugel zerschmetterte Frau Friderici, die Gattin des Wirthes, der selber, wenige Stunden nach unserm ersten Abmarsch, von den oberhalb ge¬ kanteten Dänen gefangen genommen und als Geißel nach Alsen geschleppt worden war. Stine und Elfe waren schon vorher plötzlich verschwunden gewesen — eS war unheimlich geworden in den einst so heitren Räumen und froh war Jeder¬ mann, als der Sigualist zum letzten Male das Zeichen gab zum Rückzug aus W. S. Aroesund. Preußische Vriefe. Erster Vries. Physiognomie der zweiten Kammer. — Die rechte Seite. Ich könnte damit anfangen, Ihnen eine Episode ans dem Belagerungs¬ zustände zu erzählen, die mich selbst angeht, allein ich ziehe das objective Interesse vor. Ich habe die zweite Kammer in den vier Sitzungen, die sie bis jetzt gehal¬ ten hat, von Anfang bis zu Ende mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, und bin im Stande, Ihnen wenigstens über ihr äußerliches Ansehn einen getreuen Bericht zu liefern. Auf das Aeußerliche beschränke ich mich ausdrücklich, und ich glaube, es wird nichts schaden, wenn bei der Ueberfülle politischer Raisonnements, die Ihnen von allen Seiten zuströmen, zur Abwechselung einmal ein einfaches Bild in Ihren grünen Heften auftaucht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/438>, abgerufen am 22.12.2024.