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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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vergnügte Zusammenleben in Aroesnnd nur wenig. Gleichgesinnte Freunde hatten
da Muße zu innigem Verkehr, es fehlte weder an leiblicher, noch an geistiger
Nahrung. Die erstere schaffte das Zauberwort: Requisition und die wohlver¬
sehenen Keller des Gastwirths Friderici, natürlich nur gegen Bezahlung, die letz¬
tere kam aus der zurückgelassenen Bibliothek des Agenten Brunn oder vielmehr
seiner schönen Töchter, in deren verlassenen Hanse wir es uns nach Kricgersitte
bequem gemacht hatten. Von Hadersleben, wo wir lange genng im Quartier ge¬
standen, um anhängliche Freunde zu haben, erhielten wir mancherlei schönen und
lieben Besuch und gar oft ward der Abend im heitersten Uebermuth bei der dam¬
pfenden "Kriegsbowle" hingebracht.

Eines Tages war unter deu Gästen in Aroesnnd auch ein langer, knochiger
Graukopf, dessen finstere Züge und sonderbare Gestalt Vielen von uns auffielen.
Indessen wurde der Mann von dem leichtsinnigen Völkchen nicht weiter beachtet.
Zu unserer Beschämung mußten wir am andern Tage hören, Lauritz Star sei
einen halben Tag lang in unserer Mitte gewesen. Dieser merkwürdige Führer
der dänischen Partei in Schleswig hat den Teutschen mehr zu schaden gewußt,
wie ein Heer. Er ist ein Dichter, Jmprovisator wie der Ettrikschäfer Hochschott-
lands, durch und durch ein Bauer, aber mit glühender Phantasie begabt, unge¬
wöhnlich gebildet und von einer unermeßlichen Macht der Persönlichkeit auf seine
bäuerlichen Landsleute. Wo er spricht, da wagt es Niemand, zu widersprechen,
wo er zu den Waffen ruft, da lodert der Fanatismus zu wildem Feuer empor,
und da seine Widersacher wenigstens ihm vorwerfen, daß er kein Verbrechen schene,
um zum Ziel zu gelangen, so wollen sie auch wissen, er habe eigenhändig gar
oft deu rothe" Hahn auf die Dächer Dcutschgestnnter geworfen. Solcher Männer
gibt es nicht Viele in den Herzogthümern.

Der eigentliche Zweck unseres Aufenthalts in Aroesnnd, die Wegnahme des
Kutters, welche selbst im günstigsten Fall mindestens zwei Drittheilen unserer
Truppe das Leben gekostet haben würde, ward ebenfalls durch Verrätherei ver¬
eitelt. Schon war die Nacht zu dem Unternehmen anberaumt -- es fehlten nur
noch einige Boote. Im geheimen Kriegsrath, dem nur die Scefahrtkundigm und
die Führer beiwohnten, ward beschlossen, daß einer der letztern in der Nacht nach
der Insel Arve schwimmen und sich eines oder zweier der daselbst in großer An¬
zahl am Strand im Wasser liegenden Boote bemächtigen solle. Dieser Beschluß
war Morgens gefaßt worden, am Abend aber hatten die Fischer in Arve ihre
sämmtlichen Boote auf's Land gezogen, fortgeschafft, und waren beschäftigt, am
Landungsplatz einen starken Wall zur Vertheidigung aufzuwerfen. Hier konnte
mir Verrath im Spiele sein und der Verdacht fiel sogleich ans einen dänischen
Matrosen, Note, der vor einiger Zeit sich unter uns hatte anwerben lassen. Er
ward streng beobachtet und schon nach zwei Tagen sein verräterischer Verkehr mit
den Bewohnern der Insel nachgewiesen. Er ward als Spion gefangen genommen


vergnügte Zusammenleben in Aroesnnd nur wenig. Gleichgesinnte Freunde hatten
da Muße zu innigem Verkehr, es fehlte weder an leiblicher, noch an geistiger
Nahrung. Die erstere schaffte das Zauberwort: Requisition und die wohlver¬
sehenen Keller des Gastwirths Friderici, natürlich nur gegen Bezahlung, die letz¬
tere kam aus der zurückgelassenen Bibliothek des Agenten Brunn oder vielmehr
seiner schönen Töchter, in deren verlassenen Hanse wir es uns nach Kricgersitte
bequem gemacht hatten. Von Hadersleben, wo wir lange genng im Quartier ge¬
standen, um anhängliche Freunde zu haben, erhielten wir mancherlei schönen und
lieben Besuch und gar oft ward der Abend im heitersten Uebermuth bei der dam¬
pfenden „Kriegsbowle" hingebracht.

Eines Tages war unter deu Gästen in Aroesnnd auch ein langer, knochiger
Graukopf, dessen finstere Züge und sonderbare Gestalt Vielen von uns auffielen.
Indessen wurde der Mann von dem leichtsinnigen Völkchen nicht weiter beachtet.
Zu unserer Beschämung mußten wir am andern Tage hören, Lauritz Star sei
einen halben Tag lang in unserer Mitte gewesen. Dieser merkwürdige Führer
der dänischen Partei in Schleswig hat den Teutschen mehr zu schaden gewußt,
wie ein Heer. Er ist ein Dichter, Jmprovisator wie der Ettrikschäfer Hochschott-
lands, durch und durch ein Bauer, aber mit glühender Phantasie begabt, unge¬
wöhnlich gebildet und von einer unermeßlichen Macht der Persönlichkeit auf seine
bäuerlichen Landsleute. Wo er spricht, da wagt es Niemand, zu widersprechen,
wo er zu den Waffen ruft, da lodert der Fanatismus zu wildem Feuer empor,
und da seine Widersacher wenigstens ihm vorwerfen, daß er kein Verbrechen schene,
um zum Ziel zu gelangen, so wollen sie auch wissen, er habe eigenhändig gar
oft deu rothe» Hahn auf die Dächer Dcutschgestnnter geworfen. Solcher Männer
gibt es nicht Viele in den Herzogthümern.

Der eigentliche Zweck unseres Aufenthalts in Aroesnnd, die Wegnahme des
Kutters, welche selbst im günstigsten Fall mindestens zwei Drittheilen unserer
Truppe das Leben gekostet haben würde, ward ebenfalls durch Verrätherei ver¬
eitelt. Schon war die Nacht zu dem Unternehmen anberaumt — es fehlten nur
noch einige Boote. Im geheimen Kriegsrath, dem nur die Scefahrtkundigm und
die Führer beiwohnten, ward beschlossen, daß einer der letztern in der Nacht nach
der Insel Arve schwimmen und sich eines oder zweier der daselbst in großer An¬
zahl am Strand im Wasser liegenden Boote bemächtigen solle. Dieser Beschluß
war Morgens gefaßt worden, am Abend aber hatten die Fischer in Arve ihre
sämmtlichen Boote auf's Land gezogen, fortgeschafft, und waren beschäftigt, am
Landungsplatz einen starken Wall zur Vertheidigung aufzuwerfen. Hier konnte
mir Verrath im Spiele sein und der Verdacht fiel sogleich ans einen dänischen
Matrosen, Note, der vor einiger Zeit sich unter uns hatte anwerben lassen. Er
ward streng beobachtet und schon nach zwei Tagen sein verräterischer Verkehr mit
den Bewohnern der Insel nachgewiesen. Er ward als Spion gefangen genommen


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[0437] vergnügte Zusammenleben in Aroesnnd nur wenig. Gleichgesinnte Freunde hatten da Muße zu innigem Verkehr, es fehlte weder an leiblicher, noch an geistiger Nahrung. Die erstere schaffte das Zauberwort: Requisition und die wohlver¬ sehenen Keller des Gastwirths Friderici, natürlich nur gegen Bezahlung, die letz¬ tere kam aus der zurückgelassenen Bibliothek des Agenten Brunn oder vielmehr seiner schönen Töchter, in deren verlassenen Hanse wir es uns nach Kricgersitte bequem gemacht hatten. Von Hadersleben, wo wir lange genng im Quartier ge¬ standen, um anhängliche Freunde zu haben, erhielten wir mancherlei schönen und lieben Besuch und gar oft ward der Abend im heitersten Uebermuth bei der dam¬ pfenden „Kriegsbowle" hingebracht. Eines Tages war unter deu Gästen in Aroesnnd auch ein langer, knochiger Graukopf, dessen finstere Züge und sonderbare Gestalt Vielen von uns auffielen. Indessen wurde der Mann von dem leichtsinnigen Völkchen nicht weiter beachtet. Zu unserer Beschämung mußten wir am andern Tage hören, Lauritz Star sei einen halben Tag lang in unserer Mitte gewesen. Dieser merkwürdige Führer der dänischen Partei in Schleswig hat den Teutschen mehr zu schaden gewußt, wie ein Heer. Er ist ein Dichter, Jmprovisator wie der Ettrikschäfer Hochschott- lands, durch und durch ein Bauer, aber mit glühender Phantasie begabt, unge¬ wöhnlich gebildet und von einer unermeßlichen Macht der Persönlichkeit auf seine bäuerlichen Landsleute. Wo er spricht, da wagt es Niemand, zu widersprechen, wo er zu den Waffen ruft, da lodert der Fanatismus zu wildem Feuer empor, und da seine Widersacher wenigstens ihm vorwerfen, daß er kein Verbrechen schene, um zum Ziel zu gelangen, so wollen sie auch wissen, er habe eigenhändig gar oft deu rothe» Hahn auf die Dächer Dcutschgestnnter geworfen. Solcher Männer gibt es nicht Viele in den Herzogthümern. Der eigentliche Zweck unseres Aufenthalts in Aroesnnd, die Wegnahme des Kutters, welche selbst im günstigsten Fall mindestens zwei Drittheilen unserer Truppe das Leben gekostet haben würde, ward ebenfalls durch Verrätherei ver¬ eitelt. Schon war die Nacht zu dem Unternehmen anberaumt — es fehlten nur noch einige Boote. Im geheimen Kriegsrath, dem nur die Scefahrtkundigm und die Führer beiwohnten, ward beschlossen, daß einer der letztern in der Nacht nach der Insel Arve schwimmen und sich eines oder zweier der daselbst in großer An¬ zahl am Strand im Wasser liegenden Boote bemächtigen solle. Dieser Beschluß war Morgens gefaßt worden, am Abend aber hatten die Fischer in Arve ihre sämmtlichen Boote auf's Land gezogen, fortgeschafft, und waren beschäftigt, am Landungsplatz einen starken Wall zur Vertheidigung aufzuwerfen. Hier konnte mir Verrath im Spiele sein und der Verdacht fiel sogleich ans einen dänischen Matrosen, Note, der vor einiger Zeit sich unter uns hatte anwerben lassen. Er ward streng beobachtet und schon nach zwei Tagen sein verräterischer Verkehr mit den Bewohnern der Insel nachgewiesen. Er ward als Spion gefangen genommen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/437>, abgerufen am 23.12.2024.