Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

hatte sich aus Cappeln und den deutschen Küstenhäfen eine Anzahl verwegener
Matrosen unter dem wackeren Capitän Hulbe aus Maashvlm zu uns gesellt.
Böte waren ausgerüstet und lagen, für jeden Augenblick bereit, in sicheren Ver-
stecken, Enterbeile, Haken, Pechkränze und Leitern fehlten nicht, und das große
Unternehmen sollte in der nächsten dunkeln Nacht vor sich gehen. Wir aber, neun
Maun Auserlesene, waren als Detachement vorausgescndet worden, um als Kü¬
stenwache den Feind im Auge zu behalten.

Das geschah denn auch fleißig und getreulich. Verborgen, so gut es uur
irgend möglich war, lagen wir hinter den Fenstern des Hauses, welche auf die
See Hinansgingen, und Einer um den Andern nahm das Fernrohr in die Hand.
Auf dein Kutter war keine Bewegung zu erblicken, höchstens richtete sich der wach¬
habende Matrose einmal in die Höhe, reckte die Arme und sank wieder zurück,
oder es flatterte im Zuge des Morgenwindes die zum Trocknen aufgehängte
Wäsche der Mannschaft. Im Hause ward es lebendig. Wirth und Wirthin,
liebe, freundliche Leute, der deutschen Sache hold, erzählten uns, wie froh sie
über unsere Ankunft seien, da ihnen der Däne längst einen Besuch zugedacht und
den Hausherrn nach seiner beliebten Manier zur Geißel ausersehen habe. Von
ihnen erfuhren wir auch, daß jeden Morgen das Zollboot von Asiens, nachdem
es mit dein Kutter Rücksprache genommen, an dem kleinen Hafen anlege, sobald
es nichts Verdächtiges gewahre. Wir sahen uns bei dieser Nachricht bedeutungs¬
voll an, und als wir wieder allein waren, setzte jeder mit Sorgfalt die treue
Büchse in Stand. Die Wache am Fernrohr aber lockte bald mit lautem Zuruf
die Beschäftigten zu sich -- und siehe, der Kutter hatte die Orlogflagge, das
weiße Kreuz im blutrothen Feld aufgezogen, und von jenseits, pfeilschnell wie die
Möve, flog ein kleines, weißes Segel uuter gleicher Flagge zu ihm heran. "Das
Zollboot! Macht Euch fertig!" rief der Zugführer und Jeder der kleinen Schaar
sprang kampfessrcudig anf den schon vorher ihm angewiesenen Posten, wo er un-
geduldig des Augenblicks harrte, in dein der Ruf: "Vor!" ertönen werde. Mit
gedämpfter Stimme, aber den Versteckten fast Allen hörbar, berichtete inzwischen
die Wache am Fernrohr über die Manveuver des Feindes. "Jetzt legt das Zoll¬
boot am Kutter an! Ein Manu steigt hinab, es stößt wieder ab, es entfernt sich!
Nein, nein, es dreht sich, es kommt Hieher, es naht! Aufgepaßt, jetzt will es
anlegen! Aber -- was ist das? Es hält, noch hundert Schritte vom Hasendamm
entfernt, gleichsam als zweifele es,, besinne sich -- o wehe, es wendet, es ert¬
eilt! Das Boot muß vom Lande aus gewarnt worden sein!" Und so war es!
Die Wache draußen an der linken Seite des Hauses sah auf dem Leuchtthurm
ein Tuch flattern, welches, vorher unbemerkt, nach wenigen schürten verschwand.
In diesem Augenblick quälende auch aus der Breitseite des Kutters eine weiße
Wolke und eine Kugel tanzte in Ricochettsprüngen über die grünen Wellen des
Belt; das Zollboot antwortete aus seinem einzigen kleinen Geschütz, dann flog es


hatte sich aus Cappeln und den deutschen Küstenhäfen eine Anzahl verwegener
Matrosen unter dem wackeren Capitän Hulbe aus Maashvlm zu uns gesellt.
Böte waren ausgerüstet und lagen, für jeden Augenblick bereit, in sicheren Ver-
stecken, Enterbeile, Haken, Pechkränze und Leitern fehlten nicht, und das große
Unternehmen sollte in der nächsten dunkeln Nacht vor sich gehen. Wir aber, neun
Maun Auserlesene, waren als Detachement vorausgescndet worden, um als Kü¬
stenwache den Feind im Auge zu behalten.

Das geschah denn auch fleißig und getreulich. Verborgen, so gut es uur
irgend möglich war, lagen wir hinter den Fenstern des Hauses, welche auf die
See Hinansgingen, und Einer um den Andern nahm das Fernrohr in die Hand.
Auf dein Kutter war keine Bewegung zu erblicken, höchstens richtete sich der wach¬
habende Matrose einmal in die Höhe, reckte die Arme und sank wieder zurück,
oder es flatterte im Zuge des Morgenwindes die zum Trocknen aufgehängte
Wäsche der Mannschaft. Im Hause ward es lebendig. Wirth und Wirthin,
liebe, freundliche Leute, der deutschen Sache hold, erzählten uns, wie froh sie
über unsere Ankunft seien, da ihnen der Däne längst einen Besuch zugedacht und
den Hausherrn nach seiner beliebten Manier zur Geißel ausersehen habe. Von
ihnen erfuhren wir auch, daß jeden Morgen das Zollboot von Asiens, nachdem
es mit dein Kutter Rücksprache genommen, an dem kleinen Hafen anlege, sobald
es nichts Verdächtiges gewahre. Wir sahen uns bei dieser Nachricht bedeutungs¬
voll an, und als wir wieder allein waren, setzte jeder mit Sorgfalt die treue
Büchse in Stand. Die Wache am Fernrohr aber lockte bald mit lautem Zuruf
die Beschäftigten zu sich — und siehe, der Kutter hatte die Orlogflagge, das
weiße Kreuz im blutrothen Feld aufgezogen, und von jenseits, pfeilschnell wie die
Möve, flog ein kleines, weißes Segel uuter gleicher Flagge zu ihm heran. „Das
Zollboot! Macht Euch fertig!" rief der Zugführer und Jeder der kleinen Schaar
sprang kampfessrcudig anf den schon vorher ihm angewiesenen Posten, wo er un-
geduldig des Augenblicks harrte, in dein der Ruf: „Vor!" ertönen werde. Mit
gedämpfter Stimme, aber den Versteckten fast Allen hörbar, berichtete inzwischen
die Wache am Fernrohr über die Manveuver des Feindes. „Jetzt legt das Zoll¬
boot am Kutter an! Ein Manu steigt hinab, es stößt wieder ab, es entfernt sich!
Nein, nein, es dreht sich, es kommt Hieher, es naht! Aufgepaßt, jetzt will es
anlegen! Aber — was ist das? Es hält, noch hundert Schritte vom Hasendamm
entfernt, gleichsam als zweifele es,, besinne sich — o wehe, es wendet, es ert¬
eilt! Das Boot muß vom Lande aus gewarnt worden sein!" Und so war es!
Die Wache draußen an der linken Seite des Hauses sah auf dem Leuchtthurm
ein Tuch flattern, welches, vorher unbemerkt, nach wenigen schürten verschwand.
In diesem Augenblick quälende auch aus der Breitseite des Kutters eine weiße
Wolke und eine Kugel tanzte in Ricochettsprüngen über die grünen Wellen des
Belt; das Zollboot antwortete aus seinem einzigen kleinen Geschütz, dann flog es


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0432" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278420"/>
          <p xml:id="ID_2545" prev="#ID_2544"> hatte sich aus Cappeln und den deutschen Küstenhäfen eine Anzahl verwegener<lb/>
Matrosen unter dem wackeren Capitän Hulbe aus Maashvlm zu uns gesellt.<lb/>
Böte waren ausgerüstet und lagen, für jeden Augenblick bereit, in sicheren Ver-<lb/>
stecken, Enterbeile, Haken, Pechkränze und Leitern fehlten nicht, und das große<lb/>
Unternehmen sollte in der nächsten dunkeln Nacht vor sich gehen. Wir aber, neun<lb/>
Maun Auserlesene, waren als Detachement vorausgescndet worden, um als Kü¬<lb/>
stenwache den Feind im Auge zu behalten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2546" next="#ID_2547"> Das geschah denn auch fleißig und getreulich. Verborgen, so gut es uur<lb/>
irgend möglich war, lagen wir hinter den Fenstern des Hauses, welche auf die<lb/>
See Hinansgingen, und Einer um den Andern nahm das Fernrohr in die Hand.<lb/>
Auf dein Kutter war keine Bewegung zu erblicken, höchstens richtete sich der wach¬<lb/>
habende Matrose einmal in die Höhe, reckte die Arme und sank wieder zurück,<lb/>
oder es flatterte im Zuge des Morgenwindes die zum Trocknen aufgehängte<lb/>
Wäsche der Mannschaft. Im Hause ward es lebendig. Wirth und Wirthin,<lb/>
liebe, freundliche Leute, der deutschen Sache hold, erzählten uns, wie froh sie<lb/>
über unsere Ankunft seien, da ihnen der Däne längst einen Besuch zugedacht und<lb/>
den Hausherrn nach seiner beliebten Manier zur Geißel ausersehen habe. Von<lb/>
ihnen erfuhren wir auch, daß jeden Morgen das Zollboot von Asiens, nachdem<lb/>
es mit dein Kutter Rücksprache genommen, an dem kleinen Hafen anlege, sobald<lb/>
es nichts Verdächtiges gewahre. Wir sahen uns bei dieser Nachricht bedeutungs¬<lb/>
voll an, und als wir wieder allein waren, setzte jeder mit Sorgfalt die treue<lb/>
Büchse in Stand. Die Wache am Fernrohr aber lockte bald mit lautem Zuruf<lb/>
die Beschäftigten zu sich &#x2014; und siehe, der Kutter hatte die Orlogflagge, das<lb/>
weiße Kreuz im blutrothen Feld aufgezogen, und von jenseits, pfeilschnell wie die<lb/>
Möve, flog ein kleines, weißes Segel uuter gleicher Flagge zu ihm heran. &#x201E;Das<lb/>
Zollboot! Macht Euch fertig!" rief der Zugführer und Jeder der kleinen Schaar<lb/>
sprang kampfessrcudig anf den schon vorher ihm angewiesenen Posten, wo er un-<lb/>
geduldig des Augenblicks harrte, in dein der Ruf: &#x201E;Vor!" ertönen werde. Mit<lb/>
gedämpfter Stimme, aber den Versteckten fast Allen hörbar, berichtete inzwischen<lb/>
die Wache am Fernrohr über die Manveuver des Feindes. &#x201E;Jetzt legt das Zoll¬<lb/>
boot am Kutter an! Ein Manu steigt hinab, es stößt wieder ab, es entfernt sich!<lb/>
Nein, nein, es dreht sich, es kommt Hieher, es naht! Aufgepaßt, jetzt will es<lb/>
anlegen! Aber &#x2014; was ist das? Es hält, noch hundert Schritte vom Hasendamm<lb/>
entfernt, gleichsam als zweifele es,, besinne sich &#x2014; o wehe, es wendet, es ert¬<lb/>
eilt! Das Boot muß vom Lande aus gewarnt worden sein!" Und so war es!<lb/>
Die Wache draußen an der linken Seite des Hauses sah auf dem Leuchtthurm<lb/>
ein Tuch flattern, welches, vorher unbemerkt, nach wenigen schürten verschwand.<lb/>
In diesem Augenblick quälende auch aus der Breitseite des Kutters eine weiße<lb/>
Wolke und eine Kugel tanzte in Ricochettsprüngen über die grünen Wellen des<lb/>
Belt; das Zollboot antwortete aus seinem einzigen kleinen Geschütz, dann flog es</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0432] hatte sich aus Cappeln und den deutschen Küstenhäfen eine Anzahl verwegener Matrosen unter dem wackeren Capitän Hulbe aus Maashvlm zu uns gesellt. Böte waren ausgerüstet und lagen, für jeden Augenblick bereit, in sicheren Ver- stecken, Enterbeile, Haken, Pechkränze und Leitern fehlten nicht, und das große Unternehmen sollte in der nächsten dunkeln Nacht vor sich gehen. Wir aber, neun Maun Auserlesene, waren als Detachement vorausgescndet worden, um als Kü¬ stenwache den Feind im Auge zu behalten. Das geschah denn auch fleißig und getreulich. Verborgen, so gut es uur irgend möglich war, lagen wir hinter den Fenstern des Hauses, welche auf die See Hinansgingen, und Einer um den Andern nahm das Fernrohr in die Hand. Auf dein Kutter war keine Bewegung zu erblicken, höchstens richtete sich der wach¬ habende Matrose einmal in die Höhe, reckte die Arme und sank wieder zurück, oder es flatterte im Zuge des Morgenwindes die zum Trocknen aufgehängte Wäsche der Mannschaft. Im Hause ward es lebendig. Wirth und Wirthin, liebe, freundliche Leute, der deutschen Sache hold, erzählten uns, wie froh sie über unsere Ankunft seien, da ihnen der Däne längst einen Besuch zugedacht und den Hausherrn nach seiner beliebten Manier zur Geißel ausersehen habe. Von ihnen erfuhren wir auch, daß jeden Morgen das Zollboot von Asiens, nachdem es mit dein Kutter Rücksprache genommen, an dem kleinen Hafen anlege, sobald es nichts Verdächtiges gewahre. Wir sahen uns bei dieser Nachricht bedeutungs¬ voll an, und als wir wieder allein waren, setzte jeder mit Sorgfalt die treue Büchse in Stand. Die Wache am Fernrohr aber lockte bald mit lautem Zuruf die Beschäftigten zu sich — und siehe, der Kutter hatte die Orlogflagge, das weiße Kreuz im blutrothen Feld aufgezogen, und von jenseits, pfeilschnell wie die Möve, flog ein kleines, weißes Segel uuter gleicher Flagge zu ihm heran. „Das Zollboot! Macht Euch fertig!" rief der Zugführer und Jeder der kleinen Schaar sprang kampfessrcudig anf den schon vorher ihm angewiesenen Posten, wo er un- geduldig des Augenblicks harrte, in dein der Ruf: „Vor!" ertönen werde. Mit gedämpfter Stimme, aber den Versteckten fast Allen hörbar, berichtete inzwischen die Wache am Fernrohr über die Manveuver des Feindes. „Jetzt legt das Zoll¬ boot am Kutter an! Ein Manu steigt hinab, es stößt wieder ab, es entfernt sich! Nein, nein, es dreht sich, es kommt Hieher, es naht! Aufgepaßt, jetzt will es anlegen! Aber — was ist das? Es hält, noch hundert Schritte vom Hasendamm entfernt, gleichsam als zweifele es,, besinne sich — o wehe, es wendet, es ert¬ eilt! Das Boot muß vom Lande aus gewarnt worden sein!" Und so war es! Die Wache draußen an der linken Seite des Hauses sah auf dem Leuchtthurm ein Tuch flattern, welches, vorher unbemerkt, nach wenigen schürten verschwand. In diesem Augenblick quälende auch aus der Breitseite des Kutters eine weiße Wolke und eine Kugel tanzte in Ricochettsprüngen über die grünen Wellen des Belt; das Zollboot antwortete aus seinem einzigen kleinen Geschütz, dann flog es

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/432
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/432>, abgerufen am 23.12.2024.