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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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ein, die dem ehrwürdigen Thier einen Knittel in die Beine werfen könnten, und
das sind folgende: Nun das republikanische Regiment, wo nicht gar die Republik
selbst, glücklich beseitigt worden ist, haben sich bei erster Gelegenheit das Werk¬
zeug, das dazu diente, und diejenigen, die es benutzten, noch auseinanderzusetzen.
Möglicherweise könnten die Parteien, die Bonaparte vorgeschoben, weiter gegangen
sein, als sie ursprünglich beabsichtigten. Gerade wie jene gutmüthige Bourgeoisie,
die im Februar die Reform leben ließen und zwar so laut und anhaltend, daß
ihnen bald bei weitem mehr bescheert ward als sie verlangten und wünschen konn¬
ten: so auch haben die Monarchisten aller Farben so lange und gewaltig ins Na-
poleonShorn gestoßen, daß sie sich unversehens leicht einen wirklichen Napoleon
auf den Hals geladen und statt eines Gliedermannes, den sie verlangten, einen
lebenden Herrscher gewonnen haben. Es wäre ihr Machwerk, und in sofern käme
es eintretenden Falls denn auch ihnen zu, sich mit ihm abzufinden.

So jenes englische Blatt. Nur das mit diesem Witz nicht der ganze Humor
der Sache erschöpft ist. ES bleibt bei dem angedeutete" Auseinandersetzen der
Parteien noch ein anderer Faktor zu berücksichtigen, der freilich oft schon die Rech"
mung ohne den Wirth gemacht und die Zeche hat zahlen müssen, der aber seitdem
zum Bewußtsein der erlittenen Eöcobarderien gelangt ist und sich diesmal schwer¬
lich einen Strich durch die Rechnung wird gefallen lassen, das Volk. Immerhin
mag eine mit dem Geiste der Zeit übereinstimmende Restauration einer oder der
andern Farbe in Frankreich möglich sein: daß die Februarrevolution sich nicht
leicht bequemen wird zum Vortheil irgend eines Prätendenten zu gereichen, steht außer
Zweifel. Und wenn auch jüngst ein erstes veux" versucht worden, so wissen
hier doch Alt und Jung genugsam, daß die Zeiten nicht mehr sind, da ein Wort
wie "I^.'ol!et c'est um" zur Geltung gebracht werden konnte. Wer in Frankreich
ein solches Stück aufzuführen versuchte, der würde nicht allein eine Aufführung
von Shakesspear's "Sturm" mit widerwärtigen Variationen in usum veluiiim
erleben können, sondern wohl gar als "gutmüthiger Tropf" eine Rolle im "Be¬
such in Badlam" übernehmen müssen.

Nein, es war kein Leichtsinn, der die Februarrevolution zum Ausbruch brachte:
die Revolution "der Verachtung und des Ueberdrusses" war schon längst in den
Geistern vollzogen, ehe sie in das Reich der Thatsachen überging. Frankreich, mit
seiner raschelt Intelligenz und schlagfertigen Thatkraft bei ritterlichem Aufschwung
und empfänglichen Sinn für menschheitliche Fragen , der berechnenden egoistischen
Politik Englands als Don Quixote des Humanitätsprincips gegenüberstehend,
brach bisher stets unbedenklich im politischen Leben neue Bahnen und mußte die
raschen Experimente und die begangenen Mißgriffe erster Versuche, wie der Wind-
mühlcnheld seine hochherzigen Unternehmungen theuer bezahlen, während Deutsch¬
land mit weisem Bedacht nachrückend den Vortheil der fremden Erfahrung davon


ein, die dem ehrwürdigen Thier einen Knittel in die Beine werfen könnten, und
das sind folgende: Nun das republikanische Regiment, wo nicht gar die Republik
selbst, glücklich beseitigt worden ist, haben sich bei erster Gelegenheit das Werk¬
zeug, das dazu diente, und diejenigen, die es benutzten, noch auseinanderzusetzen.
Möglicherweise könnten die Parteien, die Bonaparte vorgeschoben, weiter gegangen
sein, als sie ursprünglich beabsichtigten. Gerade wie jene gutmüthige Bourgeoisie,
die im Februar die Reform leben ließen und zwar so laut und anhaltend, daß
ihnen bald bei weitem mehr bescheert ward als sie verlangten und wünschen konn¬
ten: so auch haben die Monarchisten aller Farben so lange und gewaltig ins Na-
poleonShorn gestoßen, daß sie sich unversehens leicht einen wirklichen Napoleon
auf den Hals geladen und statt eines Gliedermannes, den sie verlangten, einen
lebenden Herrscher gewonnen haben. Es wäre ihr Machwerk, und in sofern käme
es eintretenden Falls denn auch ihnen zu, sich mit ihm abzufinden.

So jenes englische Blatt. Nur das mit diesem Witz nicht der ganze Humor
der Sache erschöpft ist. ES bleibt bei dem angedeutete» Auseinandersetzen der
Parteien noch ein anderer Faktor zu berücksichtigen, der freilich oft schon die Rech»
mung ohne den Wirth gemacht und die Zeche hat zahlen müssen, der aber seitdem
zum Bewußtsein der erlittenen Eöcobarderien gelangt ist und sich diesmal schwer¬
lich einen Strich durch die Rechnung wird gefallen lassen, das Volk. Immerhin
mag eine mit dem Geiste der Zeit übereinstimmende Restauration einer oder der
andern Farbe in Frankreich möglich sein: daß die Februarrevolution sich nicht
leicht bequemen wird zum Vortheil irgend eines Prätendenten zu gereichen, steht außer
Zweifel. Und wenn auch jüngst ein erstes veux" versucht worden, so wissen
hier doch Alt und Jung genugsam, daß die Zeiten nicht mehr sind, da ein Wort
wie „I^.'ol!et c'est um" zur Geltung gebracht werden konnte. Wer in Frankreich
ein solches Stück aufzuführen versuchte, der würde nicht allein eine Aufführung
von Shakesspear's „Sturm" mit widerwärtigen Variationen in usum veluiiim
erleben können, sondern wohl gar als „gutmüthiger Tropf" eine Rolle im „Be¬
such in Badlam" übernehmen müssen.

Nein, es war kein Leichtsinn, der die Februarrevolution zum Ausbruch brachte:
die Revolution „der Verachtung und des Ueberdrusses" war schon längst in den
Geistern vollzogen, ehe sie in das Reich der Thatsachen überging. Frankreich, mit
seiner raschelt Intelligenz und schlagfertigen Thatkraft bei ritterlichem Aufschwung
und empfänglichen Sinn für menschheitliche Fragen , der berechnenden egoistischen
Politik Englands als Don Quixote des Humanitätsprincips gegenüberstehend,
brach bisher stets unbedenklich im politischen Leben neue Bahnen und mußte die
raschen Experimente und die begangenen Mißgriffe erster Versuche, wie der Wind-
mühlcnheld seine hochherzigen Unternehmungen theuer bezahlen, während Deutsch¬
land mit weisem Bedacht nachrückend den Vortheil der fremden Erfahrung davon


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/406>, abgerufen am 23.12.2024.