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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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tigem panslavistischen Kongreß zu hindern. Das sind Andeutungen, ihr werdet
sie verstehen. -- So ungefähr Palacky, der Czeche. Seine Worte sind deutlich
und sehr bestimmt, und was mehr ist, eS ist Wahrheit und Vernunft in seinen
Schlüssen. Was er fordert, ist gerecht und Oestreich darf es uicht versagen, ohne
sich selbst zu morden.

Winden Sie einen Kranz für Palacky, er hat ihn anch von den Deutschen
verdient. Endlich ist die Stunde gekommen, wo die czechische Politik das wüste
Hassen der Deutschen, die Animosität des jungen Uebermuths glänzend gesühnt
hat durch staatsmännische Ruhe und offenes Wort. Freuen Sie sich mit mir.
Wir Alle sind in der Politik Egoisten; wenn aber der Staatsmann sein Interesse
groß und edel faßt, hört die Feindschaft gegen Anderes Wollende auf, und die
gegenseitigen Interessen, selbst wo sie einander widerstreben, werden leidenschaftlos
auf der Waage der Gerechtigkeit gewogen und abgeschätzt. Möchte der czechische
Enthusiasmus sich Maaß und Haltung seines Führers zum Muster nehmen und
möge Palacky selbst recht innig überzeugt sein, daß er und seine Czechen in Wahr¬
heit und unauflösbar mit Deutschöstreich verbunden sind.

Am Ende seiner Erklärung droht er -- aber hat er nicht Recht anch dazu?


V.


Aus Paris.

Louis Philipp--Louis Napoleon; statt des alten Herrn mit dem "Bir¬
nenkopf" und dem Regenschirm, einen jungen Herrn ohne Kopf und ohne Schirm;
statt des sparsamen Börsenmanns einen creditloscn Schlucker; statt des unaussteh-
lich Nüchternen einen unausstehlichen Trunkenbold; statt der tüchtigen und bra¬
ven Jungen vom Hause Orleans ein abenteuerliches und verschrobenes Gesinde!
aus Korsika. Himmel, was für Buonaparte's! Bor wenig Monaten wußte kein
Mensch von ihnen, jetzt ruft man sie "mein Prinz" und "mein General" und ein
guter Theil von Paris erröthet freudig, wenn einer aus dem gottbegnadigten
Geschleckt die Huld hat zu sagen: "ich habe meine Börse vergessen, leihen Sie
einem Napoleon einen oder zwei Louis." -- Noch immer ist Paris verrückt, und
wenn es sich einmal den Kopf aufgesetzt hat, diese Gemüthsstimmung zu haben,
so ist alle deutsche Narrheit anspruchslose Vernunft gegen ihre nage. - Aller¬
dings fängt Prinz Louis bereits an, einen "gewissen Beischmack von säuerlich"
zu bekommen, nicht lange und er wird schaal und abgestanden sein; hier und da
schämt man sich bereits seiner. Zwei Classen, die ich ehre, haben aber nicht sür
ihn geschwärmt, die Grisuten und die echten Straßenjungen; die ersteren nicht,
weil er sich berauscht und d^s Gamins nicht, weil sie ihn für eine Art von Prä¬
tendenten aus ihrer Mitte halten. Sie werden wissen, paß die Straßenjugend


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tigem panslavistischen Kongreß zu hindern. Das sind Andeutungen, ihr werdet
sie verstehen. — So ungefähr Palacky, der Czeche. Seine Worte sind deutlich
und sehr bestimmt, und was mehr ist, eS ist Wahrheit und Vernunft in seinen
Schlüssen. Was er fordert, ist gerecht und Oestreich darf es uicht versagen, ohne
sich selbst zu morden.

Winden Sie einen Kranz für Palacky, er hat ihn anch von den Deutschen
verdient. Endlich ist die Stunde gekommen, wo die czechische Politik das wüste
Hassen der Deutschen, die Animosität des jungen Uebermuths glänzend gesühnt
hat durch staatsmännische Ruhe und offenes Wort. Freuen Sie sich mit mir.
Wir Alle sind in der Politik Egoisten; wenn aber der Staatsmann sein Interesse
groß und edel faßt, hört die Feindschaft gegen Anderes Wollende auf, und die
gegenseitigen Interessen, selbst wo sie einander widerstreben, werden leidenschaftlos
auf der Waage der Gerechtigkeit gewogen und abgeschätzt. Möchte der czechische
Enthusiasmus sich Maaß und Haltung seines Führers zum Muster nehmen und
möge Palacky selbst recht innig überzeugt sein, daß er und seine Czechen in Wahr¬
heit und unauflösbar mit Deutschöstreich verbunden sind.

Am Ende seiner Erklärung droht er — aber hat er nicht Recht anch dazu?


V.


Aus Paris.

Louis Philipp--Louis Napoleon; statt des alten Herrn mit dem „Bir¬
nenkopf" und dem Regenschirm, einen jungen Herrn ohne Kopf und ohne Schirm;
statt des sparsamen Börsenmanns einen creditloscn Schlucker; statt des unaussteh-
lich Nüchternen einen unausstehlichen Trunkenbold; statt der tüchtigen und bra¬
ven Jungen vom Hause Orleans ein abenteuerliches und verschrobenes Gesinde!
aus Korsika. Himmel, was für Buonaparte's! Bor wenig Monaten wußte kein
Mensch von ihnen, jetzt ruft man sie „mein Prinz" und „mein General" und ein
guter Theil von Paris erröthet freudig, wenn einer aus dem gottbegnadigten
Geschleckt die Huld hat zu sagen: „ich habe meine Börse vergessen, leihen Sie
einem Napoleon einen oder zwei Louis." — Noch immer ist Paris verrückt, und
wenn es sich einmal den Kopf aufgesetzt hat, diese Gemüthsstimmung zu haben,
so ist alle deutsche Narrheit anspruchslose Vernunft gegen ihre nage. - Aller¬
dings fängt Prinz Louis bereits an, einen „gewissen Beischmack von säuerlich"
zu bekommen, nicht lange und er wird schaal und abgestanden sein; hier und da
schämt man sich bereits seiner. Zwei Classen, die ich ehre, haben aber nicht sür
ihn geschwärmt, die Grisuten und die echten Straßenjungen; die ersteren nicht,
weil er sich berauscht und d^s Gamins nicht, weil sie ihn für eine Art von Prä¬
tendenten aus ihrer Mitte halten. Sie werden wissen, paß die Straßenjugend


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[0403] tigem panslavistischen Kongreß zu hindern. Das sind Andeutungen, ihr werdet sie verstehen. — So ungefähr Palacky, der Czeche. Seine Worte sind deutlich und sehr bestimmt, und was mehr ist, eS ist Wahrheit und Vernunft in seinen Schlüssen. Was er fordert, ist gerecht und Oestreich darf es uicht versagen, ohne sich selbst zu morden. Winden Sie einen Kranz für Palacky, er hat ihn anch von den Deutschen verdient. Endlich ist die Stunde gekommen, wo die czechische Politik das wüste Hassen der Deutschen, die Animosität des jungen Uebermuths glänzend gesühnt hat durch staatsmännische Ruhe und offenes Wort. Freuen Sie sich mit mir. Wir Alle sind in der Politik Egoisten; wenn aber der Staatsmann sein Interesse groß und edel faßt, hört die Feindschaft gegen Anderes Wollende auf, und die gegenseitigen Interessen, selbst wo sie einander widerstreben, werden leidenschaftlos auf der Waage der Gerechtigkeit gewogen und abgeschätzt. Möchte der czechische Enthusiasmus sich Maaß und Haltung seines Führers zum Muster nehmen und möge Palacky selbst recht innig überzeugt sein, daß er und seine Czechen in Wahr¬ heit und unauflösbar mit Deutschöstreich verbunden sind. Am Ende seiner Erklärung droht er — aber hat er nicht Recht anch dazu? V. Aus Paris. Louis Philipp--Louis Napoleon; statt des alten Herrn mit dem „Bir¬ nenkopf" und dem Regenschirm, einen jungen Herrn ohne Kopf und ohne Schirm; statt des sparsamen Börsenmanns einen creditloscn Schlucker; statt des unaussteh- lich Nüchternen einen unausstehlichen Trunkenbold; statt der tüchtigen und bra¬ ven Jungen vom Hause Orleans ein abenteuerliches und verschrobenes Gesinde! aus Korsika. Himmel, was für Buonaparte's! Bor wenig Monaten wußte kein Mensch von ihnen, jetzt ruft man sie „mein Prinz" und „mein General" und ein guter Theil von Paris erröthet freudig, wenn einer aus dem gottbegnadigten Geschleckt die Huld hat zu sagen: „ich habe meine Börse vergessen, leihen Sie einem Napoleon einen oder zwei Louis." — Noch immer ist Paris verrückt, und wenn es sich einmal den Kopf aufgesetzt hat, diese Gemüthsstimmung zu haben, so ist alle deutsche Narrheit anspruchslose Vernunft gegen ihre nage. - Aller¬ dings fängt Prinz Louis bereits an, einen „gewissen Beischmack von säuerlich" zu bekommen, nicht lange und er wird schaal und abgestanden sein; hier und da schämt man sich bereits seiner. Zwei Classen, die ich ehre, haben aber nicht sür ihn geschwärmt, die Grisuten und die echten Straßenjungen; die ersteren nicht, weil er sich berauscht und d^s Gamins nicht, weil sie ihn für eine Art von Prä¬ tendenten aus ihrer Mitte halten. Sie werden wissen, paß die Straßenjugend 50*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/403>, abgerufen am 23.07.2024.