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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Und Kroatien, Slavonien, die Grenze? Und der Baums selbst, der wie es auch
um sein Feldherrntalent steht, jedenfalls ein ehrlicher Patriot ist, der seine Land¬
schaft liebt? Schon jetzt ist er euch lästig, weil er den Soldatensvcialismus seiner
Grenzer aufgehoben wissen will und für die Freiheiten seiner Provinzen spricht.
Wie meint ihr den Baums und seine Landschaft zufrieden zu stellen, wenn ihr
nach russischen Noten und Warnungen ihnen die Rechte zumeßt. Schon ist Kälte
zwischen ihm und euch, in kurzer Zeit, sobald der ungarische Feldzug zu Ende ist,
werdet ihr den Vorkämpfer der Grenzslaven, den ritterlichen Paladin des Kaiser¬
hauses, in dieselbe Opposition getrieben haben, die er jetzt noch an den Ungarn
bekämpft, und er, der loyal gegen Empörer focht, wird das Schicksal haben, selbst
ein "Empörer" zu werden, durch eure Schuld und Schwäche.

Und die Ungarn! Es gab nichts Unseligeres als die russische Hilfe gegen
ihren Stolz. Krieg im Innern ist, so fürchterlich er wüthet, immer einem Familien¬
hader vergleichbar, man haßt sich bitterlich, aber man kann sich anch brüderlich
lieben. Ein Fremder, der dazwischen kommt, Ordnung zu stiften, vernichtet den
Nest der Familienpietät, die in einem Winkel der Seelen auch beim heißesten Zorn
zurückgeblieben ist. Ihr habt, wenn auch ohne es zu wollen, die Ungarn mit
Hilfe der Russen besiegt, das wird euch der Szekler, der Magyare nie vergessen.

Von der Stellung, die wir fortan zu Deutschland einnehmen werden, schweige
ich ganz. Wenn ihr wollt, könnt ihr das in den nächsten Wochen gedruckt lesen.
Es muß euch schmerzlich sein, daß diese russische Hilfe gerade zu der Stunde kam,
wo ihr in Frankfurt euch ans eure Rechte an Deutschland berieft. Und wenn
irgend ein Beweis dafür nöthig wäre, daß ihr dies einzelne Factum des Ein-
rückens nicht befohlen habt, so kann man ihn in eurer Sprache gegen die Frank¬
furter finden. -- Leider ist es gleichgültig, ob der Einzog mit oder ohne euren
Willen geschah, an dem, was bei diesem Freundesdienst verhängnißvoll und tra¬
gisch ist, seid ihr doch schuld.

Ich tadle die Sachsen nicht, welche riefen; aber es war ein Unglück, daß
sie es thaten, und daß die Russen so geneigt sein durften zu kommen, ist das
größte Unglück, ist eure Schuld.

Und doch wäret ihr ehrlich, euer Wille gut und in Einzelnen von euch haben
wir großen Sinn geehrt; aber Alles das wird euch nicht frei machen von dem
Fluch, den die sinkenden Völker ans euer Haupt schleudern werden. Zwar habt
ihr den Trost, daß ihr nach eurer Kraft gehandelt habt, wir aber haben das
Recht euch zu verdammen, weil eure Kraft uicht größer war.

Wo ist Hilfe für mein Vaterland! Wohl weiß ich, kein Leiden ist so groß,
Manneskraft ist größer. Wo aber lebt der Mann, der große Blick, die starke
Hand, welche uns Rettung bringt? Meine Seele sucht, soweit die Donau durch
Oestreichs Fluren strömt, bergauf nud thalab, sie findet keinen!

Auch der Eine ist's nicht, auf den wir hofften!




Und Kroatien, Slavonien, die Grenze? Und der Baums selbst, der wie es auch
um sein Feldherrntalent steht, jedenfalls ein ehrlicher Patriot ist, der seine Land¬
schaft liebt? Schon jetzt ist er euch lästig, weil er den Soldatensvcialismus seiner
Grenzer aufgehoben wissen will und für die Freiheiten seiner Provinzen spricht.
Wie meint ihr den Baums und seine Landschaft zufrieden zu stellen, wenn ihr
nach russischen Noten und Warnungen ihnen die Rechte zumeßt. Schon ist Kälte
zwischen ihm und euch, in kurzer Zeit, sobald der ungarische Feldzug zu Ende ist,
werdet ihr den Vorkämpfer der Grenzslaven, den ritterlichen Paladin des Kaiser¬
hauses, in dieselbe Opposition getrieben haben, die er jetzt noch an den Ungarn
bekämpft, und er, der loyal gegen Empörer focht, wird das Schicksal haben, selbst
ein „Empörer" zu werden, durch eure Schuld und Schwäche.

Und die Ungarn! Es gab nichts Unseligeres als die russische Hilfe gegen
ihren Stolz. Krieg im Innern ist, so fürchterlich er wüthet, immer einem Familien¬
hader vergleichbar, man haßt sich bitterlich, aber man kann sich anch brüderlich
lieben. Ein Fremder, der dazwischen kommt, Ordnung zu stiften, vernichtet den
Nest der Familienpietät, die in einem Winkel der Seelen auch beim heißesten Zorn
zurückgeblieben ist. Ihr habt, wenn auch ohne es zu wollen, die Ungarn mit
Hilfe der Russen besiegt, das wird euch der Szekler, der Magyare nie vergessen.

Von der Stellung, die wir fortan zu Deutschland einnehmen werden, schweige
ich ganz. Wenn ihr wollt, könnt ihr das in den nächsten Wochen gedruckt lesen.
Es muß euch schmerzlich sein, daß diese russische Hilfe gerade zu der Stunde kam,
wo ihr in Frankfurt euch ans eure Rechte an Deutschland berieft. Und wenn
irgend ein Beweis dafür nöthig wäre, daß ihr dies einzelne Factum des Ein-
rückens nicht befohlen habt, so kann man ihn in eurer Sprache gegen die Frank¬
furter finden. — Leider ist es gleichgültig, ob der Einzog mit oder ohne euren
Willen geschah, an dem, was bei diesem Freundesdienst verhängnißvoll und tra¬
gisch ist, seid ihr doch schuld.

Ich tadle die Sachsen nicht, welche riefen; aber es war ein Unglück, daß
sie es thaten, und daß die Russen so geneigt sein durften zu kommen, ist das
größte Unglück, ist eure Schuld.

Und doch wäret ihr ehrlich, euer Wille gut und in Einzelnen von euch haben
wir großen Sinn geehrt; aber Alles das wird euch nicht frei machen von dem
Fluch, den die sinkenden Völker ans euer Haupt schleudern werden. Zwar habt
ihr den Trost, daß ihr nach eurer Kraft gehandelt habt, wir aber haben das
Recht euch zu verdammen, weil eure Kraft uicht größer war.

Wo ist Hilfe für mein Vaterland! Wohl weiß ich, kein Leiden ist so groß,
Manneskraft ist größer. Wo aber lebt der Mann, der große Blick, die starke
Hand, welche uns Rettung bringt? Meine Seele sucht, soweit die Donau durch
Oestreichs Fluren strömt, bergauf nud thalab, sie findet keinen!

Auch der Eine ist's nicht, auf den wir hofften!




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[0397] Und Kroatien, Slavonien, die Grenze? Und der Baums selbst, der wie es auch um sein Feldherrntalent steht, jedenfalls ein ehrlicher Patriot ist, der seine Land¬ schaft liebt? Schon jetzt ist er euch lästig, weil er den Soldatensvcialismus seiner Grenzer aufgehoben wissen will und für die Freiheiten seiner Provinzen spricht. Wie meint ihr den Baums und seine Landschaft zufrieden zu stellen, wenn ihr nach russischen Noten und Warnungen ihnen die Rechte zumeßt. Schon ist Kälte zwischen ihm und euch, in kurzer Zeit, sobald der ungarische Feldzug zu Ende ist, werdet ihr den Vorkämpfer der Grenzslaven, den ritterlichen Paladin des Kaiser¬ hauses, in dieselbe Opposition getrieben haben, die er jetzt noch an den Ungarn bekämpft, und er, der loyal gegen Empörer focht, wird das Schicksal haben, selbst ein „Empörer" zu werden, durch eure Schuld und Schwäche. Und die Ungarn! Es gab nichts Unseligeres als die russische Hilfe gegen ihren Stolz. Krieg im Innern ist, so fürchterlich er wüthet, immer einem Familien¬ hader vergleichbar, man haßt sich bitterlich, aber man kann sich anch brüderlich lieben. Ein Fremder, der dazwischen kommt, Ordnung zu stiften, vernichtet den Nest der Familienpietät, die in einem Winkel der Seelen auch beim heißesten Zorn zurückgeblieben ist. Ihr habt, wenn auch ohne es zu wollen, die Ungarn mit Hilfe der Russen besiegt, das wird euch der Szekler, der Magyare nie vergessen. Von der Stellung, die wir fortan zu Deutschland einnehmen werden, schweige ich ganz. Wenn ihr wollt, könnt ihr das in den nächsten Wochen gedruckt lesen. Es muß euch schmerzlich sein, daß diese russische Hilfe gerade zu der Stunde kam, wo ihr in Frankfurt euch ans eure Rechte an Deutschland berieft. Und wenn irgend ein Beweis dafür nöthig wäre, daß ihr dies einzelne Factum des Ein- rückens nicht befohlen habt, so kann man ihn in eurer Sprache gegen die Frank¬ furter finden. — Leider ist es gleichgültig, ob der Einzog mit oder ohne euren Willen geschah, an dem, was bei diesem Freundesdienst verhängnißvoll und tra¬ gisch ist, seid ihr doch schuld. Ich tadle die Sachsen nicht, welche riefen; aber es war ein Unglück, daß sie es thaten, und daß die Russen so geneigt sein durften zu kommen, ist das größte Unglück, ist eure Schuld. Und doch wäret ihr ehrlich, euer Wille gut und in Einzelnen von euch haben wir großen Sinn geehrt; aber Alles das wird euch nicht frei machen von dem Fluch, den die sinkenden Völker ans euer Haupt schleudern werden. Zwar habt ihr den Trost, daß ihr nach eurer Kraft gehandelt habt, wir aber haben das Recht euch zu verdammen, weil eure Kraft uicht größer war. Wo ist Hilfe für mein Vaterland! Wohl weiß ich, kein Leiden ist so groß, Manneskraft ist größer. Wo aber lebt der Mann, der große Blick, die starke Hand, welche uns Rettung bringt? Meine Seele sucht, soweit die Donau durch Oestreichs Fluren strömt, bergauf nud thalab, sie findet keinen! Auch der Eine ist's nicht, auf den wir hofften!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/397>, abgerufen am 23.07.2024.