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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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was das brausende Crescendo des Applaudirens, Schreiens und Jubelus darinnen
zu bedeuten habe. Man muß sich jedoch einen ausreichenden Begriff von der
altöstreichischen Bethausrnhe unserer Universitäten gemacht haben, um sich deu
Effect jenes bacchantischen Studentntti's lebhaft vorstellen zu können. Es gab
beiläufig den Eindruck, als wenn in einem von Belzoni eben geöffneten Königs-
grabe bei glänzender Beleuchtung ein Ballfest gegeben würde. Die Thüren jenes
Saales, den sonst nur der Pedell den Käufern und Verkäufern der Weisheit,
oder vielmehr des Titels der Weisheit öffnete, wurden nun gleichsam gesprengt
dnrch den verwegenen Ungestüm der Jugend; und an jener Stelle, die sonst nur
der Rector, mit der goldnen Ehrenkette geschmückt, einnehmen durfte, stand ein
stattlicher junger Mann mit braunen Locken und feurigem Blicke, dessen begei¬
sternde Rede die Versammlung mit Aufmerksamkeit verfolgte, aber auch durch häu¬
figen Beifallssturm unterbrach. Es war der bekannte Trautenauer Poet Uffo H o r n,
der zum Glück für die jungen Leute die Tribune bestieg, weil ihnen sonst die
unit-es "<:lion8 gefehlt hätte. Sie würden sich höchstens in einzelne heftig debat-
tirende Gruppen zertheilt haben, und dann rathlos auseinander gegangen sein;
so aber kam es doch zu dem Beschlusse, Waffen zu verlangen und eine Petition
zu entwerfen. Die Scene gewann an Interesse und Bedeutung, als Bürgermei¬
ster Müller eintrat, um ebenfalls von der Tribune herab einige beruhigende Worte
zu sprechen, und die Nachricht von der Aushebung der Censur bekannt zu geben.
Wenn ich mich jetzt daran erinnere, wie jener ängstliche, geistig wehrlose Mann
neben dem gewandten Uffo Horn dastand und mit stotternder Unbehilflichkeit gegen
die verwegene Rhetorik des Poeten sich wehrte, wie er ihm zuletzt mit Wort und
Handschlag versprechen mußte, die Forderungen der Studenten kräftig zu unterstützen:
so geht mir erst recht die symbolische Bedeutung jenes Momentes aus; und ich sehe
in Müllers zitternder Gestalt die gänzliche Rathlosigkeit und Hinflechende Alters¬
schwäche der Behörden, und in Horn's blendender, aber kernloser Persönlichkeit
den leeren Theatcrprnnk der studirenden Jngend vorgebildet, die in der Phrase
fortan eine eingebildete Allmacht besaß. In dem ersten Sturm der Begeisterung
rief man Uffo Horn zum Hauptmann der Studeutenlegion ans; aber am andern
Tage sah man denn doch das Unpraktische eines solchen romantischen Entschlusses
ein. Die guten Jungen wollten nicht ganz und gar mit der Vergangenheit bre¬
chen, sie beschlossen vielmehr das "historische Recht" ihrer Professoren zu achten,
und sich vertrauensvoll um die Katheder zu schaaren. Man theilte sich nach den
Facultäten in vier Cohorten ein, wozu auch die Schüler des polytechnischen In¬
stituts als fünfte Cohorte hinzutraten; und an der Spitze einer jeden solchen Ab¬
theilung stand irgend ein populärer Professor, der mit dem classischen Ehrentitel
eines Tribuns prunkte. Die einzelnen Cohorten unterschieden sich durch die Farbe
ihrer Kappen, und an die Zufälligkeit dieses Abzeichens knüpfte sich später ein
besonderer Begriff, so daß man z. B. die Rothkappen der juridischen und die


was das brausende Crescendo des Applaudirens, Schreiens und Jubelus darinnen
zu bedeuten habe. Man muß sich jedoch einen ausreichenden Begriff von der
altöstreichischen Bethausrnhe unserer Universitäten gemacht haben, um sich deu
Effect jenes bacchantischen Studentntti's lebhaft vorstellen zu können. Es gab
beiläufig den Eindruck, als wenn in einem von Belzoni eben geöffneten Königs-
grabe bei glänzender Beleuchtung ein Ballfest gegeben würde. Die Thüren jenes
Saales, den sonst nur der Pedell den Käufern und Verkäufern der Weisheit,
oder vielmehr des Titels der Weisheit öffnete, wurden nun gleichsam gesprengt
dnrch den verwegenen Ungestüm der Jugend; und an jener Stelle, die sonst nur
der Rector, mit der goldnen Ehrenkette geschmückt, einnehmen durfte, stand ein
stattlicher junger Mann mit braunen Locken und feurigem Blicke, dessen begei¬
sternde Rede die Versammlung mit Aufmerksamkeit verfolgte, aber auch durch häu¬
figen Beifallssturm unterbrach. Es war der bekannte Trautenauer Poet Uffo H o r n,
der zum Glück für die jungen Leute die Tribune bestieg, weil ihnen sonst die
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tirende Gruppen zertheilt haben, und dann rathlos auseinander gegangen sein;
so aber kam es doch zu dem Beschlusse, Waffen zu verlangen und eine Petition
zu entwerfen. Die Scene gewann an Interesse und Bedeutung, als Bürgermei¬
ster Müller eintrat, um ebenfalls von der Tribune herab einige beruhigende Worte
zu sprechen, und die Nachricht von der Aushebung der Censur bekannt zu geben.
Wenn ich mich jetzt daran erinnere, wie jener ängstliche, geistig wehrlose Mann
neben dem gewandten Uffo Horn dastand und mit stotternder Unbehilflichkeit gegen
die verwegene Rhetorik des Poeten sich wehrte, wie er ihm zuletzt mit Wort und
Handschlag versprechen mußte, die Forderungen der Studenten kräftig zu unterstützen:
so geht mir erst recht die symbolische Bedeutung jenes Momentes aus; und ich sehe
in Müllers zitternder Gestalt die gänzliche Rathlosigkeit und Hinflechende Alters¬
schwäche der Behörden, und in Horn's blendender, aber kernloser Persönlichkeit
den leeren Theatcrprnnk der studirenden Jngend vorgebildet, die in der Phrase
fortan eine eingebildete Allmacht besaß. In dem ersten Sturm der Begeisterung
rief man Uffo Horn zum Hauptmann der Studeutenlegion ans; aber am andern
Tage sah man denn doch das Unpraktische eines solchen romantischen Entschlusses
ein. Die guten Jungen wollten nicht ganz und gar mit der Vergangenheit bre¬
chen, sie beschlossen vielmehr das „historische Recht" ihrer Professoren zu achten,
und sich vertrauensvoll um die Katheder zu schaaren. Man theilte sich nach den
Facultäten in vier Cohorten ein, wozu auch die Schüler des polytechnischen In¬
stituts als fünfte Cohorte hinzutraten; und an der Spitze einer jeden solchen Ab¬
theilung stand irgend ein populärer Professor, der mit dem classischen Ehrentitel
eines Tribuns prunkte. Die einzelnen Cohorten unterschieden sich durch die Farbe
ihrer Kappen, und an die Zufälligkeit dieses Abzeichens knüpfte sich später ein
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/39>, abgerufen am 23.12.2024.