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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Man kennt sich wohl endlich wieder, auch wenn man sich verändert


Wald.

hat. -- Hahccha! Jetzt sehe ich, wie's mit meinem Leben steht, eine Schlange,
die sich in den Schwanz beißt und daran crepirt. -- Das Ende und der An¬
fang kommen zusammen, der Kreis ist geschlossen, ich bin fertig, (wirst sich in die
Kissen).


Georg,

Waldemar! Waldemar, sprich zu mir,

(ihn schüttelnd, in Angst).

nur ein Wort! ein Wort, Waldemar.

(tonlos).

O, schöne Frau, verzeihen Sie meine Unart, aber ich bin


Wald,

krank auf den Tod. --


Georg,

Meine Kraft geht zu Ende, ich werde verlieren, o

(bei Seite).

Qual, bittre Qual. -- Laß mich so uicht von Dir gehen, Waldemar! Es könnte
ein Unglück werden für uns Beide!

Wald, (schweigt).

Georg.

D

(an der Thür).
u schweigst? Du wendest Dich ab? -- Ver¬

räther! noch einmal sollst Du mir in's Auge sehen, und dann nie wieder.

(Georg ab).

Wald,
(nach einer Pause).

Mein Witz ist bankerott. Ich habe oft mit An¬

dern gespielt, jetzt bin ich ein Spielball geworden für Weiber, Kinder und --
Gespenster. -- Ich bin am Ende, das will erkannt sein, und darnach wollen
wir uns richten. Was thut's auch, daß das letzte Capitel des Romans kläglich

(schellt)
war, es liegt beim Teufel nichts an der ganzen Geschichte. --

Box.

Vox.
(bei Seite).

Er ist allein!


Wald.

Hole mir den Gärtner Hiller, sogleich.

Gnädiger Herr, er ist bereits hier, ich wagte ihn nicht zu melden, weil


B o x.

der Herr Graf allein sein wollten.

S

(Box ab)
churke! -- führ' ihn herein. Auch diese Rohrdommel


Wald.

sängt an, die Federn gegen mich zu sträuben.

Hiller.

(ihm entgegen)
Vater Hiller, willkommen in meinem Hause. Reicht mir die
Hand, guter Mann; sprecht, habt Ihr einen Groll gegen mich?


Hiller.

Keinen Groll, Herr Graf, aber schwere Sorge ängstigt mich und

führt mich noch so spät zu Ihnen. -- Die Mutter des Kindes ist zurückgekehrt.


Wald.

Ich weiß es.


Hiller.

Sie hat meine Tochter gedroht, den Knaben von uns zu nehmen

und ihm ein Leid anzuthun. In großer Furie ist sie fortgegangen, und wir
müssen jede Stunde das Aergste erwarten. -- Ich habe die Absicht, wenn der
Herr Graf einverstanden sind, den Knaben mit meiner Tochter tief in das Land


Man kennt sich wohl endlich wieder, auch wenn man sich verändert


Wald.

hat. — Hahccha! Jetzt sehe ich, wie's mit meinem Leben steht, eine Schlange,
die sich in den Schwanz beißt und daran crepirt. — Das Ende und der An¬
fang kommen zusammen, der Kreis ist geschlossen, ich bin fertig, (wirst sich in die
Kissen).


Georg,

Waldemar! Waldemar, sprich zu mir,

(ihn schüttelnd, in Angst).

nur ein Wort! ein Wort, Waldemar.

(tonlos).

O, schöne Frau, verzeihen Sie meine Unart, aber ich bin


Wald,

krank auf den Tod. —


Georg,

Meine Kraft geht zu Ende, ich werde verlieren, o

(bei Seite).

Qual, bittre Qual. — Laß mich so uicht von Dir gehen, Waldemar! Es könnte
ein Unglück werden für uns Beide!

Wald, (schweigt).

Georg.

D

(an der Thür).
u schweigst? Du wendest Dich ab? — Ver¬

räther! noch einmal sollst Du mir in's Auge sehen, und dann nie wieder.

(Georg ab).

Wald,
(nach einer Pause).

Mein Witz ist bankerott. Ich habe oft mit An¬

dern gespielt, jetzt bin ich ein Spielball geworden für Weiber, Kinder und —
Gespenster. — Ich bin am Ende, das will erkannt sein, und darnach wollen
wir uns richten. Was thut's auch, daß das letzte Capitel des Romans kläglich

(schellt)
war, es liegt beim Teufel nichts an der ganzen Geschichte. —

Box.

Vox.
(bei Seite).

Er ist allein!


Wald.

Hole mir den Gärtner Hiller, sogleich.

Gnädiger Herr, er ist bereits hier, ich wagte ihn nicht zu melden, weil


B o x.

der Herr Graf allein sein wollten.

S

(Box ab)
churke! — führ' ihn herein. Auch diese Rohrdommel


Wald.

sängt an, die Federn gegen mich zu sträuben.

Hiller.

(ihm entgegen)
Vater Hiller, willkommen in meinem Hause. Reicht mir die
Hand, guter Mann; sprecht, habt Ihr einen Groll gegen mich?


Hiller.

Keinen Groll, Herr Graf, aber schwere Sorge ängstigt mich und

führt mich noch so spät zu Ihnen. — Die Mutter des Kindes ist zurückgekehrt.


Wald.

Ich weiß es.


Hiller.

Sie hat meine Tochter gedroht, den Knaben von uns zu nehmen

und ihm ein Leid anzuthun. In großer Furie ist sie fortgegangen, und wir
müssen jede Stunde das Aergste erwarten. -- Ich habe die Absicht, wenn der
Herr Graf einverstanden sind, den Knaben mit meiner Tochter tief in das Land


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[0381] Man kennt sich wohl endlich wieder, auch wenn man sich verändert Wald. hat. — Hahccha! Jetzt sehe ich, wie's mit meinem Leben steht, eine Schlange, die sich in den Schwanz beißt und daran crepirt. — Das Ende und der An¬ fang kommen zusammen, der Kreis ist geschlossen, ich bin fertig, (wirst sich in die Kissen). Georg, Waldemar! Waldemar, sprich zu mir, (ihn schüttelnd, in Angst). nur ein Wort! ein Wort, Waldemar. (tonlos). O, schöne Frau, verzeihen Sie meine Unart, aber ich bin Wald, krank auf den Tod. — Georg, Meine Kraft geht zu Ende, ich werde verlieren, o (bei Seite). Qual, bittre Qual. — Laß mich so uicht von Dir gehen, Waldemar! Es könnte ein Unglück werden für uns Beide! Wald, (schweigt). Georg. D (an der Thür). u schweigst? Du wendest Dich ab? — Ver¬ räther! noch einmal sollst Du mir in's Auge sehen, und dann nie wieder. (Georg ab). Wald, (nach einer Pause). Mein Witz ist bankerott. Ich habe oft mit An¬ dern gespielt, jetzt bin ich ein Spielball geworden für Weiber, Kinder und — Gespenster. — Ich bin am Ende, das will erkannt sein, und darnach wollen wir uns richten. Was thut's auch, daß das letzte Capitel des Romans kläglich (schellt) war, es liegt beim Teufel nichts an der ganzen Geschichte. — Box. Vox. (bei Seite). Er ist allein! Wald. Hole mir den Gärtner Hiller, sogleich. Gnädiger Herr, er ist bereits hier, ich wagte ihn nicht zu melden, weil B o x. der Herr Graf allein sein wollten. S (Box ab) churke! — führ' ihn herein. Auch diese Rohrdommel Wald. sängt an, die Federn gegen mich zu sträuben. Hiller. (ihm entgegen) Vater Hiller, willkommen in meinem Hause. Reicht mir die Hand, guter Mann; sprecht, habt Ihr einen Groll gegen mich? Hiller. Keinen Groll, Herr Graf, aber schwere Sorge ängstigt mich und führt mich noch so spät zu Ihnen. — Die Mutter des Kindes ist zurückgekehrt. Wald. Ich weiß es. Hiller. Sie hat meine Tochter gedroht, den Knaben von uns zu nehmen und ihm ein Leid anzuthun. In großer Furie ist sie fortgegangen, und wir müssen jede Stunde das Aergste erwarten. -- Ich habe die Absicht, wenn der Herr Graf einverstanden sind, den Knaben mit meiner Tochter tief in das Land

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/381>, abgerufen am 23.12.2024.