Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.auf schlimme Gedanken. Einige Arbciterkrawalle waren die ersten Anzeichen der verän¬ Im Vertrauen gesagt, das Ministerium hatte einen groben Fehler begangen, in¬ An die Ahoimcntcil der Grciybotcn! Verlag von F. L. Hcrbig. -- Redacteure: Gustav Frrytag und Julian Schmidt. Druck von Friedrich Andrä. auf schlimme Gedanken. Einige Arbciterkrawalle waren die ersten Anzeichen der verän¬ Im Vertrauen gesagt, das Ministerium hatte einen groben Fehler begangen, in¬ An die Ahoimcntcil der Grciybotcn! Verlag von F. L. Hcrbig. — Redacteure: Gustav Frrytag und Julian Schmidt. Druck von Friedrich Andrä. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0368" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278356"/> <p xml:id="ID_1978" prev="#ID_1977"> auf schlimme Gedanken. Einige Arbciterkrawalle waren die ersten Anzeichen der verän¬<lb/> derten Stimmung, allmälig ging man weiter. Was würde Herr Bassermann sagen,<lb/> wenn er an den Straßenecken läse, daß der Traum eines rothen Republikaners, der-<lb/> ihn schon an den Schaufenstern der Buchläden so sehr erschreckte, jetzt sogar auf den<lb/> kleinen Theatern gespielt wird, wo der eigentliche Mittelstand des Sonntags seine Er¬<lb/> holung sucht? Entsetzlich! unverantwortlich von Wrangel, so etwas zu dulden! Aber<lb/> der Arme mußte wohl, er konnte beim besten Willen nichts Neues mehr herbeischaffen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1979"> Im Vertrauen gesagt, das Ministerium hatte einen groben Fehler begangen, in¬<lb/> dem es sich und den Belagerungszustand zu lauge währen ließ. Oder glaubt es etwa,<lb/> man werde der Soldateska und der königlichen Lakaien mit der Zeit nicht eben so satt,<lb/> als der Bassermcinnschen Gestalten? ich weiß so manchen ehrlichen Bürger, der im No¬<lb/> vember Gewalt schrie über die Anarchie, und der sich heute, trotz eines heimlichen<lb/> Grauens, des lüsternen Wunsches nicht erwehren kann, wieder einmal ein Stückchen<lb/> Schreckenszeit zu erleben. Es ist wahr, er entsetzt sich vor sich selber und sucht das<lb/> frevelhafte Begehren in einer frischen Weißen zu ertränken, aber dennoch entschlüpft ihm<lb/> ein leiser Seufzer, daß es auch so gar nichts Neues gibt. Daher, einzig daher unsere<lb/> Wahlen! Und nun hat die staatsmännische Partei noch die Frechheit, uus als März-<lb/> Hasen in der Politik auszuschreien, weil wir den Waldeck, den Temme, den Jakoby zu<lb/> unsere Vertreter ernannt! Was in aller Welt haben denn unsre Wahlen mit unserm<lb/> Glaubensbekenntniß zu schassen? Nur der Abwechslung wegen, aus keinem andern<lb/> Grunde haben wir die Führer der äußersten Linken wieder in die Kammer gebracht,<lb/> und/der Jung und Bauer müsse» auch noch hinein, es mag biegen oder brechen. Fra¬<lb/> gen Sie den ehrsamen Bürger dort, warum er den Demokraten seine Stimme gegeben<lb/> — erinnern Sie ihn an die Zeiten der Konstitution. Er kratzt Ich verlegen hinter<lb/> den Ohren; er hält selbst nicht viel von den Leuten — im Gegentheil, ihm ist Angst,<lb/> was daraus werden soll. Aber er kann nicht anders, ein unwiderstehlicher Zug treibt<lb/> ihn zu den Heroen des Radikalismus, wie das Kind nach dem Orte, wo eS ein Ge¬<lb/> spenst gesehen — blos um herauszukommen aus dem ewigen Einerlei. Er wird Ihnen<lb/> gerne zugeben, daß Jung nicht besonders zum Parlamentsmitglied tauge. „Aber —<lb/> lautet der stehende Schluß — für Ncactiouärs werden die Provinzen schon sorgen, wir<lb/> in der Hauptstadt müssen die Linke schaffen und da ist der Jung noch eben so gut<lb/> wie jeder andere." El freilich! dafür sind wir Politiker, im Sitze der Intelligenz,<lb/> und haben eine glorreiche Revolution gemacht! —</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> <div> <floatingText> <body> <div type="advertisement"> <p> An die Ahoimcntcil der Grciybotcn!<lb/> Es sind uns Klagen darüber zugekommen, daß die Grenzboten hier und<lb/> da unregelmäßig oder zu spät unsern Abonnenten zukommen. Da uns in<lb/> dieser Zeit schneller Thaten und wechselnder Ereignisse vor Allem daran<lb/> liegen muß, unsere Zeitschrift möglichst schnell und regelmäßig in den Hän¬<lb/> den unserer Abonnenten zu wissen, so ersuchen wir unsere Abonnenten er-<lb/> gebenst und dringend, uns betreffende» Falls von Unordnungen und ihre»<lb/> Beschwerden brieflich unter der Adresse: „Redaction der Grenzbotrn" in<lb/> Kenntniß setzen zu wollen. Wir werden uns bemühen diese Uebelstände, so<lb/> weit es in unsern Kräften steht, sofort zu beseitigen.<lb/> Die Verlagshandlung.</p> </div> </body> </floatingText> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Verlag von F. L. Hcrbig. — Redacteure: Gustav Frrytag und Julian Schmidt.<lb/> Druck von Friedrich Andrä.</note><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0368]
auf schlimme Gedanken. Einige Arbciterkrawalle waren die ersten Anzeichen der verän¬
derten Stimmung, allmälig ging man weiter. Was würde Herr Bassermann sagen,
wenn er an den Straßenecken läse, daß der Traum eines rothen Republikaners, der-
ihn schon an den Schaufenstern der Buchläden so sehr erschreckte, jetzt sogar auf den
kleinen Theatern gespielt wird, wo der eigentliche Mittelstand des Sonntags seine Er¬
holung sucht? Entsetzlich! unverantwortlich von Wrangel, so etwas zu dulden! Aber
der Arme mußte wohl, er konnte beim besten Willen nichts Neues mehr herbeischaffen.
Im Vertrauen gesagt, das Ministerium hatte einen groben Fehler begangen, in¬
dem es sich und den Belagerungszustand zu lauge währen ließ. Oder glaubt es etwa,
man werde der Soldateska und der königlichen Lakaien mit der Zeit nicht eben so satt,
als der Bassermcinnschen Gestalten? ich weiß so manchen ehrlichen Bürger, der im No¬
vember Gewalt schrie über die Anarchie, und der sich heute, trotz eines heimlichen
Grauens, des lüsternen Wunsches nicht erwehren kann, wieder einmal ein Stückchen
Schreckenszeit zu erleben. Es ist wahr, er entsetzt sich vor sich selber und sucht das
frevelhafte Begehren in einer frischen Weißen zu ertränken, aber dennoch entschlüpft ihm
ein leiser Seufzer, daß es auch so gar nichts Neues gibt. Daher, einzig daher unsere
Wahlen! Und nun hat die staatsmännische Partei noch die Frechheit, uus als März-
Hasen in der Politik auszuschreien, weil wir den Waldeck, den Temme, den Jakoby zu
unsere Vertreter ernannt! Was in aller Welt haben denn unsre Wahlen mit unserm
Glaubensbekenntniß zu schassen? Nur der Abwechslung wegen, aus keinem andern
Grunde haben wir die Führer der äußersten Linken wieder in die Kammer gebracht,
und/der Jung und Bauer müsse» auch noch hinein, es mag biegen oder brechen. Fra¬
gen Sie den ehrsamen Bürger dort, warum er den Demokraten seine Stimme gegeben
— erinnern Sie ihn an die Zeiten der Konstitution. Er kratzt Ich verlegen hinter
den Ohren; er hält selbst nicht viel von den Leuten — im Gegentheil, ihm ist Angst,
was daraus werden soll. Aber er kann nicht anders, ein unwiderstehlicher Zug treibt
ihn zu den Heroen des Radikalismus, wie das Kind nach dem Orte, wo eS ein Ge¬
spenst gesehen — blos um herauszukommen aus dem ewigen Einerlei. Er wird Ihnen
gerne zugeben, daß Jung nicht besonders zum Parlamentsmitglied tauge. „Aber —
lautet der stehende Schluß — für Ncactiouärs werden die Provinzen schon sorgen, wir
in der Hauptstadt müssen die Linke schaffen und da ist der Jung noch eben so gut
wie jeder andere." El freilich! dafür sind wir Politiker, im Sitze der Intelligenz,
und haben eine glorreiche Revolution gemacht! —
An die Ahoimcntcil der Grciybotcn!
Es sind uns Klagen darüber zugekommen, daß die Grenzboten hier und
da unregelmäßig oder zu spät unsern Abonnenten zukommen. Da uns in
dieser Zeit schneller Thaten und wechselnder Ereignisse vor Allem daran
liegen muß, unsere Zeitschrift möglichst schnell und regelmäßig in den Hän¬
den unserer Abonnenten zu wissen, so ersuchen wir unsere Abonnenten er-
gebenst und dringend, uns betreffende» Falls von Unordnungen und ihre»
Beschwerden brieflich unter der Adresse: „Redaction der Grenzbotrn" in
Kenntniß setzen zu wollen. Wir werden uns bemühen diese Uebelstände, so
weit es in unsern Kräften steht, sofort zu beseitigen.
Die Verlagshandlung.
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