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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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im und Kuppeln haben einen träumerischen Anstrich unter den Casernen unsers
aufgeklärten Staatensystems. Die dreifache Krone des heiligen Vater ist nur noch
ein Spielball in der Hand schlauer Diplomaten, die Einheitsgelüste werden von
monarchistischen Doctrinais, wie Gioberti, und am königlichen Condotticri'S aus¬
gebeutet. Nimm ein Beispiel an deinen germanischen Stammesvettern, armes
Italien, dein Rausch ist verhängnißvoll, die Tragweite deiner Kraft entspricht
nicht der Elasticität deiner Wünsche. Mache Frieden mit dem heiligen Vater,
Frieden mit deinen Fürsten ; die Frühlingsluft der Republik schmeichelt den Sin¬
nen, aber sie sührt Krankheiten der ernsthaftesten Art mit sich. Für ein poetisches
Gemüth hat der Taumel großem Reiz, als die Prosa nüchterner Thätigkeit, aber
deine Poeten, anch wenn sie, wie Mazzini, sich von Hegel etwas haben er¬
zählen lassen, sind wohl im Stande, in heimlichen Spelunken romantische Bünd¬
nisse zu schließen, aber nicht, die feste Grundlage eines politischen Gebäudes zu
legen, in dem sich wohnen läßt.


4.
Die Zauberflöte.

ES war eine heitere Zeit, die liebenswürdigen Flegeljahre unserer halbver-
schlafcnen Aufklärung, trotz ihrer Perrücken und Reifröcke, ihrer Geheimnißkrämerei
und ihrer unausstehliche" suffisance. Zwar haben ihre Illuminaten dein Licht,
das sie in der sichern Truhe ihrer geheimen Orden verschlossen glaubten, nicht er¬
heblich neue Wege gebahnt, es tanzte irrwischgleich in den Sümpfen des Magne¬
tismus, Somnambulismus und der Geisterseherei herum, und ihre Wünschelruthe
war trotz aller Anstrengung nicht einmal im Stande, die verborgene Goldader
der kalifornischen Berge zu erspähen, aber wenn es uns weder den Staat noch un¬
sere Kirche reformirt hat, so hat es uns doch mit den liebenswürdigen Gestalten
Papageno's und Sarastro's bereichert.

Warum hat Sarastro nicht in der Paulskirche präsidire! Als ich i" Leipzig die
erhebende Scene wiedersah, in welcher der Hohepriester ein neues hoffnungsvolles
Mitglied des projectirten Bundesstaats anmeldete, und die Mitglieder der Natio¬
nalversammlung, die sich in ihren spitzen Mützen ganz stattlich ausnahmen, auf¬
forderte, frei und unumwunden ihre Ansicht über die Rcception auszusprechen, als
darauf eünnüthig die würdigen Männer eine lange Trompete an den Mund setzten
und in schöner Harmonie ihre Einwilligung tuteten, und der große Sarasdo er¬
wiederte: Ich danke euch, ihr Biedermänner, im Namen der Menschheit für diese
Einstimmigkeit, -- da klang mir der Refrain des Liedes in die Ohren: "das
ganze Dentschland soll es sein!" Der schöne Tamino ist durch das Feuer der
Octovcrlage gegangen, vor der giftigen Schlange der.Revolution hat ihn der
Speer der drei Genien Windischgrätz, Radetzki und Jellachich behütet, und nun
klopft er weishcuslüstern W die Pforten deö Tempels: "es zeigen die Pforte",'


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im und Kuppeln haben einen träumerischen Anstrich unter den Casernen unsers
aufgeklärten Staatensystems. Die dreifache Krone des heiligen Vater ist nur noch
ein Spielball in der Hand schlauer Diplomaten, die Einheitsgelüste werden von
monarchistischen Doctrinais, wie Gioberti, und am königlichen Condotticri'S aus¬
gebeutet. Nimm ein Beispiel an deinen germanischen Stammesvettern, armes
Italien, dein Rausch ist verhängnißvoll, die Tragweite deiner Kraft entspricht
nicht der Elasticität deiner Wünsche. Mache Frieden mit dem heiligen Vater,
Frieden mit deinen Fürsten ; die Frühlingsluft der Republik schmeichelt den Sin¬
nen, aber sie sührt Krankheiten der ernsthaftesten Art mit sich. Für ein poetisches
Gemüth hat der Taumel großem Reiz, als die Prosa nüchterner Thätigkeit, aber
deine Poeten, anch wenn sie, wie Mazzini, sich von Hegel etwas haben er¬
zählen lassen, sind wohl im Stande, in heimlichen Spelunken romantische Bünd¬
nisse zu schließen, aber nicht, die feste Grundlage eines politischen Gebäudes zu
legen, in dem sich wohnen läßt.


4.
Die Zauberflöte.

ES war eine heitere Zeit, die liebenswürdigen Flegeljahre unserer halbver-
schlafcnen Aufklärung, trotz ihrer Perrücken und Reifröcke, ihrer Geheimnißkrämerei
und ihrer unausstehliche» suffisance. Zwar haben ihre Illuminaten dein Licht,
das sie in der sichern Truhe ihrer geheimen Orden verschlossen glaubten, nicht er¬
heblich neue Wege gebahnt, es tanzte irrwischgleich in den Sümpfen des Magne¬
tismus, Somnambulismus und der Geisterseherei herum, und ihre Wünschelruthe
war trotz aller Anstrengung nicht einmal im Stande, die verborgene Goldader
der kalifornischen Berge zu erspähen, aber wenn es uns weder den Staat noch un¬
sere Kirche reformirt hat, so hat es uns doch mit den liebenswürdigen Gestalten
Papageno's und Sarastro's bereichert.

Warum hat Sarastro nicht in der Paulskirche präsidire! Als ich i» Leipzig die
erhebende Scene wiedersah, in welcher der Hohepriester ein neues hoffnungsvolles
Mitglied des projectirten Bundesstaats anmeldete, und die Mitglieder der Natio¬
nalversammlung, die sich in ihren spitzen Mützen ganz stattlich ausnahmen, auf¬
forderte, frei und unumwunden ihre Ansicht über die Rcception auszusprechen, als
darauf eünnüthig die würdigen Männer eine lange Trompete an den Mund setzten
und in schöner Harmonie ihre Einwilligung tuteten, und der große Sarasdo er¬
wiederte: Ich danke euch, ihr Biedermänner, im Namen der Menschheit für diese
Einstimmigkeit, — da klang mir der Refrain des Liedes in die Ohren: „das
ganze Dentschland soll es sein!" Der schöne Tamino ist durch das Feuer der
Octovcrlage gegangen, vor der giftigen Schlange der.Revolution hat ihn der
Speer der drei Genien Windischgrätz, Radetzki und Jellachich behütet, und nun
klopft er weishcuslüstern W die Pforten deö Tempels: „es zeigen die Pforte»,'


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/355>, abgerufen am 03.07.2024.