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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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nie lyrisch gehen, er bricht nie in Verzückungen aus, auch im Uebermaß der
Empfindung bewahrt er die Form. So können wir uns im ersten Augenblick das
Mißvergnügen nicht rechtfertigen, das wir empfinden müssen, und um so fremder
kommt uns eine Weltanschauung vor, die wir nicht mit dem Stempel zufälliger
Erregtheit brandmarken dürfen.

Der sittliche Conflict im "Prinzen von Homburg" ist einfach und wahr.
Schiller hat ihn im "Kampf mit dem Drachen"' dargestellt. Die freie Heldenkraft
empört sich mit dem subjectiven Bewußtsein ihrer Berechtigung gegen die sittliche
Ordnung, der alte Stoff der heidnischen Tragödie. Das Heidenthum kannte noch
keine Lösung, Ivx est res surci" et inkxoiill>ni8) das Gesetz duldet keine Ver¬
mittelung, eben so wenig die Nemesis, der abstracte "Neid der Götter." Die
neue Zeit gibt dem freien Bewußtsein das Recht, sich selbst zu richten und damit
zu befreien. Das Gesetz hat nur noch den Schein der unnahbaren Strenge:


"Muth zeiget auch der Mameluck;
Gehorsam ist des Christen Schmuck,"

ruft der Meister dem Helden zu, als er ihn ans dem Orden stößt, weil er wider
das Gesetz das Vaterland gerettet; als er aber in Erkenntniß seiner Schuld sich
der Strafe unterwirst, gibt er ihm das Kreuz wieder zurück:


-- "es ist der Lohn
Der Demuth, die sich selbst bezwungen."

Es wäre höchst roh, es nun so zu nehmen, daß der Meister nur gerührt
werde über die Bescheidenheit des bestraften Jünglings, und nun mit edler Willkür
ihm verziehe, da er ihm eben so gut auch nicht hätte verzeihen können. Diese
Freisprechung nach dem Bekenntniß der Schuld ist vielmehr sittliche Nothwendig¬
keit; der Heide Ajax mußte sich tödten, weil seine Schuld ihm äußerlich blieb ;
der Moderne findet die Versöhnung in sich selbst.

In unserm Drama ist dieser sittliche Conflict, den der lyrische Dichter nur
skizzenhaft andeuten konnte, auf das lebensvollste ausgeführt. Der Prinz, im
Drange seines Heldengefühls und in dem voreiligen Glauben an seine bessere Ein¬
sicht, verletzt den Plan, der das Ganze der Schlacht leiten soll. Das Glück und
seine Tapferkeit geben diesem Uebermuth einen günstigen Ausgang; er schlägt die
Feinde, und stellt sich mit den erbeuteten Fahnen im stolzen Gefühl seines Sieges
und des geretteten Vaterlandes dem Fürsten dar. Als dieser ihm den Degen ab¬
nimmt, ist sein erstes Gefühl Bitterkeit über die Pedanterie des Gesetzes, welches
die freie Genialität nicht anerkennt. Er hat Unrecht, denn es kommt nicht auf
den einzelnen Erfolg an, sondern auf deu Geist der Ordnung und des Gesetzes,
der die Ewigkeit des Staates sichern soll. Als er zu sich selbst gekommen ist,
verfällt er in den zweiten Fehler, die Sache zu leicht zu nehmen; er läßt seinen
Arrest der Form wegen gelten, und rechnet auf schnelle Begnadigung. Noch hat ihn
der Ernst des Gesetzes nicht durchschauert, dieser Ernst darf aber nicht fehlen, wenn


nie lyrisch gehen, er bricht nie in Verzückungen aus, auch im Uebermaß der
Empfindung bewahrt er die Form. So können wir uns im ersten Augenblick das
Mißvergnügen nicht rechtfertigen, das wir empfinden müssen, und um so fremder
kommt uns eine Weltanschauung vor, die wir nicht mit dem Stempel zufälliger
Erregtheit brandmarken dürfen.

Der sittliche Conflict im „Prinzen von Homburg" ist einfach und wahr.
Schiller hat ihn im „Kampf mit dem Drachen"' dargestellt. Die freie Heldenkraft
empört sich mit dem subjectiven Bewußtsein ihrer Berechtigung gegen die sittliche
Ordnung, der alte Stoff der heidnischen Tragödie. Das Heidenthum kannte noch
keine Lösung, Ivx est res surci» et inkxoiill>ni8) das Gesetz duldet keine Ver¬
mittelung, eben so wenig die Nemesis, der abstracte „Neid der Götter." Die
neue Zeit gibt dem freien Bewußtsein das Recht, sich selbst zu richten und damit
zu befreien. Das Gesetz hat nur noch den Schein der unnahbaren Strenge:


„Muth zeiget auch der Mameluck;
Gehorsam ist des Christen Schmuck,"

ruft der Meister dem Helden zu, als er ihn ans dem Orden stößt, weil er wider
das Gesetz das Vaterland gerettet; als er aber in Erkenntniß seiner Schuld sich
der Strafe unterwirst, gibt er ihm das Kreuz wieder zurück:


— „es ist der Lohn
Der Demuth, die sich selbst bezwungen."

Es wäre höchst roh, es nun so zu nehmen, daß der Meister nur gerührt
werde über die Bescheidenheit des bestraften Jünglings, und nun mit edler Willkür
ihm verziehe, da er ihm eben so gut auch nicht hätte verzeihen können. Diese
Freisprechung nach dem Bekenntniß der Schuld ist vielmehr sittliche Nothwendig¬
keit; der Heide Ajax mußte sich tödten, weil seine Schuld ihm äußerlich blieb ;
der Moderne findet die Versöhnung in sich selbst.

In unserm Drama ist dieser sittliche Conflict, den der lyrische Dichter nur
skizzenhaft andeuten konnte, auf das lebensvollste ausgeführt. Der Prinz, im
Drange seines Heldengefühls und in dem voreiligen Glauben an seine bessere Ein¬
sicht, verletzt den Plan, der das Ganze der Schlacht leiten soll. Das Glück und
seine Tapferkeit geben diesem Uebermuth einen günstigen Ausgang; er schlägt die
Feinde, und stellt sich mit den erbeuteten Fahnen im stolzen Gefühl seines Sieges
und des geretteten Vaterlandes dem Fürsten dar. Als dieser ihm den Degen ab¬
nimmt, ist sein erstes Gefühl Bitterkeit über die Pedanterie des Gesetzes, welches
die freie Genialität nicht anerkennt. Er hat Unrecht, denn es kommt nicht auf
den einzelnen Erfolg an, sondern auf deu Geist der Ordnung und des Gesetzes,
der die Ewigkeit des Staates sichern soll. Als er zu sich selbst gekommen ist,
verfällt er in den zweiten Fehler, die Sache zu leicht zu nehmen; er läßt seinen
Arrest der Form wegen gelten, und rechnet auf schnelle Begnadigung. Noch hat ihn
der Ernst des Gesetzes nicht durchschauert, dieser Ernst darf aber nicht fehlen, wenn


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/349>, abgerufen am 23.12.2024.