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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Wir wollen wünschen, daß die Männer in Frankfurt den Kops erleuchtet und das
Herz auf dem rechten Fleck haben.

Wenn sie richtig ausgefallen, bleibt noch die Frage nach der Constituirung
Deutschlands. Einen Grund für die preußische Hegemonie führten wir an, sie
wird den innern Abschluß Deutschlands am sichersten befestigen, während jede lo¬
sere Form die Einmischung herbeilockt. Indeß kaun es sein, daß, wenn einmal
das Parlament einen entscheidenden Ausspruch gethan, die richtige Erkenntniß die¬
ses Verhältnisses so eindringen wird, daß jede fernere Lerrückung desselben unter¬
bleibt. Wir dürfen also von diesem Grunde absehen und die Frage nach der Reichs¬
gewalt blos in Berücksichtigung der andern Verhältnisse Deutschlands prüfen.

Wir haben bereits die Alternative aufgezeigt. Entweder eine Centralgewalt
mit so umfassenden Befugnissen, daß eine durchgreifende Staatseinheit hergestellt
wird, der Selbstverwaltung der einzelnen Landschaften unbeschadet -- diese kann
sich jetzt nur halten, wenn die ganze Kraft des preußischen Staats und Volks
unmittelbar in das Neichsinteresse gezogen, wird -- oder eine Bundesgewalt mit
der beschränkten Kompetenz, welche der losen Einheit eines Föderativstaates genügt.
Um diese Einheit zu verwirklichen genügt eine parlamentarische Behörde allein.
Machen wir uns die Consequenzen dieses Verhältnisses klar.

Das Kapital von der Reichsgewalt wäre dann überall im Sinne des Min¬
derheitsgutachtens von Lassaulx, Notheuhau, Scheller abzuändern. ES würde
eine gewisse Gleichmäßigkeit des Buudesheeres von Ncichswegeu angeordnet. Das
Bundesheer bildete die vom Reich festgestellten Kontingente. Außerdem bliebe es
den Bundesstaaten unbenommen, eine Kriegsmacht lediglich zur eignen Disposition
zu halten. Die Ernennung der Generale von Reichs wegen wäre aus das Ober"
kommaudo der Kriegstheater und die Leitung vereinigter Contingente kleiner Staa¬
ten zu beschränken. Die völkerrechtliche Vertretung und die Entscheidung über
Krieg und Frieden bliebe der Reichsgewalt. Die Gesetzgebung sowohl zur Be¬
gründung der Rechtseinheit in Deutschland als zur Gleichmäßigkeit materieller
Einrichtungen müßte aber die Reichsgewalt mit den Einzelstaaten theilen, theils
so, daß den Letztern ein Veto zustände, theils so, daß der Reichsgewalt eine
ausschließliche Competenz in einzelnen Fällen besonders übertragen würde, z. B.
zur Erlassung einer allgemeinen Criminalordnung, Heimathgesetzgcbung u. s. w.
Die Reichsgewalt hätte dann in der allgemeinen Gesetzgebung nur die Initiative
ausschließlich. Der eigentliche Heerd des politischen Lebens der Nation würden
die Regierungen und Parlamente der Einzelnstaaten bleiben, es wäre daher am
zweckmäßigsten, das Reichsparlament durch einen Ausschuß der Einzelkammern zu
bilden und es genügte eine Kammer. An der Executive stände am angemessensten
ein vou den Regierungen delegirter Reichsverweser mit seinen Ministern. Da alle
gemeinsame Thätigkeit nur durch Uebereinstimmung der Bundesgewalt mit den
Einzelstaaten zu Stande käme, so wäre die Hauptaufgabe der Minister, zwischen


Wir wollen wünschen, daß die Männer in Frankfurt den Kops erleuchtet und das
Herz auf dem rechten Fleck haben.

Wenn sie richtig ausgefallen, bleibt noch die Frage nach der Constituirung
Deutschlands. Einen Grund für die preußische Hegemonie führten wir an, sie
wird den innern Abschluß Deutschlands am sichersten befestigen, während jede lo¬
sere Form die Einmischung herbeilockt. Indeß kaun es sein, daß, wenn einmal
das Parlament einen entscheidenden Ausspruch gethan, die richtige Erkenntniß die¬
ses Verhältnisses so eindringen wird, daß jede fernere Lerrückung desselben unter¬
bleibt. Wir dürfen also von diesem Grunde absehen und die Frage nach der Reichs¬
gewalt blos in Berücksichtigung der andern Verhältnisse Deutschlands prüfen.

Wir haben bereits die Alternative aufgezeigt. Entweder eine Centralgewalt
mit so umfassenden Befugnissen, daß eine durchgreifende Staatseinheit hergestellt
wird, der Selbstverwaltung der einzelnen Landschaften unbeschadet — diese kann
sich jetzt nur halten, wenn die ganze Kraft des preußischen Staats und Volks
unmittelbar in das Neichsinteresse gezogen, wird — oder eine Bundesgewalt mit
der beschränkten Kompetenz, welche der losen Einheit eines Föderativstaates genügt.
Um diese Einheit zu verwirklichen genügt eine parlamentarische Behörde allein.
Machen wir uns die Consequenzen dieses Verhältnisses klar.

Das Kapital von der Reichsgewalt wäre dann überall im Sinne des Min¬
derheitsgutachtens von Lassaulx, Notheuhau, Scheller abzuändern. ES würde
eine gewisse Gleichmäßigkeit des Buudesheeres von Ncichswegeu angeordnet. Das
Bundesheer bildete die vom Reich festgestellten Kontingente. Außerdem bliebe es
den Bundesstaaten unbenommen, eine Kriegsmacht lediglich zur eignen Disposition
zu halten. Die Ernennung der Generale von Reichs wegen wäre aus das Ober»
kommaudo der Kriegstheater und die Leitung vereinigter Contingente kleiner Staa¬
ten zu beschränken. Die völkerrechtliche Vertretung und die Entscheidung über
Krieg und Frieden bliebe der Reichsgewalt. Die Gesetzgebung sowohl zur Be¬
gründung der Rechtseinheit in Deutschland als zur Gleichmäßigkeit materieller
Einrichtungen müßte aber die Reichsgewalt mit den Einzelstaaten theilen, theils
so, daß den Letztern ein Veto zustände, theils so, daß der Reichsgewalt eine
ausschließliche Competenz in einzelnen Fällen besonders übertragen würde, z. B.
zur Erlassung einer allgemeinen Criminalordnung, Heimathgesetzgcbung u. s. w.
Die Reichsgewalt hätte dann in der allgemeinen Gesetzgebung nur die Initiative
ausschließlich. Der eigentliche Heerd des politischen Lebens der Nation würden
die Regierungen und Parlamente der Einzelnstaaten bleiben, es wäre daher am
zweckmäßigsten, das Reichsparlament durch einen Ausschuß der Einzelkammern zu
bilden und es genügte eine Kammer. An der Executive stände am angemessensten
ein vou den Regierungen delegirter Reichsverweser mit seinen Ministern. Da alle
gemeinsame Thätigkeit nur durch Uebereinstimmung der Bundesgewalt mit den
Einzelstaaten zu Stande käme, so wäre die Hauptaufgabe der Minister, zwischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/34>, abgerufen am 23.07.2024.