Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.Fr. Box. Ich muß Dich warnen, Kind meiner Seele, vielleicht ist es noch nicht zu spät, vielleicht bist Du noch nicht ganz in den Stricken des Verführers. Gertr. Des Verführers! Fr. B o x. Ja, hören Sie mich, mein armes Kind, ich weiß Alles. Er ist hier, der gewissenlose, schändliche Herr meines Karls. Gertr. Warum schmähen Sie ihn? -- Er ist hier. Wissen Sie aber, wie er herkam. Fr. Box. Er hatte eine Wunde, das weiß ich. Halbtodt war er, bleich und blutig, es war ein jammervoller An¬ Gertr. blick. Wir haben gethan, was Menschenpflicht war. Was scheltet ihr uns darum? Fr. Box. Armes, bethörtes Geschöpf. Weißt Du auch, wo sie ihn so zu¬ gerichtet haben? Zu seiner Liebsten wollte er schleichen, zu einer fremden Dame, Gertr. (laut schreiend). Ha, Du thust mir weh! -- Und wenn es so war -- und wenn er bei seiner Geliebten verwundet wurde -- was thut das, nichts, Fr. Box. Aufnehmen, ja. Aber Du hast ihn versteckt, wie man ein Un¬ recht versteckt, Du unseliges Mädchen. Weil es gefährlich war für ihn, und tödtlich für Andre, wenn seine Gertr. Verwundung ruchbar wurde. Die Obrigkeit wäre gekommen, seine Leute hätten Fr. Box. Ja, ja, der Satan ist schlau. Hat er das gesagt, der feine, listige Graf, so sage ich, Katharina Box, ich sage Dir dagegen: er hat gelogen! Gertr. Er lügt nicht, Du aber sprichst Lügen, und ich entsetze mich vor Deinen Worten. Gertrud, Gertrud, das ist Deine Krankheit, die aus Dir spricht. Fr. Box. Ich kenne Dich, seit Du im Kiudermützchen liesse mit den blauen Bändern, und Gertr. Siehst Du, wie Du Dir selbst widersprichst. Wenn es nicht noth- Fr. Box. Ich muß Dich warnen, Kind meiner Seele, vielleicht ist es noch nicht zu spät, vielleicht bist Du noch nicht ganz in den Stricken des Verführers. Gertr. Des Verführers! Fr. B o x. Ja, hören Sie mich, mein armes Kind, ich weiß Alles. Er ist hier, der gewissenlose, schändliche Herr meines Karls. Gertr. Warum schmähen Sie ihn? — Er ist hier. Wissen Sie aber, wie er herkam. Fr. Box. Er hatte eine Wunde, das weiß ich. Halbtodt war er, bleich und blutig, es war ein jammervoller An¬ Gertr. blick. Wir haben gethan, was Menschenpflicht war. Was scheltet ihr uns darum? Fr. Box. Armes, bethörtes Geschöpf. Weißt Du auch, wo sie ihn so zu¬ gerichtet haben? Zu seiner Liebsten wollte er schleichen, zu einer fremden Dame, Gertr. (laut schreiend). Ha, Du thust mir weh! — Und wenn es so war — und wenn er bei seiner Geliebten verwundet wurde — was thut das, nichts, Fr. Box. Aufnehmen, ja. Aber Du hast ihn versteckt, wie man ein Un¬ recht versteckt, Du unseliges Mädchen. Weil es gefährlich war für ihn, und tödtlich für Andre, wenn seine Gertr. Verwundung ruchbar wurde. Die Obrigkeit wäre gekommen, seine Leute hätten Fr. Box. Ja, ja, der Satan ist schlau. Hat er das gesagt, der feine, listige Graf, so sage ich, Katharina Box, ich sage Dir dagegen: er hat gelogen! Gertr. Er lügt nicht, Du aber sprichst Lügen, und ich entsetze mich vor Deinen Worten. Gertrud, Gertrud, das ist Deine Krankheit, die aus Dir spricht. Fr. Box. Ich kenne Dich, seit Du im Kiudermützchen liesse mit den blauen Bändern, und Gertr. Siehst Du, wie Du Dir selbst widersprichst. Wenn es nicht noth- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0338" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278326"/> <note type="speaker"> Fr. Box. </note><lb/> <p xml:id="ID_1822" next="#ID_1823"> Ich muß Dich warnen, Kind meiner Seele, vielleicht ist es noch</p><lb/> <p xml:id="ID_1823" prev="#ID_1822"> nicht zu spät, vielleicht bist Du noch nicht ganz in den Stricken des Verführers.</p><lb/> <note type="speaker"> Gertr. </note><lb/> <p xml:id="ID_1824"> Des Verführers!</p><lb/> <note type="speaker"> Fr. B o x.</note><lb/> <p xml:id="ID_1825" next="#ID_1826"> Ja, hören Sie mich, mein armes Kind, ich weiß Alles. Er ist</p><lb/> <p xml:id="ID_1826" prev="#ID_1825"> hier, der gewissenlose, schändliche Herr meines Karls.</p><lb/> <note type="speaker"> Gertr.</note><lb/> <p xml:id="ID_1827" next="#ID_1828"> Warum schmähen Sie ihn? — Er ist hier. Wissen Sie aber, wie</p><lb/> <p xml:id="ID_1828" prev="#ID_1827"> er herkam.</p><lb/> <note type="speaker"> Fr. Box. </note><lb/> <p xml:id="ID_1829"> Er hatte eine Wunde, das weiß ich.</p><lb/> <p xml:id="ID_1830" next="#ID_1831"> Halbtodt war er, bleich und blutig, es war ein jammervoller An¬</p><lb/> <note type="speaker"> Gertr.</note><lb/> <p xml:id="ID_1831" prev="#ID_1830"> blick. Wir haben gethan, was Menschenpflicht war. Was scheltet ihr uns darum?</p><lb/> <note type="speaker"> Fr. Box.</note><lb/> <p xml:id="ID_1832" next="#ID_1833"> Armes, bethörtes Geschöpf. Weißt Du auch, wo sie ihn so zu¬</p><lb/> <p xml:id="ID_1833" prev="#ID_1832"> gerichtet haben? Zu seiner Liebsten wollte er schleichen, zu einer fremden Dame,<lb/> die auch nicht besser sein mag, als er; — und der ihm auflauerte, war gewiß<lb/> ein Nebenbuhler, ein eifersüchtiger Galan war's.</p><lb/> <note type="speaker"> Gertr. </note><lb/> <stage> (laut schreiend).</stage><lb/> <p xml:id="ID_1834" next="#ID_1835"> Ha, Du thust mir weh! — Und wenn es so war</p><lb/> <p xml:id="ID_1835" prev="#ID_1834"> — und wenn er bei seiner Geliebten verwundet wurde — was thut das, nichts,<lb/> gar nichts — wenn er zu uns kam, wir mußten ihn aufnehmen.</p><lb/> <note type="speaker"> Fr. Box.</note><lb/> <p xml:id="ID_1836" next="#ID_1837"> Aufnehmen, ja. Aber Du hast ihn versteckt, wie man ein Un¬</p><lb/> <p xml:id="ID_1837" prev="#ID_1836"> recht versteckt, Du unseliges Mädchen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1838" next="#ID_1839"> Weil es gefährlich war für ihn, und tödtlich für Andre, wenn seine</p><lb/> <note type="speaker"> Gertr. </note><lb/> <p xml:id="ID_1839" prev="#ID_1838"> Verwundung ruchbar wurde. Die Obrigkeit wäre gekommen, seine Leute hätten<lb/> ihn verrathen, er hätte seinen Feind angeben müssen, er hätte sich mit ihm duel-<lb/> lirt, — o Gott, ich weiß nicht weiter, mir schwindelt.</p><lb/> <note type="speaker"> Fr. Box.</note><lb/> <p xml:id="ID_1840" next="#ID_1841"> Ja, ja, der Satan ist schlau. Hat er das gesagt, der feine,</p><lb/> <p xml:id="ID_1841" prev="#ID_1840"> listige Graf, so sage ich, Katharina Box, ich sage Dir dagegen: er hat gelogen!<lb/> wie ein Schelm hat er gelogen, und ich kann Dir's beweisen.</p><lb/> <note type="speaker"> Gertr.</note><lb/> <p xml:id="ID_1842" next="#ID_1843"> Er lügt nicht, Du aber sprichst Lügen, und ich entsetze mich vor</p><lb/> <p xml:id="ID_1843" prev="#ID_1842"> Deinen Worten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1844" next="#ID_1845"> Gertrud, Gertrud, das ist Deine Krankheit, die aus Dir spricht.</p><lb/> <note type="speaker"> Fr. Box.</note><lb/> <p xml:id="ID_1845" prev="#ID_1844"> Ich kenne Dich, seit Du im Kiudermützchen liesse mit den blauen Bändern, und<lb/> Du kennst mich; bin ich unwahr? Bin ich ein verlognes Ungethüm, das da läuft<lb/> und Unfrieden säet zwischen Heerd und Bett? — Nun aber, hältst Du mich für<lb/> ehrlich, so laß mich beweisen, was ich sage. Ich kenne das Leben dieses Herrn. —<lb/> Wer ist sein Kammerdiener, wer sorgt sür ihn und pflegt ihn und ist allein um ihn ?<lb/> mein Sohn ist's, und der ist verschwiegen wie das Grab. Wenn's darauf ankam, daß<lb/> Niemand seine Krankheit wissen sollte, so hätte mein Karl wohl gesagt, er ist vom<lb/> Pferde gefallen, oder er hat sich Schaden gethan, oder so Etwas; und dem Arzt<lb/> gibt er Geld, daß er still ist. Meinst Du, er wüßte nicht Schweigen zu erkaufen<lb/> wo er's braucht?</p><lb/> <note type="speaker"> Gertr. </note><lb/> <p xml:id="ID_1846" next="#ID_1847"> Siehst Du, wie Du Dir selbst widersprichst. Wenn es nicht noth-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0338]
Fr. Box.
Ich muß Dich warnen, Kind meiner Seele, vielleicht ist es noch
nicht zu spät, vielleicht bist Du noch nicht ganz in den Stricken des Verführers.
Gertr.
Des Verführers!
Fr. B o x.
Ja, hören Sie mich, mein armes Kind, ich weiß Alles. Er ist
hier, der gewissenlose, schändliche Herr meines Karls.
Gertr.
Warum schmähen Sie ihn? — Er ist hier. Wissen Sie aber, wie
er herkam.
Fr. Box.
Er hatte eine Wunde, das weiß ich.
Halbtodt war er, bleich und blutig, es war ein jammervoller An¬
Gertr.
blick. Wir haben gethan, was Menschenpflicht war. Was scheltet ihr uns darum?
Fr. Box.
Armes, bethörtes Geschöpf. Weißt Du auch, wo sie ihn so zu¬
gerichtet haben? Zu seiner Liebsten wollte er schleichen, zu einer fremden Dame,
die auch nicht besser sein mag, als er; — und der ihm auflauerte, war gewiß
ein Nebenbuhler, ein eifersüchtiger Galan war's.
Gertr.
(laut schreiend).
Ha, Du thust mir weh! — Und wenn es so war
— und wenn er bei seiner Geliebten verwundet wurde — was thut das, nichts,
gar nichts — wenn er zu uns kam, wir mußten ihn aufnehmen.
Fr. Box.
Aufnehmen, ja. Aber Du hast ihn versteckt, wie man ein Un¬
recht versteckt, Du unseliges Mädchen.
Weil es gefährlich war für ihn, und tödtlich für Andre, wenn seine
Gertr.
Verwundung ruchbar wurde. Die Obrigkeit wäre gekommen, seine Leute hätten
ihn verrathen, er hätte seinen Feind angeben müssen, er hätte sich mit ihm duel-
lirt, — o Gott, ich weiß nicht weiter, mir schwindelt.
Fr. Box.
Ja, ja, der Satan ist schlau. Hat er das gesagt, der feine,
listige Graf, so sage ich, Katharina Box, ich sage Dir dagegen: er hat gelogen!
wie ein Schelm hat er gelogen, und ich kann Dir's beweisen.
Gertr.
Er lügt nicht, Du aber sprichst Lügen, und ich entsetze mich vor
Deinen Worten.
Gertrud, Gertrud, das ist Deine Krankheit, die aus Dir spricht.
Fr. Box.
Ich kenne Dich, seit Du im Kiudermützchen liesse mit den blauen Bändern, und
Du kennst mich; bin ich unwahr? Bin ich ein verlognes Ungethüm, das da läuft
und Unfrieden säet zwischen Heerd und Bett? — Nun aber, hältst Du mich für
ehrlich, so laß mich beweisen, was ich sage. Ich kenne das Leben dieses Herrn. —
Wer ist sein Kammerdiener, wer sorgt sür ihn und pflegt ihn und ist allein um ihn ?
mein Sohn ist's, und der ist verschwiegen wie das Grab. Wenn's darauf ankam, daß
Niemand seine Krankheit wissen sollte, so hätte mein Karl wohl gesagt, er ist vom
Pferde gefallen, oder er hat sich Schaden gethan, oder so Etwas; und dem Arzt
gibt er Geld, daß er still ist. Meinst Du, er wüßte nicht Schweigen zu erkaufen
wo er's braucht?
Gertr.
Siehst Du, wie Du Dir selbst widersprichst. Wenn es nicht noth-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |