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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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selbst. Sie sind uns ja kein Fremder. Oft haben wir von Ihnen gesprochen,
und so oft ich Sie sah, sagte ich zu mir, wenn er wüßte, wie sehr du dich um
ihn kümmerst. -- Und aus dem Hans suchte ich heraus, worin er seinem Vater
ähnlich wäre; wenn er wild und unartig war, dachte ich, das hat er von seinem
Vater. -- Nun, Sie nehmen das nicht mehr übel -- und wenn er recht kluge
Fragen that, dachte ich auch, das hat er von seinem Vater, der hat ein scharfes,
glänzendes Auge. -- So waren Sie uns nicht fremd, und jetzt ist mir so, als
wären-Sie ein alter Freund.

Bin ich das, Gertrud? Das las ich nicht aus Ihren Augen, als


Wald.

ich Sie das erste Mal sah.

Weil ich böse auf Sie war. -- Aber seit ich Sie auf dem Lager


Gertr.

gesehen habe, die Augen geschlossen, das Angesicht schmerzlich verzogen, da merkte
ich, wie Sie im Innern sind.

Und wie bin ich, liebe Wärterin?


Wald.
Gertr.

Sehen Sie, Sie sind gut und haben ein weiches Gefühl. Aber

es ist Ihnen stets Ihr Wille geschehn, und da sind Sie ungeduldig worden und
haben sich gewohnt zu befehlen, und nehmen keine Rücksicht ans Andere.


Wald.

Das ist wahr, Gertrud.


Gertr.

Ader das Schlimmste kommt noch. Sie haben nicht nöthig gehabt

viel zu arbeiten, und da habe" Sie tolle Streiche gemacht und haben so viel
Vergnügen genossen, daß Ihnen nichts mehr ein rechtes Vergnügen macht. Und
deshalb sind sie spöttisch und lachen über Alles; das ärgert mich am meisten.


Wald.

Gertrud, Sie schmeicheln gar nicht.

Nein, aber ich spreche die Wahrheit. Es gibt eine Fabel von einer


Gertr.

lustigen faulen Grille und einer Feldmaus. Die Fabel paßt auf Sie. Wir kleinen
Leute sind die Feldmäuse und Sie sind die Grille, thun den ganzen Sommer nichts,
als mit den Flügeln schlagen und durch die Welt springen, aber wie wird's im
Winter mit ihr stehn?


Wald.

Nun, beim Styx, ich hätte nie gedacht, daß das Leben des Grafen

Waldemar so durchsichtig wäre, daß jedes Auge hineinsehen könnte, und jede Zunge
mich ailswendig wüßte, wie einen Kinderreim.

Geben Sie Acht, da ist der spöttische Zug wieder, hinweg mit


Gertr.

ihm. -- Der Hans kennt die Fabel, er soll sie Ihnen vorsagen.

Meinetwegen, wenn es Ihnen Freude macht, liebe Feld¬

(gutmüthig).

Wald,

maus, die Grille wird zuhören und sich die Lehre merken.


Gertr.

Nun, Grillen mögen Sie wohl genug im Kopfe haben. -- Ich

freue mich herzlich.


Wald.

Worüber?


Gertr.

Daß Sie so freundlich sind. Mir ist fröhlich zu Muth, ich sehe

jetzt klar in die ganze Welt. Sonst war ich oft traurig, wenn ich von den Großen


selbst. Sie sind uns ja kein Fremder. Oft haben wir von Ihnen gesprochen,
und so oft ich Sie sah, sagte ich zu mir, wenn er wüßte, wie sehr du dich um
ihn kümmerst. — Und aus dem Hans suchte ich heraus, worin er seinem Vater
ähnlich wäre; wenn er wild und unartig war, dachte ich, das hat er von seinem
Vater. — Nun, Sie nehmen das nicht mehr übel — und wenn er recht kluge
Fragen that, dachte ich auch, das hat er von seinem Vater, der hat ein scharfes,
glänzendes Auge. — So waren Sie uns nicht fremd, und jetzt ist mir so, als
wären-Sie ein alter Freund.

Bin ich das, Gertrud? Das las ich nicht aus Ihren Augen, als


Wald.

ich Sie das erste Mal sah.

Weil ich böse auf Sie war. — Aber seit ich Sie auf dem Lager


Gertr.

gesehen habe, die Augen geschlossen, das Angesicht schmerzlich verzogen, da merkte
ich, wie Sie im Innern sind.

Und wie bin ich, liebe Wärterin?


Wald.
Gertr.

Sehen Sie, Sie sind gut und haben ein weiches Gefühl. Aber

es ist Ihnen stets Ihr Wille geschehn, und da sind Sie ungeduldig worden und
haben sich gewohnt zu befehlen, und nehmen keine Rücksicht ans Andere.


Wald.

Das ist wahr, Gertrud.


Gertr.

Ader das Schlimmste kommt noch. Sie haben nicht nöthig gehabt

viel zu arbeiten, und da habe» Sie tolle Streiche gemacht und haben so viel
Vergnügen genossen, daß Ihnen nichts mehr ein rechtes Vergnügen macht. Und
deshalb sind sie spöttisch und lachen über Alles; das ärgert mich am meisten.


Wald.

Gertrud, Sie schmeicheln gar nicht.

Nein, aber ich spreche die Wahrheit. Es gibt eine Fabel von einer


Gertr.

lustigen faulen Grille und einer Feldmaus. Die Fabel paßt auf Sie. Wir kleinen
Leute sind die Feldmäuse und Sie sind die Grille, thun den ganzen Sommer nichts,
als mit den Flügeln schlagen und durch die Welt springen, aber wie wird's im
Winter mit ihr stehn?


Wald.

Nun, beim Styx, ich hätte nie gedacht, daß das Leben des Grafen

Waldemar so durchsichtig wäre, daß jedes Auge hineinsehen könnte, und jede Zunge
mich ailswendig wüßte, wie einen Kinderreim.

Geben Sie Acht, da ist der spöttische Zug wieder, hinweg mit


Gertr.

ihm. — Der Hans kennt die Fabel, er soll sie Ihnen vorsagen.

Meinetwegen, wenn es Ihnen Freude macht, liebe Feld¬

(gutmüthig).

Wald,

maus, die Grille wird zuhören und sich die Lehre merken.


Gertr.

Nun, Grillen mögen Sie wohl genug im Kopfe haben. — Ich

freue mich herzlich.


Wald.

Worüber?


Gertr.

Daß Sie so freundlich sind. Mir ist fröhlich zu Muth, ich sehe

jetzt klar in die ganze Welt. Sonst war ich oft traurig, wenn ich von den Großen


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[0330] selbst. Sie sind uns ja kein Fremder. Oft haben wir von Ihnen gesprochen, und so oft ich Sie sah, sagte ich zu mir, wenn er wüßte, wie sehr du dich um ihn kümmerst. — Und aus dem Hans suchte ich heraus, worin er seinem Vater ähnlich wäre; wenn er wild und unartig war, dachte ich, das hat er von seinem Vater. — Nun, Sie nehmen das nicht mehr übel — und wenn er recht kluge Fragen that, dachte ich auch, das hat er von seinem Vater, der hat ein scharfes, glänzendes Auge. — So waren Sie uns nicht fremd, und jetzt ist mir so, als wären-Sie ein alter Freund. Bin ich das, Gertrud? Das las ich nicht aus Ihren Augen, als Wald. ich Sie das erste Mal sah. Weil ich böse auf Sie war. — Aber seit ich Sie auf dem Lager Gertr. gesehen habe, die Augen geschlossen, das Angesicht schmerzlich verzogen, da merkte ich, wie Sie im Innern sind. Und wie bin ich, liebe Wärterin? Wald. Gertr. Sehen Sie, Sie sind gut und haben ein weiches Gefühl. Aber es ist Ihnen stets Ihr Wille geschehn, und da sind Sie ungeduldig worden und haben sich gewohnt zu befehlen, und nehmen keine Rücksicht ans Andere. Wald. Das ist wahr, Gertrud. Gertr. Ader das Schlimmste kommt noch. Sie haben nicht nöthig gehabt viel zu arbeiten, und da habe» Sie tolle Streiche gemacht und haben so viel Vergnügen genossen, daß Ihnen nichts mehr ein rechtes Vergnügen macht. Und deshalb sind sie spöttisch und lachen über Alles; das ärgert mich am meisten. Wald. Gertrud, Sie schmeicheln gar nicht. Nein, aber ich spreche die Wahrheit. Es gibt eine Fabel von einer Gertr. lustigen faulen Grille und einer Feldmaus. Die Fabel paßt auf Sie. Wir kleinen Leute sind die Feldmäuse und Sie sind die Grille, thun den ganzen Sommer nichts, als mit den Flügeln schlagen und durch die Welt springen, aber wie wird's im Winter mit ihr stehn? Wald. Nun, beim Styx, ich hätte nie gedacht, daß das Leben des Grafen Waldemar so durchsichtig wäre, daß jedes Auge hineinsehen könnte, und jede Zunge mich ailswendig wüßte, wie einen Kinderreim. Geben Sie Acht, da ist der spöttische Zug wieder, hinweg mit Gertr. ihm. — Der Hans kennt die Fabel, er soll sie Ihnen vorsagen. Meinetwegen, wenn es Ihnen Freude macht, liebe Feld¬ (gutmüthig). Wald, maus, die Grille wird zuhören und sich die Lehre merken. Gertr. Nun, Grillen mögen Sie wohl genug im Kopfe haben. — Ich freue mich herzlich. Wald. Worüber? Gertr. Daß Sie so freundlich sind. Mir ist fröhlich zu Muth, ich sehe jetzt klar in die ganze Welt. Sonst war ich oft traurig, wenn ich von den Großen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/330>, abgerufen am 23.12.2024.